Frontbann
Der Frontbann war eine paramilitärische Organisation in der Zeit der Weimarer Republik. Die Organisation, die im August 1924 gegründet wurde und bis ins Jahr 1926 hinein bestand, war eine Auffangorganisation für verschiedene rechtsextreme Wehrverbände in der Weimarer Republik, die nach dem fehlgeschlagenen Hitlerputsch verboten worden waren.
Geschichte der Organisation
Entstehung und Aufbau der Organisation
Der Frontbann war eine Schöpfung des ehemaligen bayerischen Berufsoffiziers Ernst Röhm, der eine führende Rolle bei dem gescheiterten Hitler-Putsch von 1923 gespielt hatte.
Röhm war im Frühjahr 1924 bestrebt, einen Ersatz für die paramilitärischen Organisationen der völkischen Rechten, namentlich die nationalsozialistische Sturmabteilung (SA) sowie die von ihm selbst 1923 geführte Organisation Reichskriegsflagge, zu schaffen, die die bayerische Regierung im November 1923 aufgrund der Teilnahme dieser Organisationen am Hitlerputsch verboten hatte.
Am 16. August 1924 wurde der Völkische Frontkampfbund Frontbann gegründet und in Berlin ins Vereinsregister eingetragen. Am 25. August 1924 wurde der Name des Vereins notariell in „Frontbann“ geändert.[1] Organisatorische Vorbereitungen für den Aufbau der Organisation hatten derweil bereits im Mai 1924 eingesetzt. Röhm behauptete später in seinen 1927 erschienen Memoiren, dass der Name „Frontbann“ als Bezeichnung für den neuen Verband ihm am 31. Mai 1924 während einer Fahrt nach Landsberg eingefallen sei.[2]
Der Gründungsaufruf des Frontbanns nannte als Zweck der Organisation die „Erhaltung des Wehrgedankens“ und die „innere Säuberung Deutschlands“ von „Verbrechern und Landesverrätern“. Das erstrebte Fernziel, das die Führer des Frontbanns hatten (oder erträumten) bestand darin, die Organisation zu einer Stärke heranzubilden, die groß genug wäre, um eines Tages mit militärischer Gewalt einen Umsturz in Deutschland herbeizuführen und eine nationale Diktatur zu errichten. Sie wollten also erneut, wie 1920 mit dem Kapp-Putsch und 1923 mit dem Hitler-Putsch, in der Zukunft versuchen, die Macht im Staat an sich zu reißen, wobei der Frontbann das Instrument für die erfolgreiche Führung des gewaltsamen Machtkampfes sein sollte.
Am 29. August 1924 erschien im Völkischen Kurier ein Aufruf zum Eintritt in den Frontbann. Im September des Jahres 1924 soll der Frontbann bereits über 30.000 Mitglieder verfügt haben.[3] Die Mitgliedschaft bestand zu einem großen Teil aus ehemaligen Angehörigen der SA, die die Organisation als Tarnverband benutzten um halbwegs geschlossen politisch zu „überwintern“, bis die seit 1923 verbotene NSDAP und SA wieder erlaubt werden würden.
Der Aufbau und die Gliederung des Frontbanns wurden von Ernst Röhm bestimmt. Röhm ließ sich bei der Ausgestaltung der Struktur des Verbandes – wie er es bereits bei der Organisation des Verbandes Reichskriegsflagge (1922/1923) getan hatte und auch später bei der von ihm vorgenommenen Reorganisierung der SA (1931) tun sollte – von militärischen Vorbildern und Grundsätzen leiten. Als Führungsorgan der Organisation richtete Röhm ein sogenanntes „Oberkommando“ ein, das sich in seiner Heimatstadt München befand. Als Chef des Oberkommandos fungierte Röhm zunächst selbst. Dem Oberkommando unterstanden vier „Gruppenkommandos“ für Großgebiete in Deutschland und Österreich. Namentlich das Gruppenkommando Nord in Berlin, das Gruppenkommando Mitte in Halle, das Gruppenkommando Süd in München und das Gruppenkommando Ost in Salzburg. Es folgten eine Reihe weiterer Gliederungsstufen, nämlich Landeskommandos, Abschnittskommandos, Bezirkskommandos und örtliche Kommandos. Zu Tarnzwecken wurden in der Öffentlichkeit jedoch die weniger martialischen Bezeichnungen „Oberleitung“, „Gruppenleitung“, „Landesleitung“, „Kreisleitung“, „Bezirksleitung“ und „Ortsgruppe“ gebraucht.
