Fossillagerstätte Sieblos

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Die Fossillagerstätte Sieblos ist eine bedeutende Lagerstätte fossiler Pflanzen und Tiere bei Sieblos, einem Ortsteil von Poppenhausen in der Rhön. Mit einem Alter von 33 Millionen Jahren stellt sie entwicklungsgeschichtlich ein sonst in Deutschland nicht präsentes Bindeglied zwischen den Formationen von Messel und Rott dar.

Entstehung

Vor 33 Millionen Jahren, im frühen Oligozän, befand sich an der Stelle des heutigen Sieblos ein waldumstandener Süßwassersee mit einer vegetationsreichen Uferzone. Er war Teil einer Seenlandschaft in einem Einbruchsgebiet, das durch das Eindringen von Oberflächenwasser in Schichten löslicher Gesteine des Zechsteins entstanden war.[1] Das Klima war in dieser Zeit subtropisch bis tropisch, also deutlich wärmer als heute. Der See war in seinem späten Stadium sauerstoffarm. Auf den Grund gesunkene Tierkadaver und Pflanzenreste konnten deshalb nicht mehr verwesen, was zur Bildung von Faulschlamm führte. Im Verlaufe von Jahrmillionen entstand daraus Dysodil, auch Papier- oder Blätterkohle genannt. Dysodil besteht fast vollständig aus organischer Substanz und den Skeletten von Kieselalgen und hat pflanzliches und tierisches Material oft hervorragend konserviert. Durch den vor 25 Millionen Jahren in der Rhön einsetzenden Vulkanismus wurden die Sedimente vor dem Abtragen bewahrt.

Bergbau

Auf der Suche nach Kaolin für die Fuldaer Porzellanmanufaktur stieß man 1846 südöstlich der Ortschaft Sieblos auf die dortigen Papierkohlevorkommen. 1856 begann der Abbau von Dysodil und bituminösen Schiefertonen, die zur Destillation von Teer und zur anschließenden Produktion von Solaröl als Brennmittel für Petroleumlampen verwendet wurden. Die Grube arbeitete nicht wirtschaftlich und wechselte mehrfach den Besitzer. Der Abbau wurde mehrmals unterbrochen, bis er 1919 endgültig eingestellt wurde.[2]

Fundgeschichte

Etwa ab 1858 begann Ernst Hassencamp (1824–1881), Apotheker in Weyhers, Fossilien aus dem Abraum der Grube zu bergen und der wissenschaftlichen Fachwelt zur Verfügung zu stellen. So wurden einzelne Stücke von bekannten Paläontologen wie Hermann August Hagen, Oswald Heer, Carl Heinrich Georg von Heyden oder Hermann von Meyer bearbeitet. Hassencamps Sammlung von Sieblos-Fossilien wurde vor 1865 vom Mineralogisch-Geologischen Institut der Julius-Maximilians-Universität Würzburg erworben. Im von Fridolin Sandberger veranlassten Katalog sind 254 Stücke Hassencamps aus der Sieblos-Formation verzeichnet.[3]

In den 1980er Jahren sammelte erneut ein Hobby-Paläontologe Fossilien aus der Abraumhalde. Hugo Schubert (1914–2005) sammelte bis 1992 über 8000 Einzelstücke, darunter Erstnachweise für Sieblos.[4] Anfang 1993 schenkte er einen Teil seiner Sammlung der Gemeinde Poppenhausen. Die schönsten Stücke sind dort seit 1995 im eigens geschaffenen Sieblos-Museum zu sehen.

1994 wurden unter der Leitung von Erlend Martini und Peter Rothe auf dem ehemaligen Grubengelände zwei Kernbohrungen vorgenommen. Hierdurch konnten die Umstände der Entstehung der Fossillagerstätte Sieblos weitgehend geklärt werden.

Funde

Unter den pflanzlichen Fossilien sind besonders Seerosenblätter und -samen häufig. Es finden sich aber auch Reste von weiteren Bedecktsamern und deren Pollen sowie von Farnen und Koniferen.

An Tieren wurden vor allem Wasserasseln, Fische und Schnecken gefunden. Letztere gehören überwiegend zu den Arten Nystia chastelli und Gyraulus depressis. Daneben treten Muscheln auf. Muschelkrebse (Ostracoda) kommen zuweilen in Massen vor. Wasserasseln, häufig der Art Eosphaeroma obtusum, sind zum Teil bemerkenswert gut erhalten. Die nächstverwandte rezente Gattung ist Sphaeroma. Unter den Insekten sind in der Sieblos-Formation Käfer, Wasserwanzen, Zweiflügler und Libellen gefunden worden. Für letztere hat Anton Handlirsch (1865–1935) eine eigene Familie Sieblosiidae errichtet.

