Frieder Schmidt

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Frieder Schmidt, IPH-Kongress 2012

Frieder Schmidt (* 6. April 1952 in Tübingen) ist ein deutscher Wissenschaftshistoriker und Papierhistoriker. Von 1992 bis zum 31. Oktober 2017 leitete er als Nachfolger von Wolfgang Schlieder die Papierhistorischen Sammlungen des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig.

Leben und Schaffen

Schmidt wurde 1952 in Tübingen geboren und studierte zwischen 1976 und 1983 an der Universität Stuttgart Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik, Geschichte und Philosophie. Anschließend war er bis 1991 am Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim tätig.

1990 erfolgte die Promotion mit der Arbeit "Von der Mühle zur Fabrik. Die Geschichte der Papierherstellung in der württembergischen und badischen Frühindustrialisierung", die 1994 im Druck erschienen ist. Die Publikation untersucht in einer umfassenden vergleichenden Regionalstudie die Umbruchphase der frühindustriellen Papierfabrikation im Übergang von der handwerklichen Papierherstellung zur massenhaften industriellen Fertigung in Südwestdeutschland.[1]

Seit 1991 gehört Schmidt zu den Mitorganisatoren des Deutschen Arbeitskreises für Papiergeschichte (DAP),[2] den er bis 2016 leitete.[3] Als aktives Mitglied der International Association of Paper Historians (IPH)[4] hält er Vorträge und publiziert zu papiergeschichtlichen Themen, u. a. zur Wasserzeichenforschung oder zu Papierhistorikerinnen und -historikern wie Toni Schulte[5] oder Gerhard Piccard.[6] 2004 initiierte er den international aktiven Arbeitskreis Buntpapier.[7]

1992 übernahm er die Leitung der Papierhistorischen Sammlungen des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig, dessen stellvertretender Leiter er ebenfalls bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2017 war. Hier betreute er ab 1992 die Integration der Bestände der ehemals in Mainz ansässigen Forschungsstelle Papiergeschichte, die dem Deutschen Buch- und Schriftmuseum vom Deutschen Museum München überlassen wurden.[8] Er engagierte sich intensiv für die inhaltliche Erschließung der vielfältigen papierhistorischen Bestände des Deutschen Buch- und Schriftmuseums und machte diese durch zahlreiche Publikationen bekannt.[9] Fachliche Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Tätigkeit sind papierhistorische Fragestellungen, u. a. zu Erscheinungsform und zur Erschließung von Wasserzeichen[10][11] oder biografische Forschungen zu Papiermachern und -fabrikanten oder Papierhistorikerinnen und -historikern. Er verfasste verschiedene Artikel für die Neue deutsche Biographie (NDB), z. B. zu Ulman Stromer[12][13] oder der Papierfabrikanten-Familie Spiro[14] und das Lexikon des gesamten Buchwesens, u. a. die Stichworte "Stoff", "Stoffbütte"[15] oder "Wasserzeichenforschung".[16] Frieder Schmidt förderte und unterstützte fachlich zahlreiche papierhistorische Projekte, so u. a. das im eContentPlus-Programm der Europäischen Kommission geförderten Projekts "BERNSTEIN – the memory of paper",[17] das die wichtigsten und umfangreichsten existierenden europäischen Wasserzeichen-Datenbanken verknüpft und so eine umfassende Informationsquelle zu Papier und Wasserzeichen bietet.[18][19]

1999 wurde Frieder Schmidt für die Ausstellung "Washi in the 19th Century – The Leipzig Collection" durch die Japan Paper Academy mit dem KAMI ACADEMY AWARD in der "Kategorie für internationalen Austausch, Aufklärungsaktivitäten und Förderung der Papierkultur" geehrt. Präsentiert wurden 440 Objekte japanischer Papier- und Buntpapiermuster der Bartsch-Sammlung[20] des Deutschen Buch- und Schriftmuseums in Leipzig, die der Wiener Finanzbeamte Franz Bartsch dem Museum testamentarisch vermacht hatte. Die Ausstellung basierte auf der Erschließungs- und Forschungsarbeit von Frieder Schmidt, unterstützt durch Sigrid Feiler und Erhard Feiler sowie durch Expertinnen und Experten aus Japan und Frankreich, und entstand in Kooperation mit der Japan Paper Academy, dem Kyoto Institute of Technology und dem Goethe-Institut Kansai.[21] Sie wurde in fünf japanischen Städten präsentiert, begleitend erschien ein gleichnamiger Katalog.[22]