In der Praxis waren die regionalen Sektionen des Frontbanns zumeist weitgehend selbstständig.[3]
Die Orientierung des Frontbanns an militärischen Gepflogenheiten schlug sich auch in zahlreichen weiteren Erscheinungen nieder: Röhm ließ umfangreiche Ausbildungs- und Dienstvorschriften ausarbeiten, die den Tagesbetrieb der Organisation regelten. Zudem mussten neueintretende Mitglieder einen „Fahneneid“ leisten.
Zu den angeschlossenen Organisationen gehörten unter anderem Altreichsflagge, Reichsadler, Deutschvölkischer Offiziersbund, Bildungsverein Luitpoldhain, Völkischer Wehrring Nürnberg, Frontkämpferbund Ostpreußen, die Jugendorganisation der Nationalsozialistischen Freiheitspartei sowie Teile der Sturmabteilung, des Freikorps Oberland, des Freikorps Roßbach und des Wehrwolfs.[4]
Besonders Ludendorff trug sich mit der Idee, den Frontbann mit anderen Organisationen (wie einer noch zu gründenden „Frontjugend“) zu einem „Frontring“ zusammenzuführen. Der Frontring sollte nach Ludendorffs Vorstellung die Dachorganisation der militaristisch-nationalistischen Soldatenverbände in Land sein. Der Frontbann sollte in diesem Gefüge den einsatzbereiten Kern der Frontring-Organisation bilden.
Betätigung der Organisation 1924/1925
Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Frontbanns bestand in der militärische Ausbildung seiner Mitglieder; dabei war die Vermittlung militärischer Tugenden wichtiger als die Ausbildung an der Waffe.
1924 und 1925 trat der Frontbann zudem beim politischen Kampf auf der Straße hervor: Im Wahlkampf zur Reichspräsidentenwahl 1925 unterstützte der Frontbann Erich Ludendorff.[3] Wie für völkische Straßenkampforganisationen der Zeit typisch, waren Angehörige des Frontbanns auch in zahlreiche gewaltsame Auseinandersetzungen verwickelt, bei denen politische Gegner und Mitglieder der eigenen Organisation verletzt und sogar getötet wurden:
- Am 9. August 1925 erschoss der Kaufmann Schnapp den Frontbann-Angehörigen Werner Doelle (1909–1925), als er bei einer Demonstration für die Reichsverfassung von einer Gruppe von Frontbann-Männern angegriffen wurde und er nach dem Sprung auf das Trittbrett eines vorbeifahrenden Fahrzeuges einen Schuss in die ihn verfolgende Meute abgab.
- Am 13. September 1925 wurde in Sanitz (Mecklenburg) ein Reichsbannermann von einem Frontbannmitglied erschossen.
