Syntax

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Unter Syntax (altgriechisch σύνταξις syntaxis, von

σύν

‚zusammen‘ und

τάξις

‚Ordnung, Reihenfolge‘) versteht man allgemein ein Regelsystem zur Kombination elementarer Zeichen zu zusammengesetzten Zeichen in natürlichen oder künstlichen Zeichensystemen. Die Zusammenfügungsregeln der Syntax stehen hierbei den Interpretationsregeln der Semantik gegenüber.

Insbesondere versteht man unter Syntax die Satzlehre, ein Teilgebiet der Grammatik natürlicher Sprachen, das die Zusammenfügung von Wörtern bzw. Wortgruppen zu Sätzen (Satzbau) auf Basis grammatikalischer Gesetzmäßigkeiten (etwa einer bestimmten vorgeschriebenen Satzstellung) behandelt bzw. den Sätzen zugrunde liegende regelmäßige Muster (Satzstruktur) beschreibt. Die Syntax wird in der Regel unterschieden von der linguistischen Morphologie, die den inneren Aufbau der Wörter behandelt, obwohl die Übergänge zwischen beiden Bereichen fließend sein können.

Der Ausdruck Syntax wird für natürliche und formale Sprachen verwendet. Das Verhältnis zwischen natürlicher und formaler Syntax wird unterschiedlich gesehen. Für den Logiker Richard Montague (Universal Grammar, 1970) bestand kein prinzipieller Unterschied.

Ebenso wie der Begriff Grammatik kann sich der Begriff Syntax auf die Struktureigenschaften von Zeichensystemen selbst oder auf die theoretisch-wissenschaftliche Beschreibung dieser Struktureigenschaften beziehen.[1]

Syntax natürlicher Sprachen (natürliche Syntax)

Stellung der Syntax in der Grammatik

Bezogen auf natürliche Sprachen ist die Syntax eine Abteilung der Grammatik und eng benachbart zur Morphologie. Die Abgrenzung zwischen ihnen nimmt auf Komplexitätsebenen der grammatischen Struktur sprachlicher Ausdrücke Bezug. Zum Beispiel: Vom minimalen Sprachzeichen (Morphem) frag als Wort-Stamm über die erweiterte Form durch Anfügung des Präfixes be bis zur Wortform befragst ist die Morphologie zuständig. Für die Komplexitätsebenen von da an aufwärts, also vom Syntagma den Kandidaten befragst über den einfachen Satz (wenn) du den Kandidaten befragst bis zum zusammengesetzten Satz halt dich zurück, wenn du den Kandidaten befragst, ist die Syntax zuständig. Für die Syntax ist die Wortform eine Ganzheit, mit deren innerer Struktur syntaktische Regeln nichts zu schaffen haben; diese müssen nur „wissen“, welchen syntaktisch relevanten morphologischen Kategorien die Wortform überhaupt angehört. So bestimmt z. B. eine syntaktische Regel, dass das Prädikatsverb in wenn du den Kandidaten befragst in Kongruenz mit seinem Subjekt in der zweiten Person Singular steht. Wie aber diese Form (bei diesem Verb) lautet, darum kümmert sich die Morphologie (wenn das Verb z. B. hereinlässt wäre, so wiese es – im Gegensatz zu befragstUmlaut auf).

Die Abgrenzungsprobleme zwischen Syntax und Morphologie kann man u. a. ermessen an phrasalen Komposita wie hinuntergehen (ein oder zwei Wörter?) oder reitende Artillerietruppe (das Attribut reitend gehört zu Artillerie, das aber seinerseits Bestandteil eines anderen Wortes ist). Auch die Derivation, die als Teil der Wortbildung zur Morphologie gehört, hat einen syntaktischen Aspekt.

Satzsyntax, Wortsyntax, Textsyntax

Im herkömmlichen Sinn bedeutet Syntax die Lehre vom Satz (d. h. die Lehre vom korrekten Satzbau) bzw. den Satzbau selbst. Die Syntax als Teil der Grammatik behandelt die Muster und Regeln, nach denen Wörter zu größeren funktionellen Einheiten, wie dem soeben genannten Satz, zusammengestellt und Beziehungen wie Teil-Ganzes, Abhängigkeit etc. zwischen diesen Satzgliedern formuliert werden.