Das bei weitem am häufigsten vertretene Wirbeltier ist der barschartige Fisch Smerdis sieblosensis. Die relativ selten gefundenen Amphibien sind zumeist Frösche der Arten Palaeobatrachus gracilis und Rana sieblosensis. Weiterhin wurden Reste von Krokodilen, Schildkröten-Eierschalen, Vögeln und Fledermäusen sowie der Schädel eines kleinen Säugetiers entdeckt, das mit dem heutigen Hirschferkel verwandt ist.[1]

Es wurden etliche Nannofossilien wie Kieselalgen und Ölalgen nachgewiesen.

Literatur

  • Günter Bechly: Fossile Libellennachweise aus Deutschland (Odonatoptera). In: Brockhaus, T. et al: Atlas der Libellen Deutschlands (Odonata). Libellula Supplement, 14, 2015, S. 423–464 (PDF)
  • Gerd Geyer: Sieblos-Schichten. In: Gerd Geyer: Geologie von Unterfranken und angrenzenden Regionen. Klett-Perthes Verlag, Gotha 2002, S. 365–368
  • Frank Gümbel: Fossillagerstätte Sieblos – Schaufenster im Alttertiär – ein Süßwassersee vor ca. 35 Millionen Jahren. In: Mitteilungen aus dem Biosphärenreservat Rhön, 17, 2012, S. 7–12 (PDF)
  • Hermann August Hagen: Zwei Libellen aus der Braunkohle von Sieblos. In: Palaeontographica. Beiträge zur Naturgeschichte der Vorwelt, 5, Fünfte Lieferung vom Dezember 1858, Cassel 1855–1858, S. 121–124 (Digitalisat)
  • Hermann August Hagen: Petalura? acutipennis aus der Braunkohle von Sieblos. In: Palaeontographica. Beiträge zur Naturgeschichte der Vorwelt, 8, Erste Lieferung vom Oktober 1859, Cassel 1859–1861, S. 22–26 (Digitalisat)
  • Carl von Heyden: Fossile Insekten aus der Braunkohle von Sieblos. In: Palaeontographica. Beiträge zur Naturgeschichte der Vorwelt, 5, Fünfte Lieferung vom Dezember 1858, Cassel 1855–1858, S. 115–120 (Digitalisat)
  • Carl von Heyden: Fossile Insekten aus der Braunkohle von Sieblos. Nachtrag. In: Palaeontographica. Beiträge zur Naturgeschichte der Vorwelt, 8, Erste Lieferung vom Oktober 1859, Cassel 1859–1861, S. 15–17 (Digitalisat)
  • Ralf Kohring und Joachim Reitner: Fossilien aus dem Oligozän von Sieblos/Rhön. In: Fossilien. Band 8, 1991, S. 359–366 (Digitalisat, PDF; 4,4 MB)
  • Erlend Martini und Peter Rothe (Hrsg.): Die alttertiäre Fossillagerstätte Sieblos an der Wasserkuppe, Rhön. Hessisches Landesamt f. Umwelt u. Geologie, Wiesbaden 1998, ISBN 978-3-89531-806-1
  • Hermann von Meyer: Palaeoniscus obtusus, ein Isopode aus der Braunkohle von Sieblos. In: Palaeontographica. Beiträge zur Naturgeschichte der Vorwelt, 5, Fünfte Lieferung vom Dezember 1858, Cassel 1855–1858, S. 111–114 (Digitalisat)
  • Carl Friedrich Zincken: Die Braunkohle und ihre Verwendung. Erster Teil. Die Physiographie der Braunkohle. Rümpler, Hannover 1867 (Digitalisat)
  • Carl Friedrich Zincken: Ergänzungen zu der Physiographie der Braunkohle. Mentzel, Leipzig 1878 (Digitalisat)

Einzelnachweise

  1. a b Erlend Martini: Die Forschungsbohrungen Sieblos 1994 (PDF; 389 kB), 1995, Stand 27. Januar 2009
  2. Brigitte Pflug: Die Geschichte zur Entstehung des Sieblos-Museums Poppenhausen (Memento vom 14. Januar 2016 im Internet Archive) (PDF; 446 kB).
  3. Hugo Schubert: Ernst Hassencamp, wissenschaftlicher Entdecker der Fossillagerstätte Sieblos. Museumsbrief Nr. 06, Ausgabe 2/1997, abgerufen am 10. April 2018.
  4. Peter Rothe, Martin Wittig: Hugo Schubert: „Jetzt mach’ ich Kohle“. Museumsbrief Nr. 04, Ausgabe 1/1996, abgerufen am 10. April 2018.

Koordinaten: 50° 29′ 53,7″ N, 9° 55′ 9,5″ O