Ferdinand von Neureiter

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Ferdinand Edler von Neureiter (* 23. Juli 1893 in Budapest; † 7. Juni 1946 in Bad Peterstal im Schwarzwald) war ein Rechtsmediziner, Medizinalbeamter im Reichsgesundheitsamt und Professor an der Reichsuniversität Straßburg.

Leben und Wirken

Wappen der Familie von Neureiter, 1918.

Ferdinand von Neureiter junior war der Sohn des Ingenieurs Ferdinand Neureiter senior, Direktor der österreichischen Siemens-Schuckertwerke, dem der österreichische Kaiser Karl I. am 9. April 1918 den erblichen Adelsstand als Edler von Neureiter verliehen hatte. Das entsprechende Adelsdiplom wurde am 9. Juli 1918 in Wien ausgestellt.[1]

Ferdinand von Neureiter jun. absolvierte seine Schulzeit bis zur Matura in Wien. Er begann 1912 an der Universität Wien ein Medizinstudium, das er wegen seiner Teilnahme am Ersten Weltkrieg kriegsbedingt von August 1914 bis Mai 1919 unterbrach. Im Juli 1920 wurde er zum Dr. med. promoviert. Nach seiner Assistenzzeit am anatomischen Institut der Universität Wien wurde unter Albin Haberda (1868–1933) Assistent am dortigen gerichtlich-medizinischen Institut.[2] Im Januar 1923 wurde er zum ordentlichen Professor für Gerichtsmedizin an der Universität Riga berufen, wo er bis 1937 wirkte. Er verfasste unter anderem zwei Lehrbücher in lettischer Sprache.[3] 1927 wurde er – neben dem Grazer Strafrechtler Adolf Lenz und dem Straubinger Gefängnisarzt Theodor Viernstein – einer der Gründer und stellvertretender Vorstand der Kriminalbiologischen Gesellschaft.[4]

Er war Mitglied der NSDAP und des NS-Ärztebundes.[5] Er wurde 1933 zum Mitglied der Sektion Gerichtliche Medizin der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina gewählt.[6]

Von 1937 bis 1938 leitete von Neureiter die Kriminalbiologische Forschungsstelle im Reichsgesundheitsamt[7] sowie ab 1937 den Kriminalbiologischen Dienst der Reichsjustizverwaltung.[8] Zudem hatte er eine Professur für Kriminalbiologie an der Universität Berlin inne. Im Juli 1939 wurde er Ordinarius auf dem neu geschaffenen Lehrstuhl für Gerichtliche Medizin an der Universität Hamburg. Seine Antrittsvorlesung hielt er über das Thema „Verbrechen und Vererbung“.[9] Während des Zweiten Weltkrieges wurde er 1941 an die im selben Jahr von den Nationalsozialisten gegründete Reichsuniversität Straßburg berufen. Anfang 1944 erkrankte er aufgrund einer Krebserkrankung sowie Tuberkulose schwer und musste ein Sanatorium aufsuchen, wo er am 7. Juni 1946 starb.[2]

Ferdinand von Neureiter gilt als wichtiger Theoretiker der Kriminalbiologie und zeitweise auch Vollstrecker nationalsozialistischer Kriminalpolitik.[10] Bereits 1929 vertrat er die Notwendigkeit einer obligatorischen Sicherungsverwahrung gefährlicher Gewohnheitsverbrecher.[11]

Schriften (Auswahl)

  • Wissen um fremdes Wissen, auf unbekanntem Wege erworben: Eine experimentelle Untersuchung. Klotz, Gotha 1935.
  • Kriminalbiologie (= Handbücherei für den öffentlichen Gesundheitsdienst. Band 14). Heymanns, Berlin 1940.
  • Handwörterbuch der gerichtlichen Medizin und naturwissenschaftlichen Kriminalistik. In Gemeinschaft mit zahlreichen Fachgenossen des In- und Auslandes bearbeitet und hrsg. von Ferdinand von Neureiter, Friedrich Pietrusky, Eduard Schütt. Springer, Berlin 1940.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Arno Kerschbaumer, Nobilitierungen unter der Regentschaft Kaiser Karl I. / IV. Károly király (1916–1921). Graz 2016, ISBN 978-3-9504153-1-5, S. 149.
  2. a b Friedrich Herber: Gerichtsmedizin unterm Hakenkreuz. Militzke, Leipzig 2002, ISBN 3-86189-249-9, S. 166–167.
  3. Wolfram Fischer: Exodus von Wissenschaften aus Berlin, Band 7 von Forschungsbericht der Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1987, Walter de Gruyter, 1994, ISBN 3-11013945-6, S. 520.
  4. Christian Bachhiesl, Der Fall Josef Streck. Ein Sträfling, sein Professor und die Erforschung der Persönlichkeit (=Feldforschung, Bd. 1), LIT-Verlag, Wien u. a.: 2006, S. 234f.
  5. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt am Main 2007, S. 434.
  6. Mitgliedseintrag von Ferdinand von Neureiter bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 23. August 2013.
  7. Michael Zimmermann: Rassenutopie und Genozid, 1996, S. 140.
  8. Jürgen Simon: Kriminalbiologie und Zwangssterilisation. Eugenischer Rassismus 1920-1945, Münster u. a.: Waxmann, 2001, S. 183ff.
  9. Heidrun Kaupen-Haas, Christian Saller: Wissenschaftlicher Rassismus: Analysen einer Kontinuität in den Human- und Naturwissenschaften, Campus Verlag, 1999, ISBN 3-59336228-7, S. 279.
  10. Fischer, Hierholzer & Hubenstorf: Exodus von Wissenschaften aus Berlin. S. 559 Gruyter, 1994 ISBN 3110139456 Volltext.
  11. Neureiter: Zum Gesetzprojekt über das Arbeitshaus, über die Sicherungsverwahrung und über die Bestellung von Fürsorgern für Haftentlassene. Rigasche Z. Rechtswiss. 3, 234:--244 (1929). (referiert in: International Journal of Legal Medicine 15(2); 1930 doi:10.1007/BF01759859).