Fachschule für Werbung und Gestaltung Berlin
Die Fachschule für Werbung und Gestaltung (FWG) in Berlin war eine Ausbildungsstätte für Gebrauchsgrafik, Öffentlichkeitsarbeit und Ausstellungsgestaltung.
Geschichte
1892 wurde durch den Berliner Magistrat die II. Handwerkerschule Berlin gegründet. Erster Direktor wurde der Ingenieur und Bootsbauer Hermann Tradt (bis 1913). 1932 fand die Umwandlung dieser Kunstgewerbe- und Handwerkerschule in die Höhere Graphische Fachschule Berlin statt. Am 4. Mai 1936 wurde die Einrichtung auf Anordnung der NS-Reichsfachschaft deutscher Werber in Höhere Reichswerbeschule und 1938 in Werbefachliche Lehranstalt umbenannt. Durch einen Luftangriff im Februar 1945 wurde das Schulgebäude in der Andreasstraße, das über 40 Jahre als Domizil gedient hatte, zerstört. Im Oktober 1945 wurde die Ausbildungsstätte als Meisterschule für Grafik und Buchgewerbe durch den Berliner Magistrat wiedereröffnet. Mit einer deutlichen Abgrenzung zur Werbefachschule der Nationalsozialisten sollte das grafische Gewerbe und die Buchkunst wieder in den Vordergrund der Ausbildung gerückt werden. Dabei besann sich die Schule wieder auf die Traditionen der Höheren Graphischen Fachschule Berlins.
Infolge der Teilung Berlins verzog 1949 ein Teil der Schule nach West-Berlin, um in der Hochschule für Bildende Künste Berlins aufzugehen. In Ost-Berlin wurde die Berliner Fachschule für Grafik, Druck und Werbung aufgebaut, wo neben der Abteilung Grafik auch die Abteilung Werbung eingerichtet wurde. 1952 zog die Berliner Fachschule für Grafik, Druck und Werbung nach Oberschöneweide in die Nalepastraße 203/205, in den Nordflügel eines 1914 erbauten Schulgebäudes. Insgesamt 22 Klassenräume und 9 Werkstatträume wurden neu eingerichtet. Es entstand eine Fachschule mit einem in der DDR einmaligen Profil.
Seit 1967 führte die Ausbildungsstätte den Namen Fachschule für Werbung und Gestaltung (FWG) und unterrichtete neben Direkt- auch Fernstudenten. Absolventen der Fachschule arbeiteten nach der Ausbildung in Werbeabteilungen der Kombinate und Betriebe, in der DEWAG-Werbung, der Interwerbung, in Betrieben des Außen- und Binnenhandels, in Verlagen, Redaktionen, Theatern, Museen und in staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen.
Die FWG unterhielt seit den 1970er Jahren Kooperationsbeziehungen mit der DEWAG-Werbung, dem Leipziger Messeamt, der Deutschen Bauakademie, Verlagen, dem Handel und der Industrie.
Ab 1972 fanden in der Fachschule RGW-Lehrgänge für leitende Werbefachleute der Ostblockstaaten statt. In dieser Zeit wurden auch langfristige Kooperationsvereinbarungen mit Betrieben und Organisationen abgeschlossen, in denen es um die Gestaltung von Werbung ging, unter anderem für
- die DEWAG-Werbung,
- den Verband Deutscher Konsumgenossenschaften,
- das Leipziger Messeamt,
- den VVB Centrum.
1989 zählte die FWG elf Mitarbeiter in Forschung und Lehre, 18 Angestellte, 37 Lehrkräfte und 100 Studenten. 1990 stellte das Kollegium der Fachschule an das Land Berlin einen Antrag zur Umwandlung in eine Fachhochschule. Künftig sollte die Fachhochschule 600 Studierende im Direktstudium und 90 im Fern- und Abendstudium ausbilden. Diese Pläne wurden jedoch nicht realisiert. 1993 wurde die Fachschule für Werbung und Gestaltung Berlin abgewickelt. Die Außenstelle Potsdam ist in der Fachhochschule Potsdam aufgegangen.
