Friedrich Thiersch

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Friedrich Wilhelm Thiersch
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Friedrich Wilhelm von Thiersch (* 17. Juni 1784 in Kirchscheidungen bei Freyburg als Friedrich Wilhelm Thiersch; † 25. Februar 1860 in München) war ein deutscher Philologe, der auch als „Praeceptor Bavariae“ (Lehrer Bayerns) und als „Vater der humanistischen Bildung“ in Bayern bezeichnet wurde, ähnlich wie Wilhelm von Humboldt in Preußen.

Zu seinen Brüdern zählte der Dichter des Preußenliedes, Bernhard Thiersch. Seine Söhne waren der Chirurg Carl Thiersch, der Theologe Heinrich Wilhelm Josias Thiersch und der Maler Ludwig Thiersch. Der Architekt und Maler Friedrich von Thiersch war sein Enkel. Der klassische Archäologe Hermann Thiersch und der Architekt Paul Thiersch waren seine Urenkel.

Leben

Ehefrau Amalie Thiersch geb. Löffler (1794–1878)

Thiersch wurde als der zweite Sohn des Landwirts Benjamin Thiersch im thüringischen Dorf Kirchscheidungen an der Unstrut geboren. Er studierte seit 1804 in Leipzig und Göttingen und wurde dort 1808 Privatdozent. 1809 kam er als Professor an das Münchener Wilhelmsgymnasium und 1811 an das Lyzeum.

Grab von Friedrich Thiersch auf dem Alten Südlichen Friedhof in München Standort

Schon bald nach seiner Ankunft in München geriet Thiersch in Streit mit seinen Vorgesetzten am Gymnasium und mit den Kreisen um den Baron Johann Christoph von Aretin. Einerseits wurde ein Konflikt zwischen protestantischem Norden und katholischem Süden ausgetragen; andererseits herrschte Uneinigkeit darüber, ob man weiterhin mit dem Frankreich Napoleons zusammenarbeiten sollte, was besonders Aretin befürwortete, sowie ob man von der aufklärerischen Bildungspolitik abrücken sollte, um sich einem neuhumanistischen Bildungswesen zuzuwenden. Als am Rosenmontag 1811 ein Mordanschlag auf Thiersch erfolgte, schob dieser die Schuld auf seine Gegner um Baron Aretin; tatsächlich war eine Liebesaffäre Anlass für den Anschlag.

1812 gründete Friedrich Thiersch das mit der Bayerischen Akademie der Wissenschaften verbundene Philologische Institut. Von 1811 bis 1829 gab er die vierbändigen Acta philologorum Monacensium heraus, das Forum des Philologischen Instituts. Nach der Thronbesteigung Ludwigs I. 1825 wurde Thiersch mit der Umgestaltung des höheren Bildungswesens beauftragt. In dem von ihm verfassten Lehrplan von 1829 wurde der Unterricht an den Gymnasien fast vollständig auf das Erlernen der alten Sprachen reduziert. Dies kam den Vorstellungen des Königs nahe, der seinen dynastischen Patriotismus mit einem klassizistischen Ethos verschmelzen wollte (siehe Walhalla). Bei seiner Reise nach Griechenland im Jahre 1831 führte er Grabungen im Schatzhaus des Atreus und in Tiryns durch.[1] 1835 wurde Thiersch zum auswärtigen Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften gewählt.[2] 1848 bis 1859 war er Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. 1855 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.

Friedrich Thiersch ist 1855 mit dem Verdienstorden der Bayerischen Krone ausgezeichnet worden und wurde damit auch als Friedrich Wilhelm Ritter von Thiersch in den persönlichen Adelsstand erhoben. Friedrich Wilhelm von Thiersch starb am 25. Februar 1860 in München. Nach seinem Tod verkaufte seine Frau Amalie seine Sammlung, die aus 612 antiken Objekten bestand, an Friedrich I. von Baden. Die schöneren Stücke wurden in die Großherzogliche Sammlung für Altertums- und Völkerkunde in Karlsruhe aufgenommen und alle anderen erhielt die Universität Heidelberg.[3]

Medaille Friedrich Wilhelm Thiersch 1860

Weitere Ehrungen

Thiersch war unter anderem[4]

