Finerenon

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Strukturformel
Struktur von Finerenon
Allgemeines
Freiname Finerenon[1]
Andere Namen
  • (4S)-4-(4-Cyan-2-methoxyphenyl)-5-ethoxy-2,8-dimethyl-1,4-dihydro-1,6-naphthyridin-3-carboxamid
  • BAY 94-8862
Summenformel C21H22N4O3
Kurzbeschreibung

Weißes bis gelbes kristallines Pulver[2]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 1050477-31-0
EG-Nummer 814-499-5
ECHA-InfoCard 100.247.614
PubChem 60150535
ChemSpider 28669387
DrugBank DB16165
Arzneistoffangaben
ATC-Code

C03DA05

Wirkstoffklasse

Aldosteronantagonist

Wirkmechanismus

Kompetitive Hemmung am Mineralokortikoidrezeptor (Aldosteronrezeptor)

Eigenschaften
Molare Masse 378,42 g·mol−1
Aggregatzustand

Fest[2]

Löslichkeit
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
keine Einstufung verfügbar[3]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Finerenon ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der nicht-steroidalen und selektiven Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten (MRA). Unter dem Namen Kerendia (Bayer) wurde er im Juli 2021 in den USA und im Februar 2022 in der EU zugelassen, um renale und kardiovaskuläre Ereignisse bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung (chronic kidney disease, CKD) und Typ-2-Diabetes zu vermindern.

Finerenon wird peroral angewendet (eingenommen).

Eigenschaften

Finerenon ist ein selektiver Antagonist am Mineralokortikoidrezeptor (MR, Aldosteronrezeptor). Anders als die MR-Inhibitoren Spironolacton und Eplerenon besitzt er jedoch kein Steroid-Grundgerüst, sondern eine Dihydropyridin-Struktur. Strukturell ähnelt es somit den Calciumkanal-Blockern vom Nifedipin-Typ.

Finerenon ist ein weißes bis gelbes kristallines Pulver.[2]

Wirkungsmechanismus

Der Mineralokortikoidrezeptor wird durch Aldosteron und Cortisol aktiviert und reguliert die Gentranskription. Finerenon blockiert die MR-vermittelte Natriumrückresorption und die MR-Überaktivierung sowohl in epithelialen (z. B. Niere) als auch in nicht-epithelialen Geweben (z. B. Herz und Blutgefäße). Es wird angenommen, dass die MR-Überaktivierung zu Fibrosen und Entzündungen beiträgt. Finerenon besitzt eine hohe Affinität und Selektivität für den MR, die Affinität für Androgen-, Progesteron-, Estrogen- und Glukokortikoidrezeptoren ist wenig ausgeprägt.[2]

Mittlere inhibitorische/effektive Konzentrationen der Steroidrezeptorblocker Spironolacton, Eplerenon, Finerenon und des Calciumkanalblockers Nitrendipin an verschiedenen Rezeptoren[4][5][6]
Rezeptor [Anm. 1] Mittlere inhibitorische Konzentrationen, IC50 (nM)
Spironolacton Eplerenon Finerenon Nitrendipin
MR 24 990 18 1.996
GR 2.410 21.980 ≥ 10.000 25.760
AR 77 21.240 ≥ 10.000 10.050
PR 740 [Anm. 2] 31.210 ≥ 10.000 9.730
L-Typ-Calciumkanal 0,26
  1. Abkürzungen: MR = Mineralokortikoidrezeptor, GR = Glukokortikoidrezeptor, AR = Androgenrezeptor, PR = Progesteronrezeptor
  2. Dieser Wert gibt die mittlere effektive Konzentration (EC50) an

Medizinische Verwendung

Anwendungsgebiet

Da Anwendungsgebiet umfasst die Reduktion des Risikos für einen Rückgang der Nierenfunktion, eines Nierenversagens, eines kardiovaskulären Todes, nicht tödlicher Herzinfarkte und eines Krankenhausaufenthaltes wegen Herzinsuffizienz bei erwachsenen Patienten mit chronischer Nierenerkrankung (CKD) in Verbindung mit Typ-2-Diabetes.[2]

Nebenwirkungen und Anwendungsbeschränkungen

Als häufige Nebenwirkungen wurden Hyperkaliämie (hohe Kaliumspiegel), Hypotonie (niedriger Blutdruck) und Hyponatriämie (niedrige Natriumspiegel) beobachtet. Patienten mit Nebenniereninsuffizienz und solche, die gleichzeitig mit stark wirksamen CYP3A4-Inhibitoren behandelt werden, sollten Finerenon nicht einnehmen.[2]

Studien

Die zulassungsrelevanten Daten wurden in der Phase-III-Studie FIDELIO-DKD[7] erhoben, in der nephro- und kardioprotektive Effekte über einen längeren Zeitraum untersucht wurden. Die randomisierte, multizentrische, doppelblinde, placebokontrollierte Studie bei Erwachsenen mit chronischer Nierenerkrankung im Zusammenhang mit Typ-2-Diabetes schloss 5.674 Patienten ein, die nach dem Zufallsprinzip mit entweder Kerendia oder einem Placebo behandelt wurden.

Verglichen wurde die Anzahl der Patienten, deren Erkrankung fortschritt – gemessen anhand eines zusammengesetzten Endpunkts, der eine mindestens 40%ige Reduktion der Nierenfunktion, ein Fortschreiten zum Nierenversagen oder einen Nierentod beinhaltete. In der Kerendia-Gruppe erzielten 504 der 2.833 Patienten, mindestens eines der Ereignisse im zusammengesetzten Endpunkt, gegenüber 600 der 2.841 Patienten, die ein Placebo erhielten.

Die Studie verglich die beiden Gruppen auch für die Anzahl der Patienten, die einen kardiovaskulären Tod, einen nicht tödlichen Herzinfarkt, einen nicht tödlichen Schlaganfall oder einen Krankenhausaufenthalt wegen Herzinsuffizienz erlitten. Die Ergebnisse zeigten, dass 367 der 2.833 Patienten, die Kerendia erhielten, mindestens eines der Ereignisse im kombinierten Endpunkt aufwiesen, verglichen mit 420 der 2.841 Patienten, die ein Placebo erhielten.[2][8]

Hintergrund und Zulassung

Diabetes ist die Hauptursache für chronische Nierenerkrankungen und Nierenversagen in den Vereinigten Staaten. Durch eine Schädigung der Nieren kommt es zu einer chronischen Nierenerkrankung, bei der das Blut nicht mehr ausreichend gefiltert werden kann, bis hin zum Nierenversagen. Es resultieren Komplikationen im Zusammenhang mit dem Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt und einer Anreicherung harnpflichtiger Stoffe. Patienten haben zudem ein erhöhtes Risiko für Herzerkrankungen.[9]

Die Food and Drug Administration (FDA) erteilte im Juli 2021 die Marktzulassung für die USA. Zuvor hatte sie einen „Priority Review“ und „Fast-Track“ gewährt,[9] bei dem die Zulassungsentscheidung innerhalb von sechs statt der üblichen zehn Monate erfolgt. Im November 2021 wurde Kerendia in der Schweiz zugelassen,[10] in der EU wurde die Zulassung im Dezember 2021 durch die europäische Arzneimittelagentur empfohlen[11] und im Februar 2022 durch die Europäische Kommission erteilt.[12]

Handelsnamen

Kerendia (USA, CH)

Einzelnachweise

  1. INN Recommended List 70, World Health Organisation (WHO), 9. September 2013.
  2. a b c d e f g h i Karendia, Prescibing Information, Bayer, Juli 2021.
  3. Dieser Stoff wurde in Bezug auf seine Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  4. J. Fagart, A. Hillisch, J. Huyet, L. Bärfacker, M. Fay, U. Pleiss, E. Pook, S. Schäfer S, M.E. Rafestin-Oblin ME, P. Kolkhof: A new mode of mineralocorticoid receptor antagonism by a potent and selective nonsteroidal molecule. Journal of Biological Chemistry. Bd. 285, Nr. 39, 2010. S. 29932–29940. DOI:10.1074/jbc.M110.131342
  5. L. Bärfacker, A. Kuhl, A. Hillisch, F. Grosser, S. Figueroa-Pérez, H. Heckroth, A. Nitsche, J.K. Ergüden, H. Glielen-Heartwig, K.H. Schlemmer, J. Mittendorf, H. Paulsen, J. Platzek, P. Kolkhof: Discovery of BAY 94-8862: a nonsteroidal antagonist of the mineralocorticoid receptor for the treatment of cardiorenal diseases. ChemMedChem, Bd. 7, 2012, S. 1385–1403. doi:10.1002/cmdc.201200081
  6. P. Bramlage, S.L. Swift, M. Thoenes, J . Minguet, C. Ferrero, R.E. Schmieder: Non-steroidal mineralocorticoid receptor antagonism for the treatment of cardiovascular and renal disease. European Journal of Heart Failure, Bd. 18, Nr. 1, 2015, S. 28–37. doi:10.1002/ejhf.444. Erratum: doi:10.1002/ejhf.888
  7. G.L Bakris, R. Agarwal, S.D. Anker et al.: Effect of finerenone on chronic kidney disease outcomes in type 2 diabetes. New England Journal of Medicine, 2020. DOI:10.1056/NEJMoa2025845.
  8. Nicola Siegmund-Schultze: Finerenon verzögert Progress der Nierenerkrankung und wirkt kardioprotektiv, Deutsches Ärzteblatt, Bd. 117, Nr. 51-52, 21. Dezember 2020.
  9. a b FDA approves drug to reduce risk of serious kidney and heart complications in adults with chronic kidney disease associated with type 2 diabetes, FDA Pressemitteilung, 9. Juli 2021.
  10. Neuzulassungen > Kerendia®, Filmtabletten, swissmedic, 26. November 2021.
  11. Kerendia - Opinion. EMA, 17. Dezember 2021.
  12. Nierenmedikament für Diabetiker von Bayer erhält EU-Zulassung. In: handelsblatt.com. 21. Februar 2022, abgerufen am 21. Februar 2022.