Kunstgewerbeschule

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Die Kunstgewerbeschulen waren bis 1945 (in Deutschland) künstlerische Ausbildungsstätten (höhere Fachschulen) mit dem Schwerpunkt im Bereich der angewandten Kunst.

Soziokultureller Hintergrund

Der Anstoß zur künstlerischen Gewerbeförderung wurde durch die industrielle Konkurrenz Frankreichs und Großbritanniens auf den Weltausstellungen in London 1851 und Paris 1855 ausgelöst und in Großbritannien durch die Society of Arts mit dem Aufbau des Londoner South-Kensington-Museums aufgegriffen. Bereits auf der Weltausstellung London 1862 zeigte sich der Erfolg. Die 1884 gegründete Home arts and industries association machte sich dann die künstlerische Durchbildung der gesamten Gesellschaft zur Aufgabe. Der Verein Deutsches Gewerbemuseum zu Berlin zog seit 1867 nach, gründete 1879 das Kunstgewerbemuseum Berlin und 1885 die Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums Berlin. Bereits ins Jahr 1863 fiel die Gründung Österreichischen Museums für Kunst und Industrie.

Deutschland

In Deutschland öffneten, dem Berliner Beispiel folgend, und mit dem Ziel der Förderung der deutschen Kunstindustrie, bis zum Ende des 19. Jahrhunderts in rascher Folge unter anderem die Kunstgewerbeschulen in Nürnberg (1853), München (1868), Kassel (1869), die „Württembergische staatliche Kunstgewerbeschule“ in Stuttgart (1869), die pfälzische kunstgewerbliche Fachschule in Kaiserslautern (1874), die Schule für Metallindustrie in Pforzheim (1877), sowie weitere Kunstgewerbeschulen in Karlsruhe (1878), Dresden (1879), Wiesbaden und Frankfurt am Main 1878 (später in den 1920er Jahren integriert in die Staatliche Hochschule für Bildende Künste Frankfurt), Breslau, Düsseldorf, Industrieschule Sonneberg mit den Schwerpunkten Spielzeug-, Keramik- und Glasgestaltung (1883), Hamburg (1896) und Erfurt (1898), während die bestehende „Vereinigte Provinzial-Kunst- und gewerbliche Zeichenschule“ genannte Sonntags- und Abendschule in Magdeburg reformiert und in „Kunstgewerbe- und Handwerkerschule“ (1887) umbenannt wurde.

Zu einer Erneuerung der Kunstgewerbebewegung kam es zwischen den Weltausstellungen Paris 1900 und Brüssel 1910 durch den 1907 gegründeten Deutschen Werkbund und die Einrichtung einer Professur für modernes Kunstgewerbe an der Handelshochschule Berlin. 1908 zog Weimar im Verbund mit der Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule (Hans Olde) und der Weimarer Bildhauerschule (Adolf Brütt) – der auch dem Beirat der Berliner Unterrichtsanstalt unter Bruno Paul angehörte – mit der Eröffnung der Großherzoglich-Sächsischen Kunstgewerbeschule (Henry van de Velde) nach. Peter Behrens (1868–1940) leitete für wenige Jahre die Kunstgewerbeschule Düsseldorf (1903–1907). Eine Kunstgewerbliche Fachschule in Flensburg ist zumindest zwischen 1905 und 1909 aus den Quellen belegt durch die Teilnahme von Emmy Gotzmann an Kursen im Aktzeichnen.

Die Kölner Werkbundausstellung von 1914 hatte großen Einfluss auf das Programm der Kunstgewerbeschulen.

Die von Olde, Brütt und van de Velde betriebene Weimarer Schule wurde durch das Bauhaus (1919–1933) fortgeführt. In Köln kam es zur Gründung der von Richard Riemerschmid geleiteten Kölner Werkschulen (1926–1933). Bedeutung erlangte auch die Kunstgewerbeschule Aachen unter der Leitung von Rudolf Schwarz in den Jahren 1927–1934.

Während der Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945) wurden die Schulen gleichgeschaltet und firmierten nun als Meisterschulen des gestaltenden Handwerks.

Nach dem Zweiten Weltkrieg fand eine Erneuerung statt durch die Gründung der Werkkunstschulen in Aachen, Augsburg, Bielefeld, Braunschweig, Bremen, Darmstadt, Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Essen, Hamburg, Hannover, Kiel, Krefeld, Kassel, Lübeck, Magdeburg, Mainz, Münster, Offenbach, Saarbrücken, Trier, Wiesbaden und Wuppertal. In der DDR gab es ab 1950 Fachschulen für angewandte Kunst in Erfurt, Heiligendamm, Leipzig, Magdeburg, Potsdam, Schneeberg und Sonneberg. Fachschulstudiengänge zur künstlerischen Formgestaltung gab es auch an verschiedenen Hochschulen der DDR.

