Finanzierungsbedarf

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Der Finanzierungsbedarf bezeichnet das Ergebnis der Finanzierungsbedarfsrechnung im Rahmen der Kreditaufnahme oder den gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsbedarf der Unternehmen innerhalb einer Volkswirtschaft.

Gesamtwirtschaftlicher Finanzierungsbedarf der Unternehmen

In einer geschlossenen Volkswirtschaft resultiert die Höhe des Finanzierungsbedarfs der Unternehmen (gesamt) aus der Höhe des Sparens (im Sinne von Ausgabenverzicht) der privaten Haushalte.[1] Der Finanzierungsbedarf erhöht sich selbstverständlich für den komplementären Teil der Unternehmen, wenn ein anderer Teil der Unternehmen seine Einnahmen nicht unmittelbar wieder in voller Höhe investiert. Die Höhe des Investitionsbedarfs (I) der Unternehmen (u), abhängig vom Sparen an den Ausgaben innerhalb des Unternehmenssektors sowie dem Sparen (S) der privaten Haushalte (h), ergibt sich wie folgt:

Kompensationsmöglichkeiten des Finanzierungsbedarfs der Unternehmen

Die Notwendigkeit der Höhe der Investitionen der Unternehmen resultiert nach vorheriger Gleichung also aus der Summe Sparen der privaten Haushalte (Konsumenten) + Sparen der Komplementärgruppe der Unternehmen. Dies gilt so jedoch nur bei ausgeglichenem Haushaltssaldo des Staates und bei neutralem Leistungsbilanzsaldo.

Gibt der Staat mehr aus, als er einnimmt, verringert sich um den Ausgabenüberschuss (Defizit) des Staates der Finanzierungsbedarf der Unternehmen (bei unveränderter Höhe des Sparens der privaten Haushalte). Umgekehrt gilt, wenn der Staat Einnahmeüberschüsse bildet, also mehr (aus den Abgaben inländischer Sektoren) einnimmt, als er ausgibt, dass sich um genau diesen Einnahmeüberschuss (Sparen) des Staates der Finanzierungsbedarf der Unternehmen per Saldo erhöht:[2][3]

In einer offenen Volkswirtschaft erhöht ein (eigenes) Leistungsbilanzdefizit in gleicher Höhe den Finanzierungsbedarf der inländischen Unternehmen, ein Nettoexport (NX) verringert in gleicher Höhe den Finanzierungsbedarf der Unternehmen (unter sonst gleichen Bedingungen), denn es gilt:

Verringert ein Staat also sein Defizit (Ausgabenüberschuss), muss bei ausgeglichener Leistungsbilanz entweder der Unternehmenssektor seinen Ausgabenüberschuss (Verschuldung) erhöhen oder der Sektor der privaten Haushalte sein Geldsparbemühungen verringern.[4] Erhöhen die Unternehmen ihre Investitionen nicht um die Höhe der (gewohnten)[5] gesunkenen Staatsausgaben, sondern reduzieren diese ihre Investitionen sogar, sinken die Einnahmen in der Ökonomie nicht nur um die Höhe der reduzierten Ausgaben der Staatsausgaben und Unternehmensinvestitionen, da das gesamtwirtschaftliche Einkommen zu sinken beginnt und tendenziell Kaufzurückhaltung und die Bildung monetärer Reserven initiiert wird.[6]

Finanzierungsbedarf bei Kreditaufnahme

Die Finanzierungsbedarfsrechnung beantwortet die Frage, welche Fremd- und Eigenmittel im Rahmen eines Investitionsvorhabens für welchen Zeitraum zur Verfügung stehen müssen. Im Rahmen eines Kreditantrags wird eine Finanzierungsbedarfsrechnung durch die Bank vorgenommen.

Der Gesamtfinanzierungsbedarf ist zunächst einmal die Summe aller Ausgaben, die im Rahmen eines Investitionsvorhabens anfallen.

Bei einer Baufinanzierung sind dies beispielsweise: Kaufpreis, Bau- oder Sanierungskosten, Grunderwerbssteuer und Notargebühren. Wichtig ist die Berücksichtigung von Bauzeitzinsen und einem Puffer für Unvorhergesehenes.

Zieht man vom Gesamtfinanzierungsbedarf das vorhandene Eigenkapital sowie die vorgesehene Eigenleistung ab, so ergibt sich der Fremdfinanzierungsbedarf. In der Höhe dieses Fremdfinanzierungsbedarfs müssen Kredite bei Banken oder anderen Kreditgebern aufgenommen werden.