Ende 1924 wurde in Bayern ein Verfahren wegen Geheimbündelei gegen die Leitung des Frontbanns eingeleitet, das aber im September 1925 wegen einer Amnestie eingestellt wurde. Das Verfahren hatte jedoch zur Folge, dass die Gruppen- und Bezirkskommandos des Frontbanns von der Münchener Zentrale abgetrennt wurden.[3]
Im Oktober 1925 kam es zu einer großangelegten Verhaftungsaktion der Führung des Frontbanns Nord in Berlin, bei der der Berliner Frontbannchef Paul Röhrbein sowie knapp ein Dutzend weitere führende Mitglieder der Organisation von der Polizei wegen des Verdachtes der Geheimbündelei in ihren Wohnungen arretiert wurden. Unter den Verhafteten waren spätere führende NS-Politiker und SA- bzw. SS-Führer wie Kurt Daluege und Karl Ernst sowie Funktionsträger der mittleren Führungsschicht des späteren NS-Apparates wie Paul Schiefelbein und Walter Jurk. Die Männer wurden nach einigen Tagen Haft im Berliner Hausvogtei-Gefängnis wieder freigelassen. Für Aufsehen erregte der Umstand, dass die Polizei in der Wohnung des Berliner Frontbannchefs Röhrbein einen jungen Mann antraf, der dort übernachtete, so dass Röhrbein auch wegen Verstoßes gegen den Paragrafen 175, der homosexuelle Betätigung zwischen Männern verbot, angeklagt wurde. Da die desavouierenden Zustände, die sich der Polizei in RÖhrbeins Haus boten an die Presse gelangten, wurde die Homosexualität Röhrbeins im Oktober 1925 öffentlich bekannt. Er übertrug die Führung der Berliner Organisation daher an Kurt Wetzel und zog sich vorerst aus der Öffentlichkeit zurück.
Zerfall der Organisation
Im April 1925 war ein Richtungsstreit im Frontbann ausgebrochen, gegnerische Lager waren dabei einerseits das völkisch-nationalsozialistische um Ludendorff und andererseits eines um die Vereinigten Vaterländischen Verbände wie Stahlhelm, Bund Wiking und Olympia. Im Oktober des Jahres wurden zudem einige Führer des Frontbann-Nords wegen Geheimbündelei verhaftet.[3]
Nach der Neugründung der NSDAP im Februar 1925 begann der Frontbann sehr rasch wieder zu zerfallen: Hitler hatte Röhm im März/April 1925 zum Führer der SA berufen. Die Führung des Frontbanns hatte Röhm zu dieser Zeit noch immer bzw. weiterhin in Personalunion inne. Bei einem Treffen von Röhm mit Hitler in Hitlers Münchener Wohnung am 16. April 1925 übergab Röhm Hitler dann ein umfassendes von ihm verfasstes Memorandum über den Frontbann. Seinem eigenen Bericht zufolge bot Röhm Hitler zu dieser Zeit an, den Frontbann mit der SA zu vereinigen. Er will dabei aber die alleinige Verantwortung für die durch diese Vereinigung entstandene neue Organisation beansprucht haben und gefordert haben, dass er allein der neuen Organisation gegenüber befehlsberechtigt sei. Nach Röhms Willen sollte der Frontbann als eine unabhängige paramilitärische Organisation innerhalb der nationalsozialistischen Bewegung existieren. Hitler lehnte Röhms Vorschlag indessen ab und die völlige Unterordnung und Eingliederung des Frontbanns in das Gefüge der NSDAP und seine, Hitlers, alleinige Führung. Röhm schrieb Hitler daraufhin am 17. April und erneut (nachdem der erste Brief ohne Antwort blieb) am 30. April Briefe, in denen er von der Führung der SA zurücktrat. Am 1. Mai 1925 übergab Röhm der nationalsozialistischen Presse eine Erklärung, die besagte, dass er sowohl von der Führung des Frontbanns als auch der SA zurücktrete. Für Fragen betreffend der SA gab er bekannt, dass man sich an die Parteileitung der NSDAP in München und wegen Fragen zum Frontbann an den Grafen Helldorff wenden sollte (siehe unten). Röhm zog sich anschließend aus der politischen und paramilitärischen Arbeit bis zum Herbst 1930 zurück.
Nach Röhms Rückzug aus dem Frontbann übernahm Wolf-Heinrich von Helldorff im Mai 1925 die Leitung der Organisation. Seine Tätigkeit bestand im Wesentlichen im Management der Abwicklung der Organisation.
Letztmaliges Aufsehen erregte die Organisation im Frühjahr 1925 als ruchbar wurde, dass der Frontbann und der Bund Oberland Vorbereitungen für einen bewaffneten Überfall auf das Memelgebiet und Danzig trafen. Aus diesen Organisationen rekrutierte Freischärlergruppen sollten, als Waldarbeiterkommandos getarnt, in die Nähe der Grenze gebracht werden und dann durch blitzartige Besetzung der Städte vollendete Tatsachen schaffen, um die Gebiete für das Deutsche Reich zurückzugewinnen. Die politische und militärische Führung Deutschlands nahm eine ablehnende Haltung zu diesem Vorhaben ein, da es aufgrund der internationalen Situation ungewiss war, wie die Westmächte auf eine solche Aktion reagieren würden.
