Filipp Piatov

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Filipp Piatov (russisch Филипп Пятов; * 1991 in Leningrad)[1] ist ein deutscher Journalist und Autor.

Leben

1992 siedelten Piatovs Eltern als jüdische Kontingentflüchtlinge aus Russland nach Deutschland über.[2] Nach dem Abitur lebte er ein Jahr in Tel Aviv. Dann studierte er von 2011 bis 2015 in Frankfurt Wirtschaft. Er schrieb Essays und Kolumnen für die Die Achse des Guten und Die Welt.[3] Außerdem war er für ein Start Up tätig.[4] 2017 wurde Piatov Redakteur im Bild-Politikressort. 2020 wurde er dort Verantwortlicher für „Debatte und Meinung“.[5] Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 berichtet er als Live-Reporter aus dem Kriegsgebiet.[6]

Werk

2016 erschien sein Buch Russland meschugge. Putin, meine Familie und andere Außenseiter. Darin setzte er sich mit seiner Familiengeschichte auseinander und bereiste Russland mit der Transsibirischen Eisenbahn.[7] Die Süddeutsche Zeitung schrieb, Piatov habe „einen sehr eigenen Kopf“. Er verstehe es, „seine Gedanken treffsicher und dabei elegant zu formulieren, bleibt nicht beim Erlebnisbericht stecken, sondern liefert die pointierte politische Einordnung mit.“[8] Deutschlandfunk Kultur merkt an, dass Piatov humorvoll über seine Außenseiterfamilie schreibt, aber auch anrührend und ernst die deutsch-russisch-jüdischen Szenen schildert.[9] Die jüdische Kulturzeitschrift David schreibt, dass die Schilderungen von Leben seiner Eltern und Großeltern rühren würden.[10]

Kontroversen

2018 veröffentlichte Piatov einen angeblichen Mailwechsel zwischen dem damaligen Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert und einem Russen namens Juri, der Kühnert angeblich bei seiner Kampagne gegen die GroKo helfen wollte. Der Mailwechsel stellte sich später als Fälschung des Satiremagazins Titanic heraus, die den Sachverhalt als „Mio Mio Gate“ bezeichnete. Piatovs Artikel erschien unter der Überschrift Schmutz-Kampagne bei der SPD. Der Spiegel resümierte, die Geschichte habe Piatov nicht geschadet, da ihn Chefredakteur Julian Reichelt danach zum Meinungschef beförderte.[11][12] Der Deutsche Presserat erteilte Bild wegen Piatovs Artikel eine Rüge, da er einen schweren Verstoß gegen das Wahrhaftigkeitsgebot in Ziffer 1 des Pressekodex darstelle. Die Irreführung der Leser beschädige Ansehen und Glaubwürdigkeit der Presse.[13]

2020 folgte eine weitere Kontroverse. Im Rahmen eines Artikels, den der MDR als Teil einer „Kampagne“[14] gegen den Virologen Christian Drosten bezeichnete, wurde Piatov wegen eines Artikel zur Corona-Forschung von Christian Drosten kritisiert. Drosten schrieb auf Twitter: „Bild plant eine tendenziöse Berichterstattung über unsere Vorpublikation zu Viruslasten und bemüht dabei Zitatfetzen von Wissenschaftlern ohne Zusammenhang. Ich soll innerhalb von einer Stunde Stellung nehmen. Ich habe Besseres zu tun.“ Drosten veröffentlichte außerdem Piatovs Anfrage.[15] Mehrere Wissenschaftler, auf die sich Bild bezog, distanzierten sich später von der Berichterstattung.[16] Der Deutsche Presserat rügte Bild wegen Verletzung der im Pressekodex festgeschriebenen journalistischen Sorgfaltspflicht.[17]

Ebenfalls 2020 erschien im Spiegel der Artikel „‚Bild‘-Chef Reichelt und sein ‚Fassbombenkommando‘“, in dem Piatov als Teil einer „Truppe eingeschworener Jungredakteure“ bezeichnet wird, die gegen den Virologen Christian Drosten kämpfe.[18] Daraufhin warfen der Journalist Matthew Karnitschnig und der Europa-Korrespondent der Jerusalem Post und Mitarbeiter der Foundation for Defense of Democracies Benjamin Weinthal dem Spiegel antisemitische Berichterstattung über Piatov vor, weil dieser als Julian Reichelts „Bluthund“ bezeichnet wurde und seine jüdische Abstammung thematisiert wurde. Die Spiegel-Redaktion äußerte sich dazu mit den Worten: „Wir weisen den Vorwurf des Antisemitismus zurück. Es ist wichtig, die jüdische Familie zu erwähnen, da wir später im Text schreiben, dass Herr Piatov antisemitische Drohungen erhalten hat. Er selbst hat seine Familie in seinem Buch angesprochen.“[19]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ranga Yogeshwar: Filipp Piatov: Wo ist Berlin am russischsten? Körber Stiftung, 13. September 2016, abgerufen am 20. April 2021.
  2. Philipp Peyman Engel: »Fremder als gedacht«. 17. Februar 2016, abgerufen am 11. Mai 2021.
  3. Wirth & Horn-Informationssysteme GmbH- www.wirth-horn.de: Filipp Piatov | dtv. Abgerufen am 20. April 2021.
  4. Filipp Piatov, Author at The European. Abgerufen am 20. April 2021.
  5. redaktion: Umstrukturierung in Reichelts Führungsteam: „Bild“ bekommt einen Debatten- und Meinungschef | MEEDIA. 7. Januar 2020, abgerufen am 20. April 2021.
  6. „Ich habe mich geschämt, Russisch zu sprechen“, bild.de, vom 28. März 2022, abgerufen am 10. April 2022
  7. Wo komm ich her, wo geh ich hin? Abgerufen am 20. April 2021.
  8. Süddeutsche Zeitung: Auf Sehnsuchtsreise im Putin-Land. Abgerufen am 22. April 2021.
  9. Sigrid Brinkmann: Beklemmende Reise in die Heimat der Eltern. Abgerufen am 26. April 2021.
  10. Angekommen. Bericht zweier Juden aus der ehemaligen Sowjetunion DAVID
  11. Hülsen, Isabell: Der Boss und seine Boys. Hrsg.: Der Spiegel. Hamburg 30. Mai 2020.
  12. Umstrukturierung in Reichelts Führungsteam: „Bild“ bekommt einen Debatten- und Meinungschef
  13. Rüge für BILD-Bericht „Schmutzkampagne der SPD“ – Presserat. Abgerufen am 20. April 2021.
  14. mdr.de: Das Altpapier am 26. Mai 2020: Gewollte Wahrheiten | MDR.DE. Abgerufen am 20. April 2021.
  15. Fragwürdige Methoden: Warum Bild-Chefredakteur Julian Reichelt Christian Drosten scharf kritisiert. Abgerufen am 20. April 2021.
  16. "Bild"-Anfrage an Drosten – „Ein-Stunden-Frist ist Unverschämtheit“. Abgerufen am 20. April 2021.
  17. Fragwürdige Methoden – Drosten-Studie über ansteckende Kinder grob falsch. Abgerufen am 20. April 2021.
  18. Anton Rainer, Alexander Kühn, Isabell Hülsen, DER SPIEGEL: "Bild"-Chef Reichelt und sein "Fassbombenkommando". Abgerufen am 10. Juni 2021.
  19. German magazine Spiegel accused of antisemitism against reporter. Abgerufen am 11. Mai 2021 (amerikanisches Englisch).