Fachbereiche
Mit einer dreijährigen Ausbildungszeit wurden folgende Ausbildungen angeboten:
- Messe- und Ausstellungsgestalter,
- Buch- und Pressetypograf,
- Gebrauchsgrafiker,
- Werbeökonomie (z. B. für Werberegie, Werbetext und Werbemethodik)
und ab 1955 im Schulteil Potsdam
- Farb- und Oberflächengestalter für das Bauwesen sowie
- Restaurator
Eine Hochschulausbildung auf dem Gebiet der Gebrauchsgrafik oder der Buch- und Schriftgrafik war nach dem Abschluss der FWG an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und an der Hochschule für industrielle Formgestaltung Halle, Burg Giebichenstein möglich.
Direktoren
1955–1973 Werner Nerlich
Der Maler und Grafiker Werner Nerlich wurde 1915 in Nowawes geboren und besuchte eine Kunstschule in Berlin, wo er u. a. bei Hans Orlowski und Max Kaus lernte. Er war 1945 Mitbegründer des Kulturbundes und ein enger Freund und Mitarbeiter von Otto Nagel. 1947 gründete er die Landesmalschule in Potsdam, aus der 1951 die Fachschule für Angewandte Kunst Potsdam hervorging. 1955 bis 1973 war er Direktor der Fachschule für Werbung und Gestaltung Berlin und der Außenstelle in Potsdam. Neben Malerei und Grafik schuf er Werke der baugebundenen Kunst, wie zum Beispiel in Potsdam das Metallrelief an der Schwimmhalle „Am Brauhausberg“, das Wandbild im Alten Rathaus und die Glockenstele auf dem Alten Friedhof. Nerlich starb 1999 in Potsdam.
1973–1983 Erhart Bauch
Der Grafiker Erhart Bauch wurde 1921 in Seelingstädt bei Werdau geboren. Von 1935 bis 1939 wurde er zum Schriftsetzer ausgebildet. 1949 bis 1953 studierte er an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Anschließend war er freischaffend vorrangig als Grafiker und Typograf für unterschiedliche Verlage tätig. 1963 bis 1973 lehrte er an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Danach wechselte Erhart Bauch an die Fachschule für Werbung und Gestaltung Berlin und war dort von 1973 bis 1983 als Direktor tätig, ehe er 1986 aus der Fachschule ausschied. Erhart Bauch starb 1991.
1983–1991 Günter Knobloch
Der 1937 in Leipzig geborene Günter Knobloch studierte von 1956 bis 1957 Geschichte und Kunsterziehung an der Karl-Marx-Universität Leipzig und anschließend von 1957 bis 1962 Gebrauchsgrafik bei Walter Funkat an der Hochschule für industrielle Formgestaltung Halle, Burg Giebichenstein. Danach war er von 1962 bis 1965 als Gebrauchsgrafiker/Designer am Institut für Formgestaltung der Hochschule tätig. 1965 wechselte Günter Knobloch an das Zentralinstitut für Gestaltung nach Berlin. Dort war er bis 1970 für Ausstellungen des Zentralinstitutes bzw. Amtes für industrielle Formgestaltung im In- und Ausland verantwortlich. 1971 übernahm er an der Fachschule für Werbung und Gestaltung Berlin die Leitung der Fachrichtung Gebrauchsgrafik und danach der Abteilung Gestaltung. Von 1983 bis 1991 war Günter Knobloch Direktor an der Fachschule mit ihrer Außenstelle in Potsdam.
Weblinks
- Studienbeginn im Modellstudiengang KulturArbeit WS 1995/1996 – Start des Studiengangs Restaurierung aus dem Bereich „Restaurierung in der Denkmalpflege“ der ehemaligen „Fachschule für Werbung und Gestaltung“
- Universität der Künste Berlin, Bestände: 1. Historische Schriftarchive, Weitere Schriftarchive, „Fachschule für Werbung und Gestaltung“
- DEFA-Stiftung, Sonstige Ausbildungseinrichtungen
- Informationen über das Schulgebäude in der Nalepastraße 203–205