In München ist die Thierschstraße (beim Wilhelmsgymnasium, zwischen Isartorplatz und Lehel) nach ihm benannt. In Athen wurde die Theirsiou-Straße (griechisch Θειρσίου; 37° 59′ 52,7″ N, 23° 43′ 18,1″ O) nach ihm benannt.[5] Die Bayerische Akademie der Wissenschaften widmete Thiersch eine Medaille, die vom Medailleur Johann Adam Ries gefertigt und noch 1860 herausgegeben wurde.[6] Die Grabstätte von Friedrich Thiersch befindet sich auf dem Alten Südlichen Friedhof in München (Gräberfeld 41 – Reihe 1 – Platz 16) Standort.

Schriften (chronologisch)

  • Über den angenommenen Unterschied zwischen Nord- und Süddeutschland. 1809.
  • Griechische Grammatik, vorzüglich des Homerischen Dialekts. 1812.
  • Griechische Grammatik für Schulen. 1812.
  • Über die Gedichte des Hesiodus, ihren Ursprung und Zusammenhang mit denen des Homer. 1813.
  • Über die Epochen der bildenden Kunst unter den Griechen. 3 Bände, 1816–1825.
  • Lobschrift auf Carl Wilhelm Friedrich von Breyer. 1818.
  • Die Bearbeitung des Pindar. 2 Bände, 1820.
  • Über eine griechische Gemma litterata im Besitze seiner Majestät des Königs. 1824.
  • Vorläufige Nachricht von dem in der k. Residenz zu München befindlichen Antiquarium. 1825.
  • Über gelehrte Schulen, mit besonderer Rücksicht auf Bayern. 3 Bände, 1826–1829.
  • Über die neugriechische Poesie, besonders über ihr rhythmisches und dichterisches Verhältniß zur altgriechischen. 1828.
  • Über den Cinctus Gabinus. 1829.
  • Über eine Tabula honestae missionis im K. [bayer.] Antiquarium. 1829.
  • Über ein noch unedirtes, vom Landschaftsmaler Hn. Carl Rottmanner aus Sicilien gebrachtes, christlich-griechisches Epitaphium. 1829.
  • Über den Zustand der Universität Tübingen. 1830.
  • Unwürdige Ausfälle auf die Universität Tübingen. 1830.
  • Über die Schicksale und Bedürfnisse der Ludwigs-Maximilians-Universität zu München. 1830.
  • Bemerkungen über ein von Winkelmann herausgegebenes Relief im K. Antiquarium. 1831.
  • Über eine Patera Etrusca des K. Antiquarium. 1831.
  • De l'état actuel de la Grèce et des moyens d'arriver à sa restauration. 2 Bände, 1833.
  • Ludovico Primo Bavariae regi ... et Theresae reginae ... tori genialis quinque lustra feliciter practa pie gratulatur Universitas Ludovico-Maximilianes Monacensis. 1835.
  • Über die neuesten Angriffe auf die Universitäten. 1837.
  • Gedächtnißrede auf Georg Friedrich weil. Freyherrn von Zentner. 1837.
  • Über die dramatische Natur der platonischen Dialoge. 1837.
  • Über den gegenwärtigen Zustand des öffentlichen Unterrichts in den westlichen Staaten von Deutschland, in Holland, Frankreich und Belgien. 3 Bände, 1838.
  • Über die Topographie von Delphi. 1840 (Digitalisat)
  • Über das Verhältniß der Philologie und der classischen Studien zu unserer Zeit. 1840.
  • Über Protestantismus und Kniebeugung in Bayern. 1844.
  • Über die hellenischen bemalten Vasen. 1844.
  • Allgemeine Ästhetik in akademischen Lehrvorträgen. 1846.
  • Apologie eines Philhellenen wider den Fürsten Hermann L. G. v. Pückler. 1846.
  • Rede beim Antritt des Rektoramtes der Ludwig-Maximilians-Universität. 1847.
  • Sicilianische Sonette vom Jahre 1845. 1848.
  • Rede zur Vorfeyer des hohen Geburtsfestes Sr. Majestät des Königs Maximilian II. 1849.
  • Über die praktische Seite wissenschaftlicher Thätigkeit. 1849.
  • Viro amplissimo illustrissimo doctissimo Friderico de Thiersch ... de gymnasiis Bavariae eorumque praeceptoribus optime merito post mandatos summos in philosophia honores XVIII. die junii a. MDCCCLVIII decem lustra egregia cum laude peracta laetis animis piisque votis gratulantur Gymnasii Ludoviciani rector et professores. 1858.
  • Festgabe zu dem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum des Herrn Geheimenrathes Friedrich von Thiersch am 18. Juni 1858. 1858.
  • Friedrich Thiersch's Leben (Aus seinen Briefen). herausgegeben von H. W. J. Thiersch, 2 Bände, 1866.

