Günther Sacksofsky

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Günther Sacksofsky (* 24. September 1901 in Mannheim; † 1983 in Heidelberg) war ein deutscher Polizeibeamter, Jurist und Polizeipräsident in Mannheim, Freiburg, Mulhouse und Chemnitz zur Zeit des Nationalsozialismus sowie SS-Standartenführer.

Kindheit und Eltern

Günther Sacksofsky wurde am 24. September 1901 als eines der vier Kinder von Karl Friedrich Viktor Sacksofsky und dessen Ehefrau Paula Sacksofsky in Mannheim geboren.[1] Günther Sacksofskys Vater, Karl Friedrich Viktor Sacksofsky, geboren am 24. Januar 1868 in Elgenhausen im Kreis Kassel, war Oberleutnant im 2. Badisches Grenadier-Regiment „Kaiser Wilhelm I.“ Nr. 110 in Mannheim. Er heiratete am 2. Oktober 1897 in Mannheim Paula Amalia Benedicta Zeroni, eine Frau aus der gehobenen Mannheimer Gesellschaft.[2] Karl Friedrich Viktor Sacksofsky nahm als Soldat am Ersten Weltkrieg teil und fiel am 30. Oktober 1914 als Major vor Langemark in Flandern, Belgien.[3]

Schule, Studium und Heirat

Günther Sacksofsky besuchte von 1907 bis Ostern 1911 die Volksschule in Saarbrücken und von Ostern 1911 bis Ostern 1914 das Gymnasium in Saarbrücken.[4] In der Folge nahm er ein Studium der Rechtswissenschaften an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg auf. Die 1. juristische Staatsprüfung legte er im Spätjahr 1925, die 2. juristische Staatsprüfung im Spätjahr 1928 ab.[5] Laut eigenen Angaben war Sacksofsky während der Weimarer Republik zeitweise in der Schwarzen Reichswehr aktiv[6] und nahm 1923 am Küstriner Putsch teil.

Am 14. April 1928 heiratete Günther Sacksofsky Anna, genannt Ännchen, Sacksofsky, Tochter des Hauptmanns Karl Tschepke und dessen Ehefrau Emma geb. Bassermann, mit der er vier Kinder hatte.[7]

Beruflicher Werdegang

Günther Sacksofsky wurde im Dezember 1928 in den Dienst der inneren Verwaltung des Landes Baden übernommen und arbeitete beim Bezirksamt Villingen. Mit Wirkung vom 1. Juli 1930 wurde Sacksofsky an das Bezirksamt in Mannheim versetzt und übernahm dort die Nachfolge des zum Landrat ernannten Regierungsrats Rudolf Binz im Bezirksamt Polizeidirektion Mannheim. Am 19. Februar 1931 erfolgte seine planmäßige Ernennung zum Regierungsrat. Im Polizeipräsidium Mannheim war Sacksofsky zunächst Abteilungsvorstand.

Günther Sacksofsky trat am 1. Mai 1933 in die NSDAP (Mitgliedsnummer 3.104.244) und im selben Jahr auch in die Allgemeine SS (Mitgliedsnummer 111.868) ein.[8] Vom 18. März bis 4. Oktober 1933 war Sacksofsky nach dem Weggang des Mannheimer Polizeipräsidenten Jakob Bader kommissarischer Leiter des Polizeipräsidiums Mannheim, bevor er zum Polizeipräsidium Karlsruhe versetzt wurde.[9] Am 2. Oktober 1933 wurde Sacksofsky in Anwesenheit des badischen NS-Innenmisters Karl Pflaumer als Mannheimer Polizeipräsident verabschiedet und übergab das Amt an seinen Nachfolger Hermann Ramsperger.[10]

Sacksofsky wurde zum Polizeipräsidium Karlsruhe versetzt und war dort Abteilungsvorstand und Stellvertreter des Polizeipräsidenten. Ab dem 21. Februar 1934 wurde er als Hilfsreferent im badischen Innenministerium eingesetzt.