Das bestehende Eigenkapital ist teilweise nicht sofort verfügbar, sondern erst nach der Fälligkeit von Geldanlagen, der Zuteilung von Bausparverträgen oder dem Eingang des Verkaufserlöses bisheriger Immobilien. In diesen Fällen ist eine Zwischenfinanzierung im Rahmen der Finanzierungsbedarfsrechnung vorzusehen.

Die Finanzierungsbedarfsrechnung ist eine ex-ante-Kalkulation. Ergibt sich im Laufe des Investitionsvorhabens, dass die Kosten höher sind als geplant, so ist eine Nachfinanzierung notwendig. Diese ist typischerweise mit höheren Kosten verbunden. Ob eine Nachfinanzierung möglich ist, hängt von der Bonität des Kreditnehmers ab.

Einzelnachweise

  1. Michael Frenkel, Klaus Dieter John: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. 7. Auflage. München 2011. (online) S. 23: „Der Finanzierungsbedarf der Unternehmen entspricht ex post genau der Höhe des Sparens der Privaten Haushalte.“
  2. Wolfgang Stützel: Volkswirtschaftliche Saldenmechanik. (Nachdruck der 2. Auflage) Tübingen 2011. S. 80:
    „Die Unternehmergewinne bleiben stets nur genau um jenen Betrag hinter dem Unternehmeraufwand für Konsum und Investition zurück, um den die Nichtunternehmer Einnahmeüberschüsse bilden.“
  3. Wilhelm Lautenbach: Zins, Kredit und Produktion. (Hrsg. Wolfgang Stützel) Tübingen 1952. ( PDF (Memento des Originals vom 17. Oktober 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.arno.daastol.com) S. 49:
    „Der Kreditbedarf der Unternehmer entsteht hier also gerade dadurch, daß Nichtunternehmer sparen, einerlei, ob es Private sind oder ob es die öffentliche Hand ist, die Überschüsse hat.“
  4. Erich Schneider: Geld, Kredit, Volkseinkommen und Beschäftigung. Tübingen 1964. (8. Auflage) S. 129:
    „Wenn die beabsichtigte Ersparnis aus dem Einkommen Y die Höhe S hat, so kann dieses Einkommen dann und nur dann bestehen bleiben, wenn die Unternehmer freiwillig Investitionen in einer der beabsichtigten Ersparnis gleichen Höhe durchführen.“
  5. Hans J. Barth: Potentialorientierte Verschuldung. Das Konzept des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. In: Staatsverschuldung Kontrovers. Köln 1981. S. 59:
    „Der Staat nimmt zur Erfüllung der ihm von der Gesellschaft übertragenen Aufgaben einen Teil des Produktionspotentials in Anspruch, sei es direkt, indem er selbst Güter kauft und Personal beschäftigt, sei es indirekt, indem er durch Transfer- und Subventionszahlungen Private in den Stand setzt, Nachfrage geltend zu machen. Konjunkturneutral sind die öffentlichen Haushalte dann, wenn der Staat mit seinen Ausgaben und mit seinen Einnahmeregelungen nicht von dem abweicht, woran die Privaten gewöhnt sind, wenn der Staat also für sich genommen keine Abweichung von der Normalauslastung des Produktionspotentials bewirkt. Weicht das tatsächliche Haushaltsvolumen vom konjunkturneutralen Haushalt ab, steht die Differenz für den konjunkturen Impuls.“
  6. Erich Schneider: Geld, Kredit, Volkseinkommen und Beschäftigung. Tübingen 1964. (8. Auflage) S. 278 f:
    „Eine Abnahme der privaten Investitionen oder (und) der privaten Konsumneigung wird, wenn ständiger Ausgleich des Budgets gefordert wird, immer eine stärkere kontraktive Wirkung auslösen als wenn diese Forderung nicht gestellt, vielmehr ein Budgetdefizit zugelassen wird; und umgekehrt wird ein expansiver Prozeß bei stets ausgeglichenem Budget zu einer stärkeren Erhöhung des Einkommens führen, als wenn ein Budgetüberschuß zugelassen wird. Der Grund für diese expansions- und kontraktionsverstärkende Wirkung eines stets ausgeglichenen Budgets ist besonders leicht einzusehen, wenn man sich die Zusammenhänge im Rahmen einer Verlaufsanalyse klarmacht. Wenn in einer Periode die privaten Nettoinvestitionen abnehmen, sinkt das Einkommen in dieser Periode um den Betrag der Abnahme der Investitionen. In der zweiten Periode sinken dann der Konsum und die Nettobezüge und mithin die Ausgaben des Staates, so daß also eine stärkere Abnahme des Einkommens eintritt, als bei unveränderten Ausgaben des Staates. In der dritten Periode sinken Konsum, Nettobezüge und Ausgaben des Staates erneut usw. bis der neue Gleichgewichtszustand erreicht ist.“