Außer dieser satzzentrierten Perspektive (Satzsyntax, Satz-Syntax) spricht man auch in einem weiteren[2] Sinn von einer intraverbalen Syntax[3] oder Wortsyntax[4] (auch: Wort-Syntax[5] oder Morphotaktik), die kombinatorische Regeln in der Morphologie untersucht, und von einer Textsyntax (Text-Syntax), die sich mit den Regeln der Kombination von Sätzen zu Texten befasst. Der Gebrauch des Wortes Syntax, in dem Syntax koextensiv mit Grammatik ist (also die Morphologie entweder einschließt oder der Phonologie zuschlägt), findet sich vor allem in der englischsprachigen Linguistik sowie in der Theorie formaler Sprachen (in denen Morphologie keine Rolle spielt).

Theorien der Satzsyntax

In der allgemeinen Linguistik besteht eine Vielfalt und Konkurrenz von Syntaxmodellen, Theorien und Schulen. „Jedes der vorgestellten Modelle hat seine Stärken und Schwächen.“[6] Neben den Modellen der traditionellen Schulgrammatik wird die Syntax anhand hypothetischer universeller, angeborener Formprinzipien (Noam Chomsky) oder ihres kommunikativen Zwecks (Funktionale Syntax) oder ihrer Rolle beim Aufbau von komplexen Bedeutungen (logische Semantik, Montague- bzw. kategoriale Grammatik) untersucht. Zahlreiche solche Modelle sind im Artikel Syntaxtheorie aufgeführt. Zu den wichtigeren zählen:

Die syntaktische Struktur eines natürlichsprachlichen Satzes wird in diesen Modellen verschieden dargestellt. Die Varianten der Phrasenstrukturgrammatik stellen sie in Form eines Strukturbaums dar, welcher die Teil-Ganzes-Beziehungen der Konstituenten des Satzes graphisch wiedergibt. Die Dependenzgrammatik stellt sie in Form eines Stemmas dar, welches die Abhängigkeiten zwischen den Wörtern wiedergibt.[7]

Syntax formaler Sprachen

Unter der Syntax einer formalen Sprache (formale Syntax) – wie etwa Kalküle in der Logik und Mathematik oder auch Programmiersprachen in der Informatik – versteht man ein System von Regeln, nach denen wohlgeformte („syntaktisch korrekte“) Ausdrücke, Formeln, Programmtexte oder andere Texte aus einem grundlegenden Zeichenvorrat (dem Alphabet) gebildet werden.[8] Die Regeln können dabei die Form von Herleitungsregeln einer formalen Grammatik haben oder in natürlicher Sprache formuliert sein.

Geht es nur um die Wohlgeformtheit oder Korrektheit, kann von der inhaltlichen Bedeutung der Zeichen abgesehen werden. Soll aber eine Semantik auf den wohlgeformten Ausdrücken definiert werden, so geschieht das meist induktiv anhand derselben Regeln, durch die auch die Syntax definiert ist, sodass sich die Bedeutung eines komplexen Ausdrucks aus der Bedeutung seiner Bestandteile und der Regel für die Zusammensetzung ergibt (Frege-Prinzip). Beispielsweise spiegelt sich in der Sprachdefinition von Programmiersprachen die Priorität der Operatoren in der formalen Grammatik der Sprache wider, sodass nach deren syntaktischen Regeln ein Ausdruck wie nur als Summe, nicht aber als Produkt gelesen werden kann. Für die bloße Wohlgeformtheit hätte das keine Rolle gespielt.

Die Programmiersprache Algol 60 wurde als erste mit einer formalen Syntax beschrieben, die in der Backus-Naur-Form (BNF; nach zwei der Autoren der Sprachdefinition[9] benannt) abgefasst war. Seither haben sich für Programmiersprachen formale Syntaxbeschreibungen, nämlich mit Hilfe von verschiedenen Versionen und Erweiterungen der BNF oder von Syntaxdiagrammen allgemein durchgesetzt, nicht zuletzt deswegen, weil sich aus den formalen Regeln unter bestimmten Voraussetzungen Analyseprogramme (Parser) automatisch generieren lassen. Als Folge davon versteht man unter der Syntax einer Programmiersprache oft nur diese Regeln, nicht aber solche Syntaxregeln, die sich nicht durch kontextfreie Grammatiken ausdrücken lassen, wie etwa die Pflicht, vorkommende Namen zu deklarieren.

Bei der Auszeichnungssprache XML gibt es eine für alle Dokumente gültige Syntax, die je nach Anwendungsbereich durch zusätzliche Syntaxregeln weiter eingeschränkt wird. Die Übereinstimmung mit der allgemeinen Syntax wird Wohlgeformtheit, die darüber hinaus auch mit den zusätzlichen Regeln wird Validität genannt.