2003 erschien die von ihm und Elke Sobek erarbeitete Internationale Bibliographie zur Papiergeschichte (IBP) mit rund 4.000 Monografien und 16.000 unselbständigen Publikationen.[23] Die 20.000 Titeleinträge für den Publikationszeitraum bis 1996 wurden in zehn Kapitel untergliedert und durch ein ausführliches Register zu Personen, Körperschaften, geografischen und sonstigen Sachverhalten sowie ein umfangreiches Titelregister ergänzt.[24]

2016 kuratierte Schmidt die Ausstellung "Bahnriss?! Papier | Kultur"[25] im Deutschen Buch- und Schriftmuseum in Leipzig, die vom 19. Februar bis 2. Oktober 2016 präsentiert wurde, sowie die gleichnamige Virtuelle Ausstellung in der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB), die anlässlich des Welttages des Buches am 23. April 2017 online ging.[26]

Ehrungen

  • 1999 KAMI ACADEMY AWARD[27]

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Von der Hand- zur Maschinenarbeit: Wandel in der südwestdeutschen Papierfabrikation durch Technologietransfer. Landesmuseum für Technik und Arbeit, Mannheim 1987.
  • Von der Mühle zur Fabrik: die Geschichte der Papierherstellung in der württembergischen und badischen Frühindustrialisierung. Verlag Regionalkultur, Ubstadt-Weiher 1994.
  • Franz Bartsch: Papiersammler aus Wien: Rekonstruktion seiner Ausstellung Stuttgart 1909. Bearb./Red.: Frieder Schmidt und Sigrid Feiler. Begleitmaterialien zur gleichnamigen Ausstellung vom 5. Februar bis 18. April 1998. Die Deutsche Bibliothek, Leipzig und Frankfurt am Main 1998.
  • Die internationale Papierversorgung der Buchproduktion im deutschsprachigen Gebiet während des 18. Jahrhunderts. In: In: Deutschland und der europäische Buchhandel im 18. Jahrhundert. Hrsg.: Mark Lehmstedt. Harrassowitz, Wiesbaden 1999.
  • Internationale Bibliographie zur Papiergeschichte (IBP): Berichtszeit bis einschließlich Erscheinungsjahr 1996. Hrsg.: Die Deutsche Bibliothek, Deutsches Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Bücherei Leipzig. Saur, München 2003.
  • Die Papierherstellung. In: Die Buchkultur im 19. Jahrhundert. Bd. 1, technische Grundlagen. Maximilian-Gesellschaft, Hamburg 2010.