Die meisten der früheren Werkkunstschulen gingen in Nachfolge-Hochschulen auf, wie beispielsweise:

oder wurden, wenn sie nicht selbst zu eigenständigen Hochschulen für Bildende Künste umgewandelt wurden, in bestehende Kunsthochschulen integriert. Beispielsweise

  • gingen aus den ehemaligen Zeichenschulen der „Hamburgischen Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe“ (heute Patriotische Gesellschaft von 1765) neben der Fachhochschule Hamburg auch die Hamburger Schule für Kunst und Gewerbe, Vorläuferin der heutigen Hochschule für Bildende Künste Hamburg hervor,
  • entwickelte sich aus der ehemaligen „Technischen Anstalt für Gewerbetreibende“ (1873) in Bremen nach mehrmaliger Umbenennung die „Hochschule für Gestaltung“ (1970) und schließlich die heutige Hochschule für Künste Bremen
  • wandelte sich die ehemalige „Kieler Gewerbeschule“ (1907) in die „Technische und kunstgewerbliche Fachschule“ (1910), dann in die „Muthesius-Werkschule für Handwerk und angewandte Kunst“, nahm dann nacheinander den Status einer höheren Fachschule (bis 1972) beziehungsweise „Fachhochschule für Gestaltung“ an, bevor sie schließlich zur Muthesius Kunsthochschule Kiel (2007) erhoben wurde,
  • gingen des Weiteren aus dem 1841 vom Braunschweiger Gewerbeverein gegründeten „Zeichen-Instithut“ die Hochschule für Bildende Künste Braunschweig hervor, aus der „Offenbacher Werkkunstschule“ die Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main, aus der „Staatlichen Schule für Kunst und Kunstgewerbe, Saarbrücken“ (1924) die „Werkkunstschule für Kunst und Handwerk“ (1946–1971) wurde zum Fachbereich Kunst und Design der FH Saarbrücken und zur Hochschule der Bildenden Künste Saar (1989).
  • ging aus der ehemaligen Handwerker- und Kunstgewerbeschule Elberfeld (1896/1897), die 1930 mit der 1894 gegründeten Kunstgewerbeschule Barmen zur Kunstgewerbeschule Wuppertal vereinigt wurde, dann Meisterschule für gestaltendes Handwerk und nach dem Zweiten Weltkrieg Werkkunstschule Wuppertal hieß, 1972 die Gesamthochschule Wuppertal hervor, die seit 2003 als Bergische Universität Wuppertal geführt wird,
  • entwickelte sich aus der „Kunstgewerbeschule Essen“ (1911–1928) die „Folkwangschule“ (höhere Fachschule für Gestaltung) bis 1971, dann Teil der Universität Essen/Duisburg und ab 2008 (zusammen mit der Musikhochschule und der Hochschule für Darstellende Künste) der Fachbereich Design der Folkwang Universität der Künste, die einzige Hochschule in Deutschland mit Promotionsrecht im Fach Design (Dr.des.).
  • wurden die Kölner Werkschulen (1926–1971) zum „Fachbereich Kunst und Design“ an der Fachhochschule Köln und 1993 als Köln International School of Design (KISD) und Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) neu gegründet.

Ohne Nachfolge blieben:

Österreich

Wien

Gedenktafel für die kaiserlich-königliche Kunstgewerbeschule in Wien

Kaiser Franz Joseph I. gründete die „Kunstgewerbeschule des K. K. Österreichischen Museums für Kunst und Industrie“ im September 1867 und eröffnete sie am 1. Oktober 1868. Nach Ende der Monarchie entfielen seit 1919 die Adjektive Kaiserlich-königlich, abgekürzt K. K. Auf die Ausbildungserfolge verwies eine Jubiläumsschrift 1929.[1] Aus der Kunstgewerbeschule ging 1999 die Universität für angewandte Kunst Wien hervor. Unabhängig besteht weiterhin das Österreichische Museum für angewandte Kunst – MAK.

Im schulischen Bereich wirkt zum Beispiel die vereinsgetragene „Wiener Kunstschule“ (→ Weblinks). Den Titel Kunstgewerbe ersetzen heute oft die Worte Design und Medien.

Oberösterreich

Die Ausbildungsschwerpunkte „Objekt, Bild, Medien“ bietet die Höhere Bundeslehranstalt für künstlerische Gestaltung (HBLA) in Linz an der Donau (→ Weblinks).

Salzburg

  • Die Fachhochschule Salzburg mit Standorten in der Stadt und im Bundesland weist Bachelor- und Master-Studiengänge für Möbeldesign, Interior Design und Industrial Design aus (→ Weblinks).

Steiermark

Im Sektor der höheren Bildung widmet sich dem Schwerpunkt Kunstgewerbe die Ortweinschule (HTBLA) in der Landeshauptstadt Graz.

Tirol

  • „bilding“ heißt die Kunst- und Architekturschule für Kinder und Jugendliche in Innsbruck (→ Weblinks).

Schweiz

Die früheren Kunstgewerbeschulen in Basel, Bern, Biel, Luzern und Zürich sind zwischenzeitlich aufgegangen in der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel, der Schule für Gestaltung Bern und Biel, der Hochschule Luzern und der Zürcher Hochschule der Künste.

Siehe auch

Quellen

  1. Kunstgewerbeschule des Österr. Museums für Kunst und Industrie in Wien (Hg): Ausstellung von Schülerarbeiten aus Anlass der Vollendung des 60. Bestandsjahres der Anstalt. Kunstgewerbeschule, Wien 1929.

Weblinks

Einzelnachweise