Fugger
Die Fugger sind ein schwäbisches Kaufmannsgeschlecht, das seit der Zuwanderung Hans Fuggers aus Graben im Jahr 1367 in Augsburg ansässig war. Ihren Namen schrieben sie ursprünglich „Fucker“. Fucker advenit lateinisch „Fugger ist angekommen“, war dazu 1367 im Augsburger Steuerbuch vermerkt worden.[1][2][3][4]
Eine Linie, die Fugger „von der Lilie“, war in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts außerordentlich mächtig. Der Name Fugger wurde europaweit zu einem Synonym für Reichtum. Mit der Bezeichnung „die Fugger“ sind heute meistens die Fugger von der Lilie gemeint. Die Familie Fugger brachte dank ihres großen Einflusses der Stadt Augsburg den Beinamen „Fuggerstadt“ ein.[5] Die Grundstücke in Graben und Augsburg bildeten den Anfang des später beträchtlichen Grundbesitzes der Familie Fugger.[6]
Ursprung und Aufspaltung in zwei Linien
Die Familie geht auf Johann Fugger zurück, einen Webermeister aus Graben. Sein Sohn Hans Fugger zog 1367 nach Augsburg, wo er zunächst als Weber in der Zunft aufstieg und dann sein Geschäft in die Richtung des Textilhändlers ausbaute, wobei er vom damaligen Barchent-Boom profitierte.[7] Er handelte Ende des 14. Jahrhunderts als „Weber-Verleger“ mit Leintuch, das er bei bayerischen Webern aufkaufte und verkaufte, wurde Vorstand der heimischen Weberzunft und begann bayerisches Leinentuch bis nach Italien zu exportieren.[8] Hans Fugger war der Vater von Andreas Fugger (1394/95–1457/58), dem Stammvater der Fugger vom Reh, sowie von Jakob Fugger d. Ä. (nach 1398–1469), dem Stammvater der Fugger von der Lilie.
Stammgeneration | Hans Fugger (in Augsburg seit 1367) † 1409 | ||||||||||||||||||||||
Zweite Generation |
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Nach der Aufteilung des Familienvermögens im Jahr 1455 gingen die beiden Familien getrennte Wege. Die Familie der Fugger von der Lilie war im 16. Jahrhundert sehr erfolgreich und einflussreich. Die Familienfirma der Linie Fugger vom Reh war zunächst ebenfalls erfolgreich, wurde aber Ende des 15. Jahrhunderts zahlungsunfähig.
Das zwischen den Jahren 1545 und 1549 gestaltete „Ehrenbuch der Fugger“ hat die Legende aufkommen lassen, die Firma des Andreas Fugger (vom Reh) habe einen raschen und prachtvollen Aufstieg genommen, während Jakob der Ältere (von der Lilie) seine Firma langsam und vorsichtig ausgebaut habe. Die neuere Forschung hat diese Darstellung widerlegt. Die Firma der Fugger „von der Lilie“ war bereits früh erfolgreicher als die der Verwandtschaft „vom Reh“.[9]
Für den Ort Graben wurde die Fugger-Familie so bedeutend, dass er das Reh und die Lilie in sein Gemeindewappen aufnahm.
Fugger von der Lilie
Das Unternehmen der Fugger von der Lilie erlangte unter Jakob Fugger „dem Reichen“ und seinem Neffen Anton Fugger Weltgeltung. Die Mitglieder der Familie stiegen ab 1511 in den Adel auf. Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts nahmen sie hohe kirchliche und weltliche Ämter ein.
Nach dem Erwerb der Grafschaft Kirchberg und der Herrschaften Weißenhorn, Wullenstetten, Pfaffenhausen und Resten der früheren Grafschaft Marstetten stieg der bürgerliche Kaufherr, Montanunternehmer und Bankier Jakob Fugger „der Reiche“ und nach ihm sukzessive die gesamte Familie in den Adel beziehungsweise in den Reichsgrafenstand auf. Die Fugger-Babenhausen (1803) und die Fugger von Glött (1913) wurden in den Fürstenstand erhoben. Die Familie zählt daher zu den wenigen deutschen Kaufmannsfamilien, die – wie in Italien häufiger geschehen – aus dem Briefadel bis in den Hochadel aufstiegen. Darüber hinaus waren drei Angehörige des Hauses Fugger „von der Lilie“ als Fürstbischöfe von Konstanz und Regensburg Reichsfürsten. Weitere Angehörige der Familie Fugger „von der Lilie“ hatten hohe und höchste Staats- und Kirchenämter inne.
Mehrere Fugger machten sich als Kunstförderer und Stifter einen Namen. Die bekanntesten Stiftungen sind die Fuggerkapelle in der Augsburger Kirche St. Anna und die Fuggerei, heute die älteste bestehende Sozialsiedlung der Welt.
Zweige sind bis heute auf dem Fuggerschloss Babenhausen, auf Schloss Kirchheim und Schloss Oberkirchberg ansässig.
Fugger vom Reh
Das Unternehmen der Fugger „vom Reh“ betrieb bereits um die Mitte des 15. Jahrhunderts Handel zwischen den deutschen Hansestädten, Antwerpen und London, Mailand und Venedig, Leipzig und Frankfurt a. d. Oder. Im Jahr 1462 bekamen Lukas Fugger und seine Brüder ihr Wappen mit dem Wappenbild eines springenden Rehs verliehen.
Für die Zahlungsunfähigkeit der Firma der Fugger „vom Reh“ sorgte letztlich eine einzige Fehlentscheidung: ein ungenügend abgesicherter Kredit an Erzherzog Maximilian I. Für seine Schulden ließ der Habsburger die Stadt Löwen bürgen, bei der die Forderungen der Fugger „vom Reh“ dann jedoch nicht einzutreiben waren. In den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts gerieten die Fugger „vom Reh“ deshalb in Zahlungsschwierigkeiten, ihre Firma ging bankrott.
Die Nachfahren hatten keine überörtliche Bedeutung mehr, erlangten aber in zwei Linien den sogenannten rittermäßigen Adelsstand.[10]
Die heutigen Angehörigen der Familie Fugger vom Reh tragen zumeist den Nachnamen „Fugger“, wodurch sie auf den ersten Blick nicht als Nachkommen der Augsburger Fugger erkennbar sind. Lediglich zwei Familienmitglieder tragen den traditionellen Namen „Fugger von dem Rech“. „Rech“ ist die spätmittelhochdeutsche Form von „Reh“, dem Wappentier der Familie. Namensträger „Fugger vom Reh“ gibt es hingegen nicht.
Die Fugger heute
In Schwaben sind heute noch die drei Familien Fugger ansässig:
- die Fürsten Fugger von Glött auf Schloss Kirchheim
- die Grafen Fugger-Kirchberg auf Schloss Oberkirchberg bei Ulm
- die Fürsten Fugger-Babenhausen auf Schloss Babenhausen und auf Schloss Wellenburg bei Augsburg.[11]
Film
- Vom Webstuhl zur Weltmacht. Fernsehfilm in 6 Teilen, D 1982–1983, Drehbuch: Leopold Ahlsen, Regie: Heinz Schirk, deutsche Erstausstrahlung: 25. Juli 1983 (ARD).
- Die Fugger. Dokumentation in 4 Teilen, D 2003, Drehbuch: Günter H.G. Raum, Regie: Peter Irion.
- Die Fugger. Doku-Drama in 2 Teilen, D 2012, Drehbuch und Regie: Werner Köhne, deutsche Erstausstrahlung: 24. März 2012 (arte).
- Die Fugger im Silberreich, zweiteilige Dokumentation über den Silber- und Kupferabbau in Tirol (siehe: Schwazer Bergbau), ORF & 3sat 2021
Literatur
- Otto Hermann Brandt: Die Fugger. Geschichte eines deutschen Handelshauses. Diederichs, Jena 1928.
- Mark Häberlein: Die Fugger: Geschichte einer Augsburger Familie (1367–1650). Kohlhammer, Stuttgart 2006, ISBN 3-17-018472-5.
- Mark Häberlein: Aufbruch ins globale Zeitalter : die Handelswelt der Fugger und Welser. Darmstadt: wbg, 2016. ISBN 380623342X.
- Franz Herre: Die Fugger in ihrer Zeit. 12., neu illustrierte Auflage. Wißner, Augsburg 2005, ISBN 3-89639-490-8.
- Martin Kluger: Die Fugger in Augsburg. Geschäfte mit Kirche und Kaiser context verlag Augsburg | Nürnberg, Augsburg 2020, ISBN 978-3-946917-22-9.
- Martin Kluger, Wolfgang B. Kleiner (Fotos): Die Fugger. Die deutschen Medici in und um Augsburg. Geschichte und Sehenswürdigkeiten, herausgegeben von Regio-Augsburg-Tourismus. Context, Augsburg 2009, ISBN 978-3-939645-13-9. (Reise-Taschenbuch)
- Christian Meyer: Chronik der Familie Fugger vom Jahre 1599. Selbstverlag, München 1902. Digitalisat
- Günter Ogger: Kauf dir einen Kaiser. Droemer-Knaur, München 1978, ISBN 3-426-05607-0.
- Harald Parigger: Fugger und der Duft des Goldes: Die Entstehung des Kapitalismus. Illustriert von Klaus Puth. Arena, Würzburg 2009, ISBN 978-3-401-05992-1. (Jugendbuch)
- Hans Jürgen Rieckenberg: Fugger, Grafen. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 5, Duncker & Humblot, Berlin 1961, ISBN 3-428-00186-9, S. 707–710 (Digitalisat).
- Ute Monika Schwob: Fugger. In: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Band 1, München 1974, S. 554–557.
Siehe auch
Weblinks
- Werke über die Fugger in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Quellen zur Geschichte der Familie Fugger im Kulturportal bavarikon
- Fugger.de
- Hans Fugger, Weber in Augsburg seit 1367, Bürger 1370
- Dominik Huber: Die Fugger. (PDF; 318 kB)
Einzelnachweise und Anmerkungen
- ↑ Ein „Fucker“ war ein Schläger, Drescher; so steht das Verb „fucken“ für schlagen oder dreschen, verwandt mit dem englisch Varianten „to fuck“; gemeint war jeweils „Heu dreschen“.fugger.de
- ↑ Max Jansen: Die Anfänge der Fugger. BoD – Books on Demand, Bremen 2013, ISBN 978-3-95580-098-7, S. 8.
- ↑ Götz Freiherr von Pölnitz: Jakob Fugger: Quellen und Erläuterungen. Band 2, Mohr Siebeck, Tübingen 1951, S. 1.
- ↑ Mark Häberlein: The Fuggers of Augsburg: Pursuing Wealth and Honor in Renaissance Germany. (= Studies in early modern German history). University of Virginia Press, 2012, ISBN 978-0-8139-3244-6, Kapitel The Fugger family in late medieval Augsburg
- ↑ Holger Hühn, Martin Holland, Isabella Fetzer: contentplus city guide Augsburg. epubli, 2012, ISBN 978-3-8442-3414-5 (books.google.de).
- ↑ Richard Ehrenberg: Das Zeitalter der Fugger. Georg Olms Verlag, 1922, ISBN 978-3-487-40062-4, S. 92 (books.google.de).
- ↑ Dagmar Klose: Freiheit im Mittelalter am Beispiel der Stadt. Universitätsverlag Potsdam, 2009, ISBN 978-3-940793-95-9, S. 120 (books.google.de).
- ↑ Martin Kluger: Fugger – Italien. Geschäfte, Hochzeiten, Wissen und Kunst. Geschichte einer fruchtbaren Beziehung. Context, Augsburg 2010, ISBN 978-3-939645-27-6.
- ↑ Peter Geffcken: Fugger – Geschichte einer Familie: „Die Handelsherren mit dem Dreizack“. In: DAMALS. 7/2004.
- ↑ Zum Begriff „rittermäßiger Adelsstand“ siehe die Erläuterung zu Ritterstand bei adelsrecht.de
- ↑ 600 Jahre Fugger in Schwaben www.fugger.de, abgerufen am 12. September 2022