Zum 1. August 1934 wurde Sacksofsky zur Polizeidirektion Freiburg versetzt und war dort zunächst Behördenleiter, bevor der Reichsstaathalter in Baden Robert Wagner ihn mit Entschließung vom 27. Juni 1934 und Wirkung vom 1. August 1934 zum Polizeidirektor in Freiburg ernannte.[11] Am 30. Januar 1939 wurde Günther Sacksofsky zum Obersturmbannführer im Stab des SS-Abschnitts XIX Karlsruhe ernannt und anlässlich des 50. Geburtstags Adolf Hitlers durch den Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei Heinrich Himmler mit dem Ehrendegen der SS als besonders förderungswürdig ausgezeichnet.[12] Nach der deutschen Besetzung Frankreichs im Juni 1940 übernahm Sacksofsky, neben seiner Tätigkeit als Polizeidirektor von Freiburg, auf Weisung des Chefs der Zivilverwaltung im Elsass und mit Zustimmung des Reichsführers SS, am 3. Juli 1940 auch die Leitung der staatlichen Polizeiverwaltung in Mulhouse.[13] Am 1. August 1941 wurde Sacksofsky zum Polizeipräsidenten von Freiburg ernannt und im Spätjahr 1941 als Polizeipräsident nach Mulhouse versetzt.[14]

In seiner Eigenschaft als Polizeipräsident von Freiburg leitete Sacksofsky zu Kriegsbeginn ein Strafverfahren gegen die Ehefrau des Freiburger Oberbürgermeisters Franz Kerber wegen Bevorratung von bewirtschafteten Waren in großem Umfang ein. Trotz des Appells von Gauleiter Robert Wagner, das Verfahren fallen zu lassen, kam es zu einer Verurteilung mit einer Geldstrafe.[15] Sacksofsky war nach einem Urteil der Spruchkammer Heidelberg vom 29. Juli 1948 offensichtlich „nie bereit, seine verwaltungsdienstlichen Pflichten, an welche er den strengsten Maßstab juristischer und dienstlicher Korrektheit anlegte, den parteilichen Interessen unterzuordnen.“[16]

Am 1. Juli 1942 wurde gegen Sacksofsky, der am 1. Januar 1942 zum SS-Standartenführer befördert worden war, durch den HSSPF in Stuttgart, SS-Gruppenführer Kurt Kaul, ein Kriegsgerichts- und Disziplinarverfahren wegen des Vorwurfs des Ankaufs verbotener Lebensmittel und somit der Untergrabung des Widerstandswillens, sowie wegen angeblicher homosexueller Neigungen eingeleitet.[17] Kurt Kaul, ein Freund des Freiburger Oberbürgermeisters Kerber, wollte sich damit offenbar dafür revanchieren, dass Sacksofsky zuvor, trotz Androhung eines SS-Disziplinarverfahrens, ein Strafverfahren gegen die Ehefrau von Kerber eingeleitet hatte.[18] Zum 20. Juni 1942 wurde Sacksofsky auf Anordnung des badischen Gauleiters Robert Wagner mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert[19] und ihm das Tragen der SS-Uniform untersagt.[20] Trotz seiner Suspendierung wurden Sacksofsky die Planstelle beim Polizeipräsidium Mulhouse belassen und seine Dienstbezüge weiterhin gewährt, seine Freiburger Dienstwohnung musste er auf Weisung des badischen Innenministeriums und des Landeskommissärs im Juli 1942 räumen.[21] Mit Hilfe von Kurt Bader, den Sacksofsky aus seiner Zeit beim Polizeipräsidium Mannheim kannte und der inzwischen als Ministerialdirigent im Reichsministerium des Inneren tätig war, konnte das Verfahren gegen Sacksofsky SS-Gruppenführer Kaul entzogen werden und der unabhängigen Prüfung durch das SS- und Polizeigericht Metz zugewiesