Flashball

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Französischer Polizist mit einer Flashball

Flashball ist eine registrierte Marke des französischen Unternehmens Verney-Carron[1], die Gummigeschoss-Waffen bezeichnet. Diese werden von staatlichen Sicherheitskräften als Nicht-tödliche Waffen kategorisiert und unter anderem in der Schweiz, Frankreich, Spanien, Portugal und Macau gegen gewalttätige Personengruppen eingesetzt. Verwendung findet dabei vor allem der LBD-40 („lanceur de balles de defenses 40 mm“) von Verney-Carron sowie das Modell GL-06 des Schweizer Konkurrenten B&T.[2] Der Einsatz von Gummigeschossen durch die Polizei wird aufgrund des Verletzungsrisikos kontrovers diskutiert und wurde medial insbesondere im Zusammenhang mit den Protesten der französischen Gelbwesten wahrgenommen.[3]

Kontroversen

Offiziell kann der Einsatz der Waffe bei unsachgemäßem Gebrauch oder ungenügender Ausbildung zu schweren Verletzungen führen; die polizeilichen Bestimmungen verlangen gezielte Schüsse auf den Körper oder die Extremitäten (und nicht auf Kopf oder Genitalien). Da sich die Zielpersonen jedoch im Regelfall bewegen, muss der Einsatz der auf Distanz stark verlangsamten Projektile auch unabsichtlich zu Fehltreffern führen und hat mehrfach u. a. zum Verlust des Augenlichtes oder auch Frakturen des Schädels bei Treffern am Kopf geführt.[4][5] 2010 ist ein Mann in Marseille durch deren Einsatz gestorben.[6][7]

Die Energie der Munition ist unterschiedlich und variiert u. a. zwischen 116 und 176 Joule (SIR bzw. SIR-X)[8] und wird vom Hersteller – munitionsabhängig – teilweise als „sicher auf Nahdistanz“ eingestuft (SIR 40x46 mm). Insgesamt wird die Waffe herstellerseitig als „less lethal“ (weniger tödlich) bezeichnet.[9] Der Hersteller B&T verwies in einer Stellungnahme bzgl. der Gelbwesten-Proteste darauf, dass dabei seitens der Behörden dem Unternehmen unbekannte Munition eingesetzt wurde, aber nicht das für den Werfer entwickelte, nicht-letale Impulsgeschoss SIR. Andere Munition vergrößere das Verletzungsrisiko erheblich und verschlechtere die Präzision des Werfers.[10] Trotz der o. g. polizeil. Anweisungen birgt auch der Einsatz auf den Körper erhebliche Risiken, da (wie auch z. B. bei Faustschlägen) insbesondere ein Projektilaufschlag in die Region des Sonnengeflechts (ein Geflecht aus Nervenfasern und -knoten des Vegetativen Nervensystems) zu Schwindel, Übelkeit oder Bewusstlosigkeit, bei Vorerkrankungen in Ausnahmefällen bis zum Reflextod führen kann. Je nach Bekleidung sind durch die herstellerseitig grob mit einem „Pferdetritt“ verglichene Energie[11] potentiell auch Rupturen von Milz oder Leber oder z. B. der Hoden möglich.

BBC berichtet im Januar 2019, dass nach derzeitigem Stand 40 Demonstranten durch Flash-Balls schwer verwundet wurden.[12] Mit Datum des 26. Februar 2019 kritisierte die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatović, das Vorgehen des französischen Polizei gegenüber den sogenannten Gelbwesten und deren Einsatz mittels LBD-40 scharf. Angesichts vieler Verletzter forderte sie ein vorläufiges Verbot von Hartgummigeschossen.[13] Mijatovic führte im Memorandum aus, dass bis zum 4. Februar 2019 nachweislich 12.122 LBD-Schüsse abgefeuert wurden, bei denen es zu 193 Körperverletzungen, in vielen Fällen in Form von Kopfverletzungen, durch Einsatz des LBD-40 kam.[14] Dies würde „einen unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt und die Ungeeignetheit dieser Art von Waffe im Zusammenhang mit Operationen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“ zeigen.[15]

Bei Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten der Gelbwestenbewegung und der französischen Polizei am 12. Januar 2019 wurde ein Demonstrant von einem Geschoss eines Flashballs am Hinterkopf getroffen und liegt nach notärztlicher Behandlung und Operation in einem künstlichen Koma.[16]

Einzelnachweise

  1. 44 mm Flashball-Modelle von Verney Carron abger. 4. März 2019
  2. Nathalie Roller: Gummikugelhagel Heise.de, 25. August 2009
  3. Gernot Kramper: Zerschossene Augen, gesplitterte Kiefer - der Gummigeschoss-Werfer LBD 40 spaltet Frankreich. Stern, 9. Februar 2019, abgerufen am 24. August 2019.
  4. Gilets Jaunes: French 'flash-ball' row over riot-gun injuries BBC, 18. Januar 2019
  5. Die Opfer von LBD40 Süddeutsche Zeitung, 29. Januar 2019
  6. Rudolf Balmer: Den „Flics“ sitzt der Colt oft locker. Nach zehnjähriger Tätigkeit wird die Beschwerdestelle für Polizeiübergriffe in Frankreich geschlossen. Sie veranlasste zahlreiche Verfahren gegen Beamte. In: taz.de. taz, die tageszeitung. Verlagsgenossenschaft eG, 28. April 2011, abgerufen am 10. August 2012.
  7. Marseille : l'homme touché par un flash-ball est mort. In: Le Figaro vom 13.12.2010. Abgerufen am 1. Februar 2019 (französisch).
  8. Vergleich der B&T Patronen SIR-X 40x46mm und SIR 40x46mm B&T AG, abger. 4. März 2019.
  9. Download B&T GL-06 40mm LESS LETHAL LAUNCHER B&T AG, abger. 4. März 2019
  10. Stellungnahme zum Einsatz des GL06 in Frankreich auf www.bt-ag.ch, abgerufen am 29. Januar 2019.
  11. Granatwerfer B&T GL-06 im Kaliber 40x46mm B&T AG, abger. 4. März 2019.
  12. Gilets Jaunes: French 'flash-ball' row over riot-gun injuries BBC, 18. Januar 2019.
  13. Europarat sieht Menschenrechte der Gelbwesten in Gefahr faz.net, 26. Februar 2019 (aktualisiert), abger. 4. März 2019.
  14. Memorandum on maintaining public order and freedom of assembly in the context of the “yellow vest” movement in France b. Methods used by the law enforcement agencies, 16. (S. 3).
  15. Memorandum on maintaining public order and freedom of assembly in the context of the “yellow vest” movement in France d. Conclusions and recommendations, 28. (S. 5).
  16. Bordeaux : un pompier volontaire Gilet jaune dans le coma, l'IGPN saisie. Abgerufen am 16. Januar 2019 (französisch).