Fahrwiderstand

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Der Fahrwiderstand bezeichnet die Summe der Widerstände, die ein Landfahrzeug mit Hilfe einer Antriebskraft überwinden muss, um mit einer konstanten oder beschleunigten Geschwindigkeit auf einer horizontalen oder geneigten Strecke zu fahren.

Komponenten des Fahrwiderstandes

Der Fahrwiderstand setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen:

Luftwiderstand
  • Der Luftwiderstand steigt quadratisch mit der Fahrgeschwindigkeit und ist abhängig von der aerodynamischen Form des Fahrzeuges (Luftwiderstandsbeiwert) und der Luftdichte:
Luftwiderstandskraft in [N]
Luftdichte in [kg/m³] (auf Meereshöhe bei 20 °C etwa 1,2 kg/m³)
von der Form des Fahrzeuges abhängiger Strömungswiderstandskoeffizient/Luftwiderstandsbeiwert (geringfügig geschwindigkeitsabhängig), dimensionslos [-]
Projizierte Stirnfläche (Stirnfläche im Schattenriss) in [m²]
Relativgeschwindigkeit des Fahrzeuges in [m/s]
Rollwiderstand
  • Der Rollwiderstand ist bedingt durch die Verformungsarbeit von Reifen und Fahrbahn an den Kontaktstellen. Die Verformung hat ihre Ursache in der Fahrzeugmasse in Verbindung mit den elastischen Eigenschaften der Fahrbahn und der Reifen. Der Rollwiderstand ist masseabhängig. Man kann ihn vereinfachend nach folgender Formel ermitteln:
Rollwiderstand in [N]
Masse des Fahrzeuges in [kg]
Masse der Zuladung des Fahrzeuges in [kg]
Schwerebeschleunigung, g = 9,81 m/s²
Rollwiderstandskoeffizient (näherungsweise geschwindigkeitsunabhängig)[1]), dimensionslos [-]
Steigungswinkel in rad (also dimensionslos) [-]
Steigungswiderstand
  • Der Steigungswiderstand entsteht beim Befahren einer Steigung. In einem Gefälle ist der Steigungswiderstand negativ:
Steigungswiderstand in [N]
Steigungswinkel in rad (also dimensionslos) [-], im Gefälle als negativer Wert einzusetzen
Hinweis: Im Straßenverkehr ist es üblich, Steigungen und Gefälle in % auszudrücken. Wählt man den Wert s für die Steigung in %, so ergibt sich mit der Hilfsgröße der Zusammenhang und
Beschleunigungswiderstand
  • Der Beschleunigungswiderstand tritt auf, wenn das Fahrzeug seine Geschwindigkeit ändert. Eine Verzögerung ist als negative Beschleunigung einzusetzen:
Beschleunigungswiderstand in [N]
Massenfaktor (>1), der die Trägheitsmomente der beschleunigten, rotierenden Massen im Antriebsstrang berücksichtigt (Abhängig von der aktuellen Getriebeübersetzung), dimensionslos [-]
Beschleunigung des Fahrzeuges in [m/s²]

Die Fahrwiderstandskraft ist die Summe aus den genannten Kräften:

Sinngemäß ist die Antriebskraft, also die Kraft, die ein Fahrzeug braucht, um seine Geschwindigkeit konstant zu halten (bzw. um mit der Beschleunigung a zu beschleunigen), die negative Fahrwiderstandskraft: . Die Vorzeichenkonvention ergibt sich daraus, dass die Reibungskräfte der Bewegung stets entgegenwirken und die Vorzeichenvereinbarung für Steigung und Beschleunigung gleichartig gewählt wurden.
Gilt die genannte vektorielle Kräftebeziehung, so sind die Beträge der beiden Vektoren gleich groß:

.

Erforderliche Antriebsleistung

Eng mit dem Fahrwiderstand verknüpft ist die Frage nach der Antriebsleistung, die erforderlich ist, um eine bestimmte Geschwindigkeit zu erreichen und welche Höchstgeschwindigkeit ein Fahrzeug erreichen kann.

Die Antriebsleistung ergibt sich als Antriebskraft multipliziert mit der Geschwindigkeit des Fahrzeugs:

Für die Berechnung der Höchstgeschwindigkeit wird angenommen, dass keine Beschleunigung mehr stattfindet und sich das Fahrzeug in der Ebene bewegt. Damit lässt sich die Höchstgeschwindigkeit aus folgender in v kubischen Gleichung bestimmen mit :

Unter der weiteren Annahme und somit vereinfacht sich die Gleichung:

Diese kubische Gleichung lässt sich nicht einfach nach umstellen und auflösen, aber die erforderliche Antriebsleistung für eine bestimmte Geschwindigkeit kann wie folgt berechnet werden:

Beispiel

Welche Motorleistung (Leistung an der Kurbelwelle) ist erforderlich, damit ein PKW bei Windstille auf der Ebene eine konstante Geschwindigkeit von 200 km/h halten kann ?