Literatur

  • Presseinformation: Auszeichnung der Japan Paper Academy an Leipziger Papierhistoriker. In: Die Deutsche Bibliothek: Hausmitteilungen 30. Jahrgang, Nr. 4, Juli–August 1999, Die Deutsche Bibliothek, Frankfurt am Main / Leipzig / Berlin 1999, S. 110.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Frieder Schmidt: Von der Mühle zur Fabrik : die Geschichte der Papierherstellung in der württembergischen und badischen Frühindustrialisierung. Ubstadt-Weiher: Verlag Regionalkultur, 1994 (Zugl.: Stuttgart, Univ., Diss., 1990).
  2. Website des DAP
  3. Frieder Schmidt: „Deutscher Arbeitskreis für Papiergeschichte“ gegründet : Tagungsbericht über d. Forschungssymposium in Berlin. In: Allgemeine Papier-Rundschau Bd. 114, 1990, Nr. 47, S. 1345–1346.
  4. Website der IPH
  5. Frieder Schmidt: Toni Schulte (1900-1978), Mitbegründerin der IPH. In: International paper history Bd. 8, 1998, Nr. 2, S. 24–31.
  6. Frieder Schmidt: Bibliographie der Veröffentlichungen des Wasserzeichenforschers und Papierhistorikers Gerhard Piccard (1909-1989). In: International Association of Paper Historians: IPH-Information Bd. 23, 1989, Nr. 3, S. 131–136.
  7. Frieder Schmidt: Arbeitskreis Buntpapier. In: Meister der Einbandkunst – Internationale Vereinigung: MDE-Rundbrief 2012, Nr. 2, S. 10.
  8. Website der Papierhistorischen Sammlungen des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Nationalbibliothek
  9. Frieder Schmidt: How to document the development of paper grades and qualities? : the paper collections of the Deutsches Buch- und Schriftmuseum (German Book and Writing Museum) of the Deutsche Nationalbibliothek (German National Library) as a unique resource. In: Papers of the 29th International Congress of Paper Historians Bd. 17, 2008, S. 43–54.
  10. Frieder Schmidt: Maschinenpapierwasserzeichen in den Sammlungen des Deutschen Buch- und Schriftmuseums. In: Dialog mit Bibliotheken Bd. 23, Frankfurt und Leipzig 2011, Nr. 1, S. 62–66.
  11. Frieder Schmidt: Papiermacher und ihre Wasserzeichen. In: Dialog mit Bibliotheken Bd. 25, 2013, Nr. 1, S. 43–51.
  12. Frieder Schmidt: Stromer (Stromeir), Ulman, Großkaufmann, Politiker, Papiermühlengründer. In: Neue deutsche Biographie Bd. 25, 2013, S. 576–577.
  13. Ulman Stromer auf der Website der NDB
  14. Frieder Schmidt: Spiro, Papierfabrikanten. In: Neue deutsche Biographie Bd. 24, 2010, S. 707–708.
  15. Frieder Schmidt: Stoffbütte. In: Lexikon des gesamten Buchwesens Bd. 7, 2007, S. 262.
  16. Frieder Schmidt: Wasserzeichenforschung. In: Lexikon des gesamten Buchwesens Bd. 8, 2014, S. 200–202.
  17. Website des Bernstein-Projektes
  18. Frieder Schmidt: Das Gedächtnis der Papiere : das eContentPlus-Projekt BERNSTEIN und seine Grundlagen. In: Museum aktuell Bd. 142, 2007, S. 18–19.
  19. Frieder Schmidt: Das Gedächtnis der Papiere : Ein Zwischenbericht über das eContentplus Projekt BERNSTEIN. In: Leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte Bd. 17, 2008, S. 383–386.
  20. Sammlung Bartsch
  21. Presseinformation: Auszeichnung der Japan Paper Academy an Leipziger Papierhistoriker. In: Die Deutsche Bibliothek: Hausmitteilungen 30. Jahrgang, Nr. 4, Juli-August 1999, Die Deutsche Bibliothek, Frankfurt am Main / Leipzig / Berlin 1999, S. 110
  22. 19-seiki no washi-ten : Raipuchihi no korekushon kichō-ten = Washi in the 19th century. Hrsg.: henshu Nihon kami akademī / Deutsche Buch- und Schriftmuseums, Kyoto 1999.
  23. Klaus Schreiber: Rezension: Internationale Bibliographie zur Papiergeschichte (IBP). In: Informationsmittel (IFB). SWBplus, 2004, abgerufen am 28. Juli 2019 (Jahrgang 12, 2004, Heft 1, Nr. 04-1-392).
  24. Internationale Bibliographie zur Papiergeschichte (IBP) Berichtszeit: bis einschließlich Erscheinungsjahr 1996, Produktinfo beim Verlag Walter de Gruyter
  25. Bahnriss-Ausstellung im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  26. Bahnriss-Ausstellung auf der Website der DDB
  27. Presseinformation: Auszeichnung der Japan Paper Academy an Leipziger Papierhistoriker. In: Die Deutsche Bibliothek: Hausmitteilungen 30. Jahrgang, Nr. 4, Juli-August 1999, Die Deutsche Bibliothek, Frankfurt am Main / Leipzig / Berlin 1999, S. 110