Die Masse der Mitglieder schloss sich 1925 wieder der NSDAP an und SA. Helldorff trat, nachdem er den Frontbann als Zentralverband abgewickelt hatte, mit zahlreichen mitteldeutschen Frontbanngruppen zur Organisation „Wehrwolf. Bund deutscher Männer und Frontkrieger“ über. Andere Teile des Frontbanns schlossen sich dem im September 1925 von Ludendorff gegründeten Tannenbergbund an.[4] Zu Beginn des Jahres wurden die letzten Gliederungen des Frontbanns aufgelöst bzw. in die SA überführt.
Organisation
An der Spitze des Frontbanns stand als Beauftragter der Führung ein Kommandeur.
Dem Oberkommando des Frontbanns unterstanden die Gruppenkommandos als Führungsorgane der einzelnen regionalen Frontbann-Gruppen.
Den Gruppenkommandos unterstanden Landeskommandos und diesen wiederum Abschnittkommandos.
Den Abschnittkommandos waren Sturmtruppkommandeure und Bezirkskommandeure untersteht, wobei den letzteren örtliche Kommandeure unterstellt waren.
Die örtlichen Kommandos waren wiederum nach ihrer Stärke in Gruppen, Züge, Kompanien, Bataillone u. ä. gegliedert.
Führer der Frontbann-Gruppen
- Gruppe Nord (Berlin) für Norddeutschland, Ostpreußen:
- Kommandeur: Hauptmann a. D. Hans Peter von Heydebreck (später ersetzt durch Major Robert Holtzmann[5] und dann durch Hauptmann a. D. Paul Röhrbein)
- Stabschef: Leutnant von Winterfeld
- Gruppe Mitte (Halle):
- Kommandeur: Wolf-Heinrich von Helldorff
- Stabschef: Leutnant a. D. Freiherr von Eberstein
- Gruppe Süd (München)
- Kommandeur Oberstleutnant von Kapff
- Stabschef: Rittmeister a. D. Freiherr von Thüngen
- Gruppe Ost (Salzburg)
- Kommandeur: Hauptmann Brosche (später ersetzt durch Ingenieur Planchel)
- Stabschef (Wien): Hermann Reschny
Literatur
- Kurt Finker: „Frontbann“, in: Die Bürgerlichen Parteien in Deutschland. Handbuch der Geschichte der bürgerlichen Parteien und anderer bürgerlicher Interessenorganisationen vom Vormärz bis zum Jahre 1945, 1970, Bd. 2 (Fraktion Augsburger Hof-Zentrum), S. 93–95.
Weblinks
- Bernhard Sauer: Goebbels »Rabauken«. Zur Geschichte der SA in Berlin-Brandenburg. (PDF; 1,6 MB) In: Jahrbuch des Landesarchivs Berlin, 2006
Einzelnachweise
- ↑ Eleanor Hancock: Ernst Röhm. Hitler's Chief of Staff, 2008, S. 76.
- ↑ Ernst Röhm: Geschichte eines Hochverräters, 2. Auflage, 1930, S. 292.
- ↑ a b c d e Martin Schuster: Die SA in der nationalsozialistischen «Machtergreifung» in Berlin und Brandenburg 1926-1934. Technische Universität Berlin 2005, S. 31–36.
- ↑ a b Kurt Finker: „Frontbann“, in: Dieter Fricke u. a. (Hg.): Die bürgerlichen Parteien in Deutschland. Band II. Das Europäische Buch, Berlin 1968, S. 93–95.
- ↑ zu dieser Gestalt, einem aktiven Ludendorffer, geb. 1883, sehr ausführlich Bundesarchiv (Deutschland): Holtzmann