Fahrzeugspezifische Daten:
:1900 kg (Fahrzeugmasse + Zuladung)
: 0,4 (Luftwiderstandsbeiwert)
: 1,5 m² (Projizierte Stirnfläche)
Weitere Daten:
: 1,2 kg/m³ (Luftdichte auf Meereshöhe bei 20 °C)
: 0,0175 (Rollwiderstandsbeiwert auf trockenem Asphalt)

Einsetzen der angenommenen Werte in die Gleichung ergibt eine erforderliche Antriebsleistung von ca. 80 kW.

Wenn man realistischerweise einen Verlust im Antriebsstrang des PKW von 15 % annimmt (Wirkungsgrad 0,85), wäre die erforderliche Motorleistung (an der Kurbelwelle) ca. 94 kW.

Bei einer Geschwindigkeit von 200 km/h beträgt der Leistungsanteil, der zur Überwindung des Luftwiderstandes erforderlich ist ca. 77 %. Der Anteil für die Überwindung des Rollwiderstandes beträgt ca. 23 %. Bei höheren Geschwindigkeiten nimmt der Leistungsanteil für den Luftwiderstand weiter zu, bei geringeren Geschwindigkeiten entsprechend ab. Beim Leistungsanteil für den Rollwiderstand verhält es sich genau umgekehrt. Im Beispiel halten sich bei einer Geschwindigkeit von ca. 110 km/h der Leistungsbedarf für den Luftwiderstand und für den Rollwiderstand in etwa die Waage.

Bei Motorrädern beispielsweise spielt der Rollwiderstand eine deutlich geringere Rolle. Bei Tempo 200 km/h liegt der Anteil für die Leistung zur Überwindung des Rollwiderstandes vergleichsweise bei nur ca. 5 % (23 % beim PKW). Dies liegt an der im Vergleich zum PKW deutlich geringen Fahrzeugmasse, welche proportional zum Rollwiderstand ist (vgl. Formel für ).

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch folgende Betrachtung:

Welche Motorleistung ist erforderlich um konstant mit einer Geschwindigkeit von 220 km/h zu fahren, also 20 km/h schneller als im Beispiel ?

Ein erneutes Einsetzen ergibt jetzt eine Motorleistung von ca. 120 kW. Es sind also ca. 28 % mehr Motorleistung erforderlich um noch 20 km/h schneller fahren zu können!

Fazit und Erkenntnisse

Die erforderliche Leistung zur Überwindung des Luftwiderstandes steigt mit der 3. Potenz der Fahrzeuggeschwindigkeit. Dadurch überwiegt bei zunehmender Fahrgeschwindigkeit der Leistungsanteil, der zur Überwindung des Luftwiderstandes benötigt wird. Bei hohen Geschwindigkeiten wird demzufolge für eine weitere Geschwindigkeitszunahme überproportional mehr Motorleistung benötigt.

Aus den formelmäßigen Zusammenhängen in der Fahrwiderstandsgleichung lassen sich diverse interessante Überlegungen ableiten:

  • Leistungsbedarf von KFZ (PKW, Motorräder) unter Berücksichtigung von Leistungsreserven für Steigungen, Gegenwind und Beschleunigung
  • Parameter (Geschwindigkeit, Fahrzeugmasse, -Wert) für wirtschaftliches und energiesparendes Fahren bei reduziertem Kraftstoffverbrauch.

Siehe auch

Literatur

  • Hans-Hermann Braess, Ulrich Seiffert: Vieweg Handbuch Kraftfahrzeugtechnik. 2. Auflage. Friedrich Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft, Braunschweig/Wiesbaden 2001, ISBN 3-528-13114-4 (7. Auflage 2013, ISBN 978-3-658-01690-6)
  • Bernd Heißing, Metin Ersoy, Stefan Gies: Fahrwerkhandbuch: Grundlagen, Fahrdynamik, Komponenten, Systeme, Mechatronik, Perspektiven. Springer Vieweg, 2013. Kapitel 2.1: Fahrwiderstände und Energiebedarf; springer.com (PDF; 7 MB)[2]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Manfred Mitschke, Henning Wallentowitz: Dynamik der Kraftfahrzeuge. 5., überarb. und erg. Auflage. Springer Vieweg, Wiesbaden 2014, ISBN 978-3-658-05068-9, S. 13 ff.
  2. Inhaltsverzeichnis. (PDF; 103 kB) In: Fahrwerkhandbuch: Grundlagen, Fahrdynamik, Komponenten, Systeme, Mechatronik, Perspektiven