Franziska Schutzbach
Franziska Schutzbach (* 1978) ist eine Geschlechterforscherin und Soziologin, die in der Schweiz lebt.[1]
Leben und Wirken
Franziska Schutzbach ist die Tochter einer Theaterpädagogin und eines Lehrers; die Familie wanderte 1982 aus Deutschland in die Schweiz ein, wo sie sich in Biel niederließ. 1996 kam Franziska Schutzbach erstmals in die Medien der Schweiz, als sie in Biel einen Schulstreik organisierte, der die „ökologische Rettung der Erde“ und atomare Abrüstung zum Thema hatte und an dem Tausende Schüler teilnahmen. Nach der Matur machte sie eine Weltreise und wollte in Wien eine Musical-Ausbildung machen.[2] Sie wurde jedoch von ihrem damaligen Lebenspartner, einem Krankenpfleger, schwanger und bekam mit 22 Jahren einen Sohn.[3][4] Sie hielt sich als junge Mutter ökonomisch über Wasser, indem sie Chansons von Édith Piaf und andere Lieder auf Kleinkunstbühnen sang, und suchte sich an ihrem Wohnort Basel einen geisteswissenschaftlichen Studienplatz, für den kein Latein benötigt wurde. So kam sie auf das Fach Geschlechterforschung, mit dem sie bis dahin kaum Berührung gehabt hatte.[2] Nach eigenen Worten musste sie in dieser Zeit damit kämpfen, einen Krippenplatz zu bekommen, ihn zu finanzieren und Vorurteilen gegenüber einer Mutter zu begegnen, die ihr kleines Kind in eine Krippe gab. Sie kam später mit einem neuen Lebenspartner zusammen, dem aus Stockholm stammenden Journalisten Mikael Krogerus,[5] von dem sie wieder schwanger wurde und 2007 ihr zweites Kind bekam, eine Tochter.[3][4] Sie äußerte gegenüber der TagesWoche, sie habe Elternschaft mit ihren Partnern aushandeln müssen und so „eine gleichberechtigte Aufteilung von Familien- und Erwerbsarbeit“ erreicht, was aber nicht von Beginn an so gewesen sei.[6] 2014 zog sie mit ihrem Partner wieder nach Biel.[7]
Franziska Schutzbach studierte an der Universität Basel Soziologie, Medienwissenschaften und Gender Studies und schloss das Studium 2008 mit dem Magistra Artium ab.[1] 2019 wurde sie an der Universität Basel mit einer Dissertation zum Thema Politiken der Generativität. Reproduktive Gesundheit, Bevölkerung und Geschlecht. Das Beispiel der Weltgesundheitsorganisation promoviert.[1][6] Sie war als Lehrbeauftragte an der Universität Basel, der Technischen Universität Berlin und der Ludwig-Maximilians-Universität München tätig.[1][8]
Ihre Schwerpunkte in Forschung, Lehre und Publikationen sind Reproduktionspolitiken und Geschlechterverhältnisse, Rechtspopulismus sowie Antifeminismus[1]. Mit Rhetorik der Rechten befasst sich ihr 2018 erschienenes Buch.[9][10] In ihrem Text Dominante Männlichkeiten und neoreaktionäre Weltanschauungen in der Pick-Up-Artist-Szene beschäftigte sich Schutzbach mit der „Radikalisierung und Politisierung der maskulistischen Szene“. Sie untersuchte besonders die Pick-Up Artists, die in den USA als eine Art Selbsthilfegruppe für verunsicherte Männer starteten, die lernen wollten, Frauen zu „erobern“, und inzwischen in weiten Teilen der Welt in Blogs und Foren, aber auch offline, aktiv sind. Laut Inga Barthels im Tagesspiegel dokumentiert Schutzbach, wie diese Gruppierung zunehmend mit rechtsnationalen Bewegungen zusammenarbeitet, und analysiert die Zusammenhänge von Anti-Gender-Diskursen, Antifeminismus und Rechtspopulismus, die sich in der gesamten westlichen Welt beobachten ließen.[11]
Sie schreibt für das Online-Magazin Geschichte der Gegenwart,[12] war im Vorstand von Brava gemeinsam gegen Gewalt an Frauen, ehemals Terre des Femmes Schweiz, und Mitglied der Gleichstellungskommission Basel-Stadt.[8] Schutzbach war 2016 Mitinitiantin des Twitter-Hashtags #SchweizerAufschrei,[13] der nach dem Vorbild von #Aufschrei in Deutschland eine breite öffentliche Debatte über sexualisierte Gewalt und sexuelle Belästigung in der Schweiz auslöste.[14][15]
Ein Beitrag in ihrem privaten Blog vom Mai 2016 hatte im November 2017 eine Kampagne der Weltwoche und Basler Zeitung gegen Schutzbach zu Folge. Schutzbach hatte behauptet, es würde nicht funktionieren, rechtsnationale Kräfte in Europa, namentlich der Schweizerischen Volkspartei (SVP), „auf formal-demokratischem Weg zurückzudrängen“. Es brauche daher zivilen und „parlamentarische[n] Ungehorsam“. Beispielsweise schlug sie vor, andere Abgeordnete sollten Nationalratssitzungen verlassen, „in der ein extremer Rechter den Mund aufmacht“, und „Taxiunternehmen und Fluggesellschaften sollten keine Rechtsnationalen mehr transportieren“.[16][17]
In Die Erschöpfung der Frauen analysiert sie 2021 ein gesellschaftliches System, das an einem überholten Frauenbild festhält und damit das Wohl aller aufs Spiel setzt. Sie zeigt in dem Buch zudem emanzipatorische Praxen und Ideen auf.[18] Das Sachbuch war zeitweise auf Platz 4 der wöchentlichen Bestsellerliste des Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verbands.[19]
Veröffentlichungen (Auswahl)
- Bevölkerung, Krise, Nation. In: Karin Hostettler, Sophie Vögele (Hrsg.): Diesseits der imperialen Geschlechterordnung. (Post-)koloniale Reflexionen über den Westen. Transcript Verlag, Bielefeld 2014, ISBN 978-3-8376-2343-7. S. 77–106.
- Vom Antifeminismus zum ‹Antigenderismus› – Eine zeitdiagnostische Betrachtung am Beispiel Schweiz. Gemeinsam mit Andrea Maihofer, in: Hark, Sabine; Paula Villa (Hrsg.) (2015): (Anti-)Genderismus: Sexualität und Geschlecht als Schauplätze aktueller politischer Auseinandersetzungen. Transcript, Bielefeld 2015, ISBN 978-3-8376-3144-9.
- Dominante Männlichkeit und reaktionäre Weltanschauungen in der Pick-Up-Artist-Szene. In: Feministische Studien 2018, S. 305–321.
- Rhetorik der Rechten: Rechtspopulistische Diskursstrategien im Überblick. Xanthippe, Zürich/München 2018, ISBN 978-3-905795-60-8.
- I will be different every time: Schwarze Frauen in Biel. Gemeinsam mit Fork Burke, Myriam Diarra, verlag die brotsuppe, Biel 2020, ISBN 978-3-0386-7025-4.
- Politiken der Generativität: Reproduktive Gesundheit, Bevölkerung und Geschlecht. Das Beispiel der Weltgesundheitsorganisation. Transcript Verlag, Bielefeld 2020. doi:10.14361/9783839450222
- Die Erschöpfung der Frauen. Wider die weibliche Verfügbarkeit. Droemer HC, München 2021, ISBN 978-3-4262-7858-1.
Weblinks
- Literatur von und über Franziska Schutzbach in der bibliografischen Datenbank WorldCat
- Personalseite zu Franziska Schutzbach bei der Universität Basel
- Blog von Franziska Schutzbach: Präzis und Kopflos
- Franziska Schutzbach auf Academia.edu
- Interview mit Franziska Schutzbach im BLICK: Soziologin Franziska Schutzbach (41) über Rechtspopulismus und persönliche Angriffe: «Ich kann provokativ und populistisch sein»
- Antifeminismus macht rechte Positionen gesellschaftsfähig, saiten.ch, 9. Mai 2020
- Interview mit Franziska Schutzbach in der Süddeutschen Zeitung: Kinder großzuziehen, ist systemrelevant. 4. März 2022
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e Schutzbach Franziska – Gender Studies. Universität Basel, abgerufen am 31. Mai 2019.
- ↑ a b Benjamin Rosch: Porträt - In Basel geduldet, international gefeiert: Die paradoxen Wirkungskreise der Franziska Schutzbach. bz – Zeitung für die Region Basel, 7. Juni 2020.
- ↑ a b Franziska Schutzbach: Papa kann auch stillen: Franziska Schutzbach über gleichberechtigte Väter. Annabelle, 23. November 2021.
- ↑ a b Susanna Petrin: Diese Frau kämpft für Gleichberechtigung – wenns hilft auch als Mann. Tagblatt, 23. Dezember 2016.
- ↑ Hinweis in Franziska Schutzbach: Politiken der Generativität: Reproduktive Gesundheit, Bevölkerung und Geschlecht. Das Beispiel der Weltgesundheitsorganisation. Transcript Verlag, Bielefeld 2020, S. 10.
- ↑ a b Dorothee Adrian: Mutter und Feministin – Franziska Schutzbach über die Zerreissprobe vieler Frauen. Interview in: TagesWoche (online), 22. Oktober 2018.
- ↑ Franziska Schutzbach. Black Biel, 2. Oktober 2014.
- ↑ a b Franziska Schutzbach (Memento vom 31. Mai 2019 im Internet Archive). Feministische Fakultät (fem), 1. August 2018.
- ↑ Beate Hausbichler: Diskursstrategien. Soziologin über rechte Rhetorik: "Tabubruch spielt große Rolle". In: Der Standard (online), 14. März 2019
- ↑ David Hunziker: Sachbuch. Gegen Rechte reden. In: WOZ, Nr. 09/2019, 28. Februar 2019.
- ↑ Inga Barthels: Frauenhass und Rechtsnationalismus. Die Rache verunsicherter Männer. In: Der Tagesspiegel (online), 20. März 2019.
- ↑ Alle Artikel von Franziska Schutzbach in: geschichtedergegenwart.ch (abgerufen am 2. Juni 2019)
- ↑ Hanna Gieffers, Marc Röhlig: In der Schweiz starten Frauen einen Aufschrei gegen sexuelle Übergriffe. In: Bento, 20. Oktober 2016.
- ↑ Diese Frau steckt hinter der Aktion #SchweizerAufschrei auf Twitter. In: Watson. Abgerufen am 31. Mai 2019.
- ↑ Alexandra Pavlovic: #SCHWEIZER AUFSCHREI: «Sexismus findet heute subtiler statt». In: Tagblatt (online), 16. Oktober 2016.
- ↑ Marc Tribelhorn: Achtung: Gesinnung! In: Neue Zürcher Zeitung (online), 30. November 2017
- ↑ Franziska Schutzbach: Sofortiger parlamentarischer Ungehorsam. In: Präzis und Kopflos. Blog von Franziska Schutzbach. 23. Mai 2016.
- ↑ allgemeine Medienmitteilung: Die Erschöpfung der Frauen - Wider die weibliche Verfügbarkeit. In: ostschweizerinnen.ch. 18. August 2021, abgerufen am 29. September 2021 (deutsch).
- ↑ Aktuelle Buchbestseller aus der Schweiz (Sachbuch KW 41). Abgerufen am 19. Oktober 2021.
Personendaten | |
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NAME | Schutzbach, Franziska |
KURZBESCHREIBUNG | Geschlechterforscherin und Soziologin |
GEBURTSDATUM | 1978 |