Siehe auch

Literatur

  • Karl-Dieter Bünting, Henning Bergenholtz: Einführung in die Syntax. Grundbegriffe zum Lesen einer Grammatik. (= Athenäums Studienbücher. Sprachwissenschaft. Studienbuch Linguistik). 2., überarbeitete Auflage. Athenäum, Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-610-02194-2.
  • Christa Dürscheid: Syntax. Grundlagen und Theorien. (= UTB. Sprachwissenschaften 3319). 5., durchgesehene Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010, ISBN 978-3-8252-3319-8.
  • Bernhard Engelen: Einführung in die Syntax der deutschen Sprache. 2 Bände (Band 1: Vorfragen und Grundlagen. Band 2: Satzglieder und Satzbaupläne.). Pädagogischer Verlag Burgbücherei Schneider, Baltmannsweiler 1984–1986, ISBN 3-87116-154-3 (Band 1), ISBN 3-87116-160-8 (Band 2).
  • Hans-Werner Eroms: Syntax der deutschen Sprache. W. de Gruyter, Berlin u. a. 2000, ISBN 3-11-015666-0.
  • Joachim Jacobs, Arnim von Stechow, Wolfgang Sternefeld, Theo Vennemann, Herbert Ernst Wiegand (Hrsg.): Syntax (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 9, 1–2). 2 Bände. de Gruyter, Berlin u. a. 1993–1995, ISBN 3-11-009586-6 (Band 1), ISBN 3-11-014263-5 (Band 2).
  • Robert D. Van Valin, Jr.: An introduction to syntax. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 2001, ISBN 0-521-63566-7.
  • Robert D. Van Valin, Jr., Randy J. LaPolla: Syntax. Structure, meaning and function. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 1997, ISBN 0-521-49565-2.

Weblinks

Wiktionary: Syntax – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Satzlehre – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Vgl. Christa Dürscheid: Syntax. Grundlagen und Theorien (= UTB. Sprachwissenschaften 3319). 5., durchgesehene Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010, ISBN 978-3-8252-3319-8, S. 11.
  2. Nach Angelika Linke, Markus Nussbaumer, Paul R. Portmann: Studienbuch Linguistik. (= Reihe germanistische Linguistik. Kollegbuch 121). 5., erweiterte Auflage. Niemeyer, Tübingen 2004, ISBN 3-484-31121-5, S. 84: „in mehr oder weniger metaphorischer Ausweitung von der Kernbedeutung.“
  3. Vgl. dtv-Lexikon/Syntax
  4. Danièle Clément: Linguistisches Grundwissen. Eine Einführung für zukünftige Deutschlehrer. (= WV-Studium. Band 173 Linguistik). 2. Auflage. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2000, ISBN 3-531-23173-1, S. 44.
  5. Angelika Linke, Markus Nussbaumer, Paul R. Portmann: Studienbuch Linguistik. (= Reihe germanistische Linguistik. Kollegbuch 121). 5., erweiterte Auflage. Niemeyer, Tübingen 2004, ISBN 3-484-31121-5, S. 84.
  6. Ulrike Pospiech: Syntax. In: Johannes Volmert (Hrsg.): Grundkurs Sprachwissenschaft. (= UTB für Wissenschaft. Uni-Taschenbücher. Sprachwissenschaft 1879). 5., korrigierte und ergänzte Auflage. Fink, München 2005, ISBN 3-8252-1879-1, S. 115–150, hier S. 149.
  7. Vgl. Helmut Glück (Hrsg.): Metzler-Lexikon Sprache. 3., neubearbeitete Auflage. J. B. Metzler Verlagsbuchhandlung, Stuttgart u. a. 2005, S. 645 sowie 651–652.
  8. Vgl. Syntax. In: Friedrich Kirchner, Carl Michaëlis: Wörterbuch der philosophischen Begriffe (= Philosophische Bibliothek 500). Fortgesetzt von Johannes Hoffmeister. Vollständig neu herausgegeben von Arnim Regenbogen und Uwe Meyer. Meiner, Hamburg 2005, ISBN 3-7873-1325-7.
  9. Peter Naur (ed.), Revised Report on the Algorithmic Language Algol 60, veröffentlicht in Numerische Mathematik, Vol. 4(1) (1962), p.420–453, in Comm. ACM, Vol. 6(1) (1963), p.1–17, und in Computer Journal, Vol. 5(4) (1963), p.349–367;PDF