Frauenrechte im Iran

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Die Lage der Frauen im Iran ist durch gesetzliche und gesellschaftliche Diskriminierung geprägt,[1] eine Gleichberechtigung der Frauen ist im Iran nicht gegeben und wird von der Führung abgelehnt.[2] Menschenrechtsgruppen kritisierten deshalb die Wahl des Iran in die UN-Frauenrechtskommission (2010 bis 2015) durch den Wirtschafts- und Sozialrat.[2] Iran hat neben fünf anderen Ländern die UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau nicht unterzeichnet.

Geschichtliche Entwicklung

Die iranische Gesellschaft ist traditionell streng patriarchalisch. Mit einer fortschreitenden Modernisierung verbesserte sich jedoch die gesellschaftliche Stellung der Frau bis zur islamischen Revolution. So erhielten die iranischen Frauen in den 1960er Jahren im Rahmen der weißen Revolution das Wahlrecht (1963),[3] Abtreibungen wurden erlaubt und das Scheidungsrecht reformiert und säkularisiert.[4]

Auch nach der islamischen Revolution und der damit einhergehenden gesetzlichen Diskriminierung stieg beispielsweise das Bildungsniveau von Frauen weiter an.[5][6] Insbesondere in naturwissenschaftlichen oder mathematischen Fächern ist der Frauenanteil an Studierenden im Iran im internationalen Vergleich sehr hoch. 2012 führe die Regierung Ahmadineschād Quoten von maximal 50 % Frauen oder weniger für manche Studienfächer ein.[7] Die Vereinten Nationen rügten diese Praxis, die zu einem Rückgang des Frauenanteils von 62 % 2007–2008 auf 48,2 % 2012–2013 führte.[8] Von der Regierung Rohani wurden diese Bestimmungen wieder aufgehoben. 2015 betrug der Frauenanteil an Studierenden naturwissenschaftlicher oder mathematischer Fächer im Iran 65 %, während er in Europa wesentlich niedriger liegt. Bezüglich Ermöglichung eines Auslandsstudiums werden im Iran allerdings Söhne von ihren Familien bevorzugt.[7]

Einzelne islamische Gelehrte kritisieren auch im 21. Jahrhundert angesichts der hohen Arbeitslosigkeit von Männern im Iran die Präsenz von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Zudem wird die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen als Ursache für die Erhöhung der Scheidungsrate angeführt.[9]

Bei der Parlamentswahl am 26. Februar 2016 gab es mit über 580 weiblichen Kandidaten doppelt so viele Kandidatinnen wie bei der vorangehenden Wahl vier Jahre zuvor.[10] Nach Medienberichten setzen einzelne Politiker gegenüber ihren Konkurrentinnen zwar frauenverachtende Kommentare ein; diese würden von der Öffentlichkeit zunehmend als inakzeptabel betrachtet.[11]

Rechtliche Lage

Die Diskriminierung von Frauen im Iran ist vielfältig. Frauen sind durch die im Iran angewandte Scharia in fast allen Rechtsbereichen unter Verstoß gegen völkerrechtlich bindende Menschenrechtsverträge stark benachteiligt.[2] Beispielsweise dürfen Frauen verschiedene Berufe, wie das Richteramt, nicht ausüben, es bestehen u. a. Benachteiligungen beim Zeugenrecht, beim Ehe- und Scheidungs- sowie beim Sorgerecht. Vor Gericht zählt die Aussage einer Frau nur halb soviel wie die eines Mannes, teilweise werden weibliche Zeugen vor Gericht auch gar nicht zugelassen.[2][12] Auch im sogenannten „Vergeltungsrecht“ haben Leben und Gesundheit von Frauen nur den halben Wert.[2]

Informationsstand zu Menschenrechtsverletzungen im Iran; Deutschland, 2019

Im Iran haben Ehemänner zudem „das Recht“ auf die sexuelle Verfügbarkeit der Ehefrau und dürfen dies auch mit Gewalt durchsetzen; Vergewaltigung in der Ehe ist damit kein juristischer Tatbestand.[13] Auch allgemeine häusliche Gewalt des Ehemanns gegen die Frau ist weitgehend erlaubt. So darf der Mann seine Frau schlagen, wenn er „Ungehorsam fürchte“. Das Scheidungsrecht wird als einseitiges Recht des Mannes betrachtet. Der Mann kann sich von seiner Frau jederzeit scheiden lassen.[2] Zwar hat auch die Frau prinzipiell die Möglichkeit Scheidungsgründe vorzubringen, ist aber in der Pflicht, diese zu belegen.[14] Schläge oder sexuelle Gewalt durch den Mann sind im Allgemeinen zunächst ausdrücklich kein Scheidungsgrund, belegte körperliche Gewalt in für die Frau nicht tolerierbarem Ausmaß kann jedoch als Scheidungsgrund anerkannt werden.[15][16] Neben der Beweispflicht kann die Durchsetzung einer Scheidung für die Frau vor dem Hintergrund der nicht vorhandenen Gleichstellung vor dem Gesetz zusätzlich schwierig werden. Innerfamiliäre „Ehrenmorde“ sind durch die iranischen Gesetze praktisch straffrei, in anderen Fällen kommt es zur Zahlung von „Blutgeld“.[2] Darüber hinaus dürfen Ehefrauen ohne die Einwilligung des Mannes nicht verreisen.[17]

Da Homosexualität im Iran illegal ist und unter Strafe steht, müssen sich lesbische Frauen bedeckt halten.[18]

In iranischen Gefängnissen sind Frauen häufig Opfer sexueller Belästigungen bis hin zu Vergewaltigungen. In einigen Fällen schlossen iranische Geistliche auch gegen den Willen der Frauen „Zeitehen“ zwischen Pasdaran und weiblichen Gefangenen, sodass Vergewaltigungen vor einer Hinrichtung „legal“ wurden. In einem Bericht über die Menschenrechtssituation in der Islamischen Republik stellte der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen 1990 fest, dass zum Tode verurteilte Jungfrauen vor der Hinrichtung zwangsverheiratet und vergewaltigt werden,[19] weil Jungfrauen nach islamischem Gesetz nicht hingerichtet werden dürfen.[20][21] Trotz der Bestätigung durch einige hohe iranische Politiker, bestreiten die Behörden solche Vergewaltigungen während der Haft.[2]

Frauen in Iran mit Hidschāb, Schiras 2017

Daneben bestehen eine Kopftuchpflicht sowie weitere Kleidungsvorschriften für Frauen, deren Einhaltung von der Sittenpolizei streng kontrolliert und durchgesetzt werden.[22] Gerade in großen Städten missachten viele Frauen jedoch regelmäßig die engen Vorschriften und tragen beispielsweise ein lose um den Kopf geschlungenes Tuch oder einen engen Mantel.[23] Auch gibt es regelmäßige Proteste gegen diese Sittenpolitik, diese werden aber unterdrückt. Beobachtern zufolge haben sich die Repressionen gegen Frauen seit 2014 massiv verstärkt.[24] Immer wieder wurden zudem Säureanschläge auf Frauen verübt, die sich angeblich nicht korrekt kleideten.[24]

Die Islamische Republik Iran geht rigoros gegen weibliche und männliche Aktivisten der iranischen Frauenrechtsbewegung vor. Beispielsweise wurde die Rechtsanwältin Nasrin Sotoudeh u. a. zu fünf Jahren Haft wegen „Verstoßes gegen die islamischen Kleidervorschriften“ verurteilt, da sie in einer im Iran nicht veröffentlichten Videobotschaft kein Kopftuch getragen hatte.[2]

Immer wieder werden diskriminierende Gesetzesentwürfe eingebracht und verabschiedet. So wird zur Erfüllung der von Ali Chamenei ausgegebenen Losung der Verdopplung der Bevölkerungszahl über Empfängsnisverhütungsverbote und zusätzliche Benachteiligungen kinderloser Frauen am Arbeitsmarkt diskutiert, bestehende Familienplanungsprogramme wurden bereits gestrichen.[25] 2014 verbot der Oberste Führer das Chatten zwischen nicht-verwandten Männern und Frauen.[26]

Ohne Zustimmung ihres Ehemannes oder Vormundes erhalten iranischen Frauen keinen Pass, um ins Ausland zu reisen. Nachdem der Ehemann der paralympischen Bogenschützin Zahra Nemati versuchte hatte, deren Ausreise zu einem sportlichen Wettbewerb zu verhindern, wurde im Mai 2017 ein neues Passgesetz verabschiedet. Schon 2015 hatte ein ähnlicher Fall der Fußballspielerin Niloufar Ardalan weltweit Aufsehen erregt, deren Ehemann ihre Teilnahme an der ersten asiatischen Futsal-Meisterschaften hatte vereiteln wollen. Gemäß dem neuen Gesetz entscheiden anstelle des Ehemanns nun die Behörden über die Ausreise von Frauen, die an Sportwettbewerben, akademischen und kulturellen Konferenzen und Festivals teilnehmen und auf die Pilgerfahrt nach Mekka gehen wollen oder eine medizinische Behandlung im Ausland benötigen.[27]

War Frauen der Zugang zu Sportstadien seit der islamischen Revolution im Jahr 1979 verboten,[28] ist diese Regelung erstmals im Jahr 2019 gelockert worden, sodass im Oktober jenen Jahres Frauen erstmals seit 40 Jahren wieder bei einer Sportveranstaltung zugegen waren.[29] Im Jahr 2022 wurde Frauen erstmals testweise die Anwesenheit in einem Fußballligaspiel gestattet. Für Spiele der iranischen Fußballnationalmannschaft wurde das Frauen-Anwesenheitsverbot de jure aufgehobe, jedoch praktisch teilweise weiter umgesetzt.[30]

Literatur

  • Nasrin Bassiri: Frauen in der Islamischen Republik Iran. In: Edith Laudowicz (Hrsg.): Fatimas Töchter. Frauen im Islam (= Neue Kleine Bibliothek. Band 29). PapyRossa, Köln 1992, ISBN 3-89438-051-9, S. 62–74.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ana Lehmann: Irans Frauen – Menschen zweiter Klasse? Deutsche Welle, 12. Juni 2013, abgerufen am 23. April 2021.
  2. a b c d e f g h i Iran als Hüter der Frauenrechte? Ein Schlag ins Gesicht der iranischen Frauenrechtsbewegung. In: igfm.de. Internationale Gesellschaft für Menschenrechte, archiviert vom Original am 6. Juli 2016; abgerufen am 20. April 2015.
  3. Jad Adams: Women and the Vote. A World History. Oxford University Press, Oxford 2014, ISBN 978-0-19-870684-7, S. 437 (englisch).
  4. Parvin Javadi: Moderne, Subjekt, Staat: zur Rolle der Bildung in der Kontroverse zwischen Individuum und Staat in Iran. 1. Auflage. Schwarz, Berlin 2014, ISBN 978-3-87997-442-9, S. 215 f.
  5. Parvin Javadi: Moderne, Subjekt, Staat: zur Rolle der Bildung in der Kontroverse zwischen Individuum und Staat in Iran. 1. Auflage. Schwarz, Berlin 2014, ISBN 978-3-87997-442-9, S. 227–238.
  6. Andrea Claudia Hoffmann: Der Iran, die verschleierte Hochkultur. Diederichs, München 2009, ISBN 978-3-424-35001-2, S. 196–201, 212.
  7. a b Vom IT-Studium und umgekehrten Geschlechterverhältnissen. In: heise.de. Abgerufen am 11. Oktober 2020.
  8. Situation of human rights in the Islamic Republic of Iran — Report of the Secretary-General. Absatz 40. In: un.org. 31. August 2015, abgerufen am 11. Oktober 2020 (englisch).
  9. Männer arbeitslos: Iranischer Ajatollah kritisiert Frauen-Boom auf dem Arbeitsmarkt. In: Focus. 5. Dezember 2015, abgerufen am 5. Dezember 2015.
  10. Iran: Mehr als 580 Frauen streben Parlamentssitz bei Iran-Wahl an. In: Zeit online. 9. Februar 2016, abgerufen am 11. März 2016.
  11. Eklat in Iran: „Parlament ist kein Ort für Esel, Affen und Frauen“. In: Spiegel online. 11. März 2016, abgerufen am 11. März 2016.
  12. Iran – Amnesty International – Menschenrechtsverletzungen an Frauen (MaF). In: amnesty-frauen.de. 31. Dezember 2012, abgerufen am 20. April 2015.
  13. Nahid Fallahi: Häusliche Gewalt gegen Frauen in der Islamischen Republik. In: Iran Journal. 19. April 2017, abgerufen am 23. April 2021.
  14. Gender Inequality and Discrimination: The Case of Iranian Women. In: iranhrdc.org. Iranisches Menschenrechts-Dokumentationszentrum, 5. März 2013, abgerufen am 6. Juni 2016 (englisch).
  15. Gender Inequality and Discrimination: The Case of Iranian Women. In: iranhrdc.org. Iranisches Menschenrechts-Dokumentationszentrum, 5. März 2013, abgerufen am 23. April 2021 (englisch).
    […] conditions that make the continuation of [marital] life intolerable and difficult for the wife; the following circumstances […] shall be considered as a case: […] Wife battery or any kind of mistreatment of the wife that is intolerable in the wife’s condition.
  16. Current Legal Framework: Divorce in Iran (Islamic Republic of). (Nicht mehr online verfügbar.) In: International Models Project on Women's Rights (IMPOWR). American Bar Association, archiviert vom Original am 6. Juni 2016; abgerufen am 23. April 2021 (englisch).: “
    […] she has the burden of proving that the continuation of the marriage would expose her to ‘difficult and pressing conditions.’ These can include the husband’s […] physical abuse
  17. Iran / Frauenrechte – Amnesty International Deutschland. (Nicht mehr online verfügbar.) In: amnesty.de. Archiviert vom Original am 27. April 2015; abgerufen am 20. April 2015.
  18. Eva Tepest: Homosexualität unter Strafe. Das geheime Leben der Lesben im Iran. In: Der Tagesspiegel. 5. Februar 2018, abgerufen am 23. April 2021.
  19. Report of the Economic and Social Council: Situation of Human Rights in the Islamic Republic of Iran, UN Doc. A/45/697. In: un.org. 6. November 1990, S. 27, abgerufen am 23. April 2021 (englisch). (PDF (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive))
  20. Die Spreu vom Weizen trennen. In: Der Spiegel. Nr. 39, 1986, S. 94–99 (online22. September 1986).
  21. Steinigung – ein Zeugenbericht aus dem Iran. In: igfm.de. Abgerufen am 3. Mai 2015.
  22. Raniah Salloum: Iran ohne Schleier: Frauen widersetzen sich der Kopftuch-Pflicht. In: Spiegel Online. 10. Mai 2014, abgerufen am 20. April 2015.
  23. Paul-Anton Krüger: Iran – Tausende protestieren gegen Säureangriffe auf Frauen. In: sueddeutsche.de. 23. Oktober 2014, abgerufen am 25. April 2015.
  24. a b Stephanie Rupp: Irans Mullahs führen Krieg gegen die Frauen. In: welt.de. 26. Oktober 2014, abgerufen am 20. April 2015.
  25. Bianca Blei: Irans Frauen sollen Recht auf ihren Körper verlieren. In: derstandard.at. 12. März 2015, abgerufen am 3. Mai 2015.
  26. Michel Penke: Chamenei verbietet Chats zwischen Männern und Frauen. In: tagesspiegel.de. 7. Januar 2014, abgerufen am 23. April 2021.
  27. Majlis mulling to ease passport rules for women. In: Tehran Times. 28. Juli 2017, abgerufen am 29. Juli 2017 (englisch).
  28. Christoph Sydow: Wie Irans Frauen dem Stadionverbot trotzen. In: Spiegel Online. 28. April 2018, abgerufen am 23. April 2021.
  29. Verbot nach 40 Jahren aufgehoben: 4000 iranische Frauen besuchen Fußballspiel in Teheran. In: Spiegel Online. 10. Oktober 2019, abgerufen am 10. Oktober 2019.
  30. Nach über 40 Jahren: Frauen dürfen zu Ligaspiel in Iran. In: Der Spiegel. 24. August 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 25. August 2022]).