Literatur

  • Georg Martin Thomas: Gedächtnisrede auf Friedrich von Thiersch: vorgetragen in der öffentlichen Sitzung der k. Akademie der Wissenschaften am 28. November 1860 als am allerhöchsten Geburtsfeste Seiner Majestät des Königs Maximilian II. von Bayern, Verlag G. Franz, 1860 [1]
  • Heinrich Wilhelm Josias Thiersch, Friedrich Wilhelm von Thiersch: Friedrich Thierschs Leben. 2 Bände, Verlag C.F. Winter, 1866.
  • August BaumeisterThiersch, Friedrich Wilhelm. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 38, Duncker & Humblot, Leipzig 1894, S. 7–17.
  • Hans-Martin Kirchner: Friedrich Thiersch. Ein liberaler Kulturpolitiker und Philhellene in Bayern. Veröffentlichungen des Instituts für Geschichte Osteuropas und Südosteuropas der Universität München, Band 16. Hieronymus, München 1996, 422 S., ISBN 3-928286-20-X.
  • Friedrich Hoppe: Aus der Jugendzeit eines berühmten Kirchscheidungers. (Friedrich Wilhelm Thiersch), In: Naumburger Heimat. Nr. 22, (10. Juni 1931)
  • Günter Wirth: Die Familie Thiersch aus Kirchscheidungen bei Naumburg, Ihr Weg in die Leistungs- und Verantwortungselite Deutschlands. Saale-Unstrut-Jahrbuch 2010, Jahrbuch für Kulturgeschichte und Naturkunde der Saale-Unstrut-Region, Hrsg. vom Saale-Unstrut-Verein für Kulturgeschichte und Naturkunde e.V. 15. Jahrgang, S. 75 ff.
  • Peter Aufgebauer: Jubel – Protest – Philologie: die Gründung des "Vereins deutscher Philologen und Schulmänner" 1837 in Göttingen. In: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte. Bd. 82, 2010, S. 95–110.

Weblinks

Commons: Friedrich Thiersch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Katarina Horst: Friedrich Wilhelm Thiersch. Humanist und Philhellene. In: Badisches Landesmuseum Karlsruhe (Hrsg.): Mykene: Die sagenhafte Welt des Agamemnon. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2018, S. 22–23.
  2. Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Bd. 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 239.
  3. Katarina Horst: Friedrich Wilhelm Thiersch. Humanist und Philhellene. In: Badisches Landesmuseum Karlsruhe (Hrsg.): Mykene: Die sagenhafte Welt des Agamemnon. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2018, S. 22–23.
  4. Carl Heinrich Csapari: Rede bei der Beerdigung des Herrn Friedr. Wilh. v. Thiersch, etc. am 27. Februar 1860
  5. Evi Melas: Richtig reisen. Griechenland., 12. Auflage Köln 1990, S. 78.
  6. Stefan Krmnicek, Marius Gaidys: Gelehrtenbilder. Altertumswissenschaftler auf Medaillen des 19. Jahrhunderts. Begleitband zur online-Ausstellung im Digitalen Münzkabinett des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Tübingen (= Von Krösus bis zu König Wilhelm. Neue Serie, Band 3). Universitätsbibliothek Tübingen, Tübingen 2020, S. 86–88 (online).
VorgängerAmtNachfolger
Maximilian von Freyberg-EisenbergPräsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften
1848 bis 1859
Justus Freiherr von Liebig