Fremdfinanzierte Übernahme

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die fremd(kapital)finanzierte Übernahme (englisch leveraged buyout, LBO) ist eine mit hohem Fremdkapitalanteil finanzierte Unternehmensübernahme im Rahmen einer strukturierten Finanzierung. Derartige fremdfinanzierte Übernahmen sind typisch für Private-Equity-Investoren.

Allgemeines

Der Kaufpreis für die Akquisition eines Unternehmens („Target“ oder „Zielunternehmen“ genannt) muss vom Erwerber (Investor) finanziert werden. Dafür steht ihm Eigenkapital, Fremdkapital oder eine Mischung hiervon zur Verfügung. Das Fremdkapital kann aus Bankkrediten, eigens hierfür emittierten Anleihen oder sonstigen Quellen stammen.

Der Begriff „leveraged finance“ weist auf einen hohen Fremdfinanzierungsanteil hin, der einen Hebel-Effekt (leverage) zur Folge hat. Durch den geringen Einsatz von Eigenmitteln lässt sich eine hohe – für den Investor attraktive – Eigenkapitalrentabilität erzielen, solange die Gesamtkapitalrentabilität höher ist als die Fremdkapitalzinsen. Voraussetzung ist, dass das Zielunternehmen einen ausreichend hohen freien Cash-Flow erwirtschaftet, mit dem die Verbindlichkeiten getilgt werden.

Ein Unternehmenserwerb, der überwiegend durch Fremdkapital erfolgt, wird als Leveraged Buy-out bezeichnet, wenn die Fremdkapitalgewährung durch finanzierende Banken allein auf der erwarteten Tragfähigkeit des Zielunternehmens (ohne weiteres Obligo des Käufers) erfolgt. Da banktechnisch der Unternehmenskauf dann wie eine Projektfinanzierung zu klassifizieren ist, erwartet die Bank, dass der Cashflow des Targets eine dauerhafte Kapitaldienstfähigkeit ermöglicht. Die aus der Kreditfinanzierung resultierenden Zinsen und Tilgungen (also der Kapitaldienst) müssen im Regelfall aus dem Cashflow des Targets bestritten werden. Fremdkapitalgeber verlangen dennoch in der Regel einen Eigenkapitalanteil, um ihr Kreditrisiko zu verringern. Finanzierungswillige Banken gehen bei hohem Fremdfinanzierungsanteil ein deutlich höheres Kreditrisiko als bei klassischen Kreditfinanzierungen ein, das sie durch Kreditsicherheiten an Vermögensgegenständen (Verpfändung des Aktienpaketes) zu vermindern versuchen.

Geschichte

Der Begriff LBO wird weder in der Fachliteratur noch in der Praxis einheitlich gebraucht.[1] Das LBO ist in den USA aus den „bootstrap financings“[2] der 1930er Jahre hervorgegangen, bei denen ein Unternehmer altersbedingt sein Unternehmen an Investoren veräußerte, die den Kaufpreis durch einen hohen Anteil von Krediten finanzierten.[3]

Spektakuläre Einzeltransaktionen mit hohem Fremdkapitalanteil hatten in den 1980er Jahren für die Begriffsbildung des Leveraged Buy-out gesorgt. Es handelte sich immer noch um „bootstrap financings“, da der Cashflow des Zielunternehmens für die Schuldentilgung des LBO eingesetzt wird und das LBO aus eigenem Vermögen des Zielunternehmens bei Banken abgesichert werden muss.[4] Die im November 1988 durch den Finanzinvestor KKR erfolgte Übernahme des Mischkonzerns RJR Nabisco war mit $ 31,4 Mrd. bis 2006 der größte LBO der Geschichte.[5]

Größtes „Mega“-Buyout aller Zeiten war dann im November 2006 die Übernahme der Hospital Corporation of America (HCA) durch das Konsortium Bain Capital/KKR/MLGPE für $ 33 Mrd.[6] Als die Großbank Citigroup im September 2007 die Unternehmensübernahme der EMI Group durch Terra Firma Capital Partners finanzierte, begann eine der größten Fehlinvestitionen im Rahmen der Geschichte der Leveraged Buy-outs. Denn die Musikindustrie begann sich just zu jener Zeit unter anderem mit der Erfindung von Smartphones dramatisch zu wandeln.[7] Die Übernahme durch Terra Firma im September 2007 erfolgte zu einem Kaufpreis von 4,2 Mrd. £. Die Citigroup hatte davon 3,7 Mrd. £ (88 %) finanziert. Nachdem Terra Firma die Kreditzinsen für die Kaufpreisfinanzierung nicht mehr aufbringen konnte (damit war Kapitaldienstfähigkeit nicht mehr vorhanden), hatte die Citigroup von Terra Firma die EMI-Aktien im Februar 2011 übernommen. Durch Kreditabschreibungen verlor die Citigroup 2,2 Milliarden £ (ursprünglich £ 3,4 Mrd. Kredite), Terra Firma seinen Eigenkapitalanteil von 1,7 Mrd. £.[8] Der Eigenkapitalanteil dieser Transaktion von lediglich 12 % des Kaufpreises erhöhte deutlich die Risiken für Bank und Terra Firma.

Arten

Je nach Erwerber unterscheidet man Management-Buy-out (MBO), Management-Buy-in (MBI), Employee Buyout (EBO), Owner Buyout (OBO) und Institutional Buyout (IBO). Beim MBO wird das Unternehmen von seiner gesamten oder Teilen seiner Unternehmensführung erworben, beim MBI kauft ein externes Management das Zielunternehmen, beim EBO erwirbt die Belegschaft des Ziels das Unternehmen. Ein bisheriger Mitgesellschafter kauft beim OBO, während beim IBO ein Beteiligungsunternehmen der Käufer ist. Das Investment wird oft nach einer Haltezeit von etwa 4 bis 5 Jahren vom Investor veräußert (die eingegangene Beteiligung erhält den Status exit). Ist der nächste Käufer ebenfalls ein Finanzinvestor, so spricht man von einem Secondary Buy-out, beim Weiterverkauf an einen dritten Finanzinvestor von einem Tertiary Buy-out.

Beispiele (Deutschland)

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Rico Baumann, Leveraged Buyouts, 2012, S. 9
  2. to pull oneself up by one’s bootstraps bedeutet etwa „sich an den eigenen Schnürsenkeln hochziehen“
  3. Allen Jaffrey Michel/Israel Shaked, The Complete Guide to A Successful Leveraged Buyout, 1988, S. 2
  4. Vassil Tcherveniachki, Kapitalgesellschaften und Private Equity Fonds, 2007, S. 50
  5. Sebastian Ernst, Die ökonomischen Auswirkungen von Private Equity-Investoren, 2010, S. 11
  6. Torben Katzer, Buyouts, 2009, S. 1
  7. Bruno Knellwolf: KOMMUNIKATION: Ein Gerät verändert unser Leben. In: Luzerner Zeitung. 1. Oktober 2017, abgerufen am 11. Mai 2021.
  8. BBC News vom 1. Februar 2011, EMI Taken Over By Citigroup in Deal To Write Off Debts
  9. Stephan A. Jansen (2013): "Mergers & Acquisitions: Unternehmensakquisitionen und -kooperationen. Eine strategische, organisatorische und kapitalmarkttheoretische Einführung", Gabler: Wiesbaden, S. 25, 46.

Weblinks