Fahrzeugbegrenzungslinie

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Fahrzeugbegrenzungslinie beschreibt die größten zulässigen Querschnittsabmessungen von Schienenfahrzeugen, welche von keinem Fahrzeugteil überschritten werden dürfen. Sie begrenzt somit den Raumbedarf der Fahrzeuge und steht im direkten Zusammenhang mit dem Lichtraumprofil.

Begriff

In der Vergangenheit wurden die Begriffe Umgrenzungslinie bzw. Umgrenzungsprofil benutzt, um die Fahrzeugbegrenzungslinie zu beschreiben. Diese Begriffe wurde auch in die Betriebsordnung (BO) von 1928 übernommen.[1] In der Verordnung betreffend die Technische Einheit im Eisenbahnwesen (TE) wird hingegen von der Fahrzeugbegrenzung gesprochen.[2] Dieser Begriff wird auch in den Merkblättern des Internationalen Eisenbahnverband (UIC)[3] und in den aktuellen Normen[4] verwendet. Beim Lichtraumprofil wird hingegen von einer Umgrenzung des lichten Raumes bzw. Lichtraumumgrenzung gesprochen.[3][4]

Geschichte

In den Anfangsjahren der Eisenbahn entwickelten sich auf den noch nicht zusammenhängenden Netzen unterschiedliche Normen für die Querschnittsgestaltung der Bahnanlagen, wie z. B. Gleisabstände, Tunnel und Unterführungen von Brücken. Mit dem Zusammenwachsen der einzelnen Netze entwickelte sich das Bedürfnis, Güterwagen im freizügigen Verkehr einsetzen zu können. Im Jahr 1867 wurde erstmals für alle Bahnen des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen (VDEV) ein Lademaß als Minimum aller Lademaße der Mitgliedsbahnen beschlossen. Um größere Ladungen transportieren zu können, wurden ab 1872 insgesamt vier Lademaße verwendet, wobei man sich 1893 wieder auf zwei Lademaße einigte. Das größere Lademaß I war auf den Großteil der Mitgliedsbahnen und das Lademaß II auf allen Mitgliedsbahnen gültig.[5] Die Fahrzeugbegrenzungslinie des Lademaß I wurde auf eine halbe Breite von 1575 mm (gesamte Breite 3150 mm) festgelegt, die sich oberhalb von 3500 mm verjüngt, und in der Wagenmitte maximal 4650 mm hoch ist. Das kleinere Lademaß II wurde ebenfalls auf eine halbe Breite von 1575 mm (gesamte Breite 3150 mm) festgelegt, die sich oberhalb von 3200 mm verjüngt, und in der Wagenmitte maximal 4300 mm hoch ist.

Fahrzeugbegrenzungslinie Transitwagen (Gabarit PPI), später wurde die halbe Breite von 1550 auf 1575 mm vergrößert

Auf einer Konferenz 1912 in Bern einigten sich nach jahrelangen Verhandlungen die an den Vereinbarungen über die Technische Einheit im Eisenbahnwesen beteiligten Regierungen auf einem gemeinsamen Mindeststandard, sodass die nach dieser Fahrzeugbegrenzungslinie gebauten Güterwagen international eingesetzt werden konnten. Diese Güterwagen werden auch als Transitwagen[6] bezeichnet und die zugehörige Fahrzeugbegrenzungslinie als Gabarit passe-partout international, abgekürzt als Gabarit PPI. Das französische Wort

"Gabarit"

[7] heißt wörtlich Schablone oder Profil und leitet sich von den Ladelehren ab, die an Übergängen zwischen den Streckennetzen verschiedener Gesellschaften standen; das französische "passe-partout" heißt wörtlich "passt überall". Ein "Gabarit Passe-Partout" bezeichnet somit ein Einheitsmaß für Züge. Die Fahrzeugbegrenzungslinie wurde auf eine halbe Breite von 1575 mm (gesamte Breite 3150 mm) festgelegt, die sich oberhalb von 3175 mm verjüngt, und in der Wagenmitte maximal 4280 mm hoch ist. Diese Fahrzeuge müssen dabei das dazugehörige Lichtraumprofil auch bei einem kleinsten Bogenradius von 250 m einhalten (lange Wagen müssen daher schmaler sein). Der Mindeststandard leitet sich dabei von dem besonders kleinen Lichtraumprofil in Frankreich ab, wo neben England die ersten Bahnstrecken überhaupt errichtet wurden. Da es bis zum Bau des Ärmelkanaltunnels keine feste Verbindung zu den britischen Inseln gab, galt das Gabarit PPI ursprünglich allerdings nicht für die dortigen Bahnen (tatsächlich sind viele Strecken dort schmaler), sondern PPI meint das Einheitsmaß für Kontinentaleuropa (wobei auch im damaligen Frankreich einige Strecken verbreitert werden mussten, die noch auf 3000 mm Breite errichtet wurden). Die nach dem Gabarit PPI gebauten Güterwagen hatten bei einer typischen Bodenhöhen von 1100 mm bis 1300 mm (gilt auch heute für die meisten Flachwagen) eine gerade Außenwand von rund zwei Meter für die Aufbauten zur Verfügung stehen.

Datei:Deutsches Reichsgesetzblatt 28T2 037 0585.jpg
Umgrenzung I der Fahrzeuge aus der BO 1928

Das Gabarit PPI wurde von den einzelnen Mitgliedsbahnen der TE als Fahrzeugbegrenzungslinie für die Fahrzeuge im internationalen Verkehr übernommen. In Deutschland passte 1913 der VDEV die Bestimmungen über die Umgrenzung des lichten Raums entsprechend an. Es wurde mit leichten Änderungen auch in die Betriebsordnung als Umgrenzung I und später in die Eisenbahn Bau- und Betriebsordnung (EBO) von 1967 als Begrenzung I für Fahrzeuge übernommen.[8] Diese Fahrzeugbegrenzungslinie wurde schließlich mit weiteren kleinen Änderungen von der UIC als statische Fahrzeugbegrenzungslinie G1 übernommen.[3] Aus dem Lademaß I der VDEV-Bahnen entwickelte sich die Umgrenzung II bzw. Begrenzung II und die statische Fahrzeugbegrenzungslinie G2 der UIC.

Lademaß nach EBO – das Profil G1 zeigt für drei grundlegenden Angaben die gleichen Millimeterwerte wie Gabarit PPI

Ab Mitte der 1950er Jahre wurde von der UIC eine kinetische Berechnungsmethode erarbeitet. Dies wurde nötig, da die damals gebauten Fahrzeuge mit weicheren Federn ausgestattet wurden und sich deshalb mehr in Bogen neigten.[3] Es wurden dazu Bezugslinien mit einer halben Breite von 1645 mm definiert, aus denen zusammen mit den zugehörigen Rechenvorschriften die Fahrzeugbegrenzungslinie und das Lichtraumprofil festgelegt werden können. Die UIC entschied 1991, dass die statischen Methode nur noch bei Ladungen und für die Fahrzeugbegrenzungslinie und das Lichtraumprofil nur noch die kinematische Methode angewandt werden darf. Daraufhin wurde im Mai 1991 die EBO entsprechend geändert und die bisherigen statischen Fahrzeugbegrenzungslinien durch die kinematischen Bezugslinien G1 und G2 ersetzt.

Mit der Verbreitung des Kombinierten Verkehrs wurden für den Transport von ISO-Containern mit einer Höhe von rund 2600 mm innerhalb der Fahrzeugbegrenzungslinie G1 neue Flachwagen mit einer niedrigeren Bodenhöhe von 940 mm notwendig. In den 1970er Jahren wurde von der UIC deshalb eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um neue Begrenzungslinien zu definieren. Auf Basis einer Bestandsaufnahme von möglichen Kombinationen Güterwagen plus Ladung wurden schließlich 1987 die im oberen Bereich gegenüber der Begrenzungslinie G1 erweiterten Begrenzungslinien Gabarit A (GA), Gabarit B (GB) und Gabarit C (GC) definiert. Um auch bisherige Flachwagen für den Containertransport einsetzen zu können, modifiziert man auch das Lichtraumprofil "GB" in Frankreich, sodass bei gleicher Höhe der Außenwände (3175 mm) und in der Fahrzeugmitte (4320 mm) noch eine weitere Höhenangabe hinzukommt, die auf einer Höhe von 4180 mm eine Breite von 2720 mm fordert. Dieses Fahrzeugbegrenzungslinie mit nahezu flachem Dach wird als Gabarit B+ (kurz "GB+") oder auch als GB1 bezeichnet.

Andere Fahrzeugbegrenzungslinien

Obwohl die Bezeichnung PPI auf "international" hindeutet, bezeichnet es nur das kleinste Einheitsmaß in Kontinentaleuropa. Im zusammenhängenden Streckennetz von Nordamerika verwendet man als mindeste Breite 3250 mm (10 Fuß 8 Zoll) und kennt als kleinste Höhe ein Maß von 4620 mm (15 Fuß 2 Zoll). In Fernost hat sich auf den normalspurigen Netzen mit Hochgeschwindigkeitszügen ein Lichtraumprofil mit einer Breite über 3400 mm durchgesetzt – sowohl der chinesische CRH2 wie die japanische Shinkansen-Baureihe 0 sind 3380 mm breit. Auch schwedische Strecken sind für ein Lichtraumprofil von 3400 mm gebaut (Lademaß SE-A und Lademaß SE-B), gleiches ist im russischen Einflussgebiet (mit leicht größerer Spurweite von 1520 mm) üblich. Daraus folgt, dass der russische Velaro Sapsan und der chinesische Velaro CRH3 je eine Fahrzeugbreite von 3265 mm haben, während der deutsche Velaro ICE 3 mit 2950 mm auskommen muss, um in das Grundmaß des Lademaß PPI zu passen. Da in Deutschland LÜ-Sendungen aus den angrenzenden breiteren Bahnnetzen bekannt und auf einigen Strecken ohne Betriebseinschränkungen möglich sind, wurde für das Konzept ICE 4 auch eine Variante mit 3300 mm Fahrzeugbreite angedacht – dies wurde jedoch nie realisiert.

Datei:Railway Loading gauge UIC and containers profile -ISO.png
Lademaße im Vergleich mit einem transportierten ISO-Container – das kleinste Lademaß PPI erscheint hier als "Universal"

Kontinentalübergreifend betrachtet sind die jeweils verwendeten kleinsten Maße zu niedrig für den Doppelstock-Containertransport. In Nordamerika ist man derzeit dabei, viele ältere Strecken für eine Höhe von 6150 mm umzubauen, um dieses weitläufig (mit zwei Hi-Cube Containern übereinander) zu ermöglichen. Dies ist dort aber auch leichter möglich, da fast keine Strecken elektrifiziert sind – in Kontinentaleuropa ist der Fahrdraht noch für das Grundmaß von Gabarit PPI angebracht worden und erlaubt nahezu keinen Umbau auf ein so wesentlich höheres Lichtraumprofil.

Lademaß

Datei:Lademass.jpg
Lademaß (Österreich, Schweiz), Ladelehre (Deutschland), in Deutschland von Eisenbahn-Enthusiasten „Profilgalgen“ und umgangs­sprachlich „Ladeschablone“ genannt.[9]

Als Ladelehre, Lademaß, Ladeprofil, Ladeschablone oder umgangssprachlich auch als Profilgalgen bezeichnet man auch eine Lehre zur Überprüfung des lichten Raums der Ladung eines Güterwagens. Früher fanden sich diese bei Freiladegleise, Güterschuppen, Gleiswaagen oder am Übergang zwischen verschiedenen Bahnverwaltungen aus Holz- oder Eisenprofilen konstruierte Ladelehren, die sich zur Überprüfung des Lademaßes beladener Güterwagen in das Gleis herausschwenken ließ. Berührte die Lehre die Ladung nicht, war die Fahrzeugbegrenzungslinie eingehalten und der Güterwagen konnte auf dem Eisenbahnnetz verkehren, ohne dass ortsfeste Einrichtungen an der Strecke mit der Ladung kollidieren würden. Falls das Lademaß nicht eingehalten wurde musste die Ladung geändert werden oder der Zug als eine Lademaßüberschreitung (LÜ-Sendung) verkehren.

Siehe auch

  • Berner Raum – im Englischen heißt das Lademaß PPI auch
    Berne Gauge
    (Berner Lademaß), was nicht mit dem ebenfalls im Eisenbahnwesen gültigen Berner Raum und dem in der englischen Sprache für die Spurweite verwendeten Begriff gauge verwechselt werden darf.
  • – die Route mit großem Profil ist eine Straßenverbindung in Frankreich für den Transport von Teilen des Airbus A380
  • Lichtraumprofil

Anmerkungen

  1. Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (BO). In: Deutsches Reichsgesetzblatt. Band 1928, Nr. 37, S. 542–588 (wikimedia.org).
  2. SR 742.141.3 Verordnung vom 16. Dezember 1938 betreffend die Technische Einheit im Eisenbahnwesen. 16. Dezember 1938, abgerufen am 23. Oktober 2019.
  3. a b c d Entstehungsgeschichte, Begründungen und Kommentare zur Ausarbeitung und Entwicklung der UIC-Merkblattreihen 505 und 506 mit dern Thema Begrenzungslinie. In: UIC (Hrsg.): UIC-Kodex. 3. Ausgabe Auflage. UIC 505-5, August 2010.
  4. a b Bahnanwendungen – Begrenzungslinien – Teil 1: Allgemeines. DIN EN 15273-1, Oktober 2017.
  5. Suadicani: Lademaß. In: Freiherr von Röll (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. Zweite, vollständig neu bearbeitete Auflage. Band 7, 1912, S. 45 (zeno.org).
  6. Cimonetti: Umgrenzungslinien für Eisenbahnfahrzeuge und Ladungen. In: Freiherr von Röll (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. Zweite, vollständig neu bearbeitete Auflage. Band 10, 1912, S. 12 (zeno.org).
  7. gesprochen wie "Gabbaríe" / in Lautschrift [gaba'ʀi]
  8. Bundesverkehrsministerium (Hrsg.): Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung. Erste Auflage. 8. Mai 1967 (bgbl.de [PDF]).
  9. Jürgen Riedl: Ladeschablonen, laenderbahn-forum.de, abgerufen am 17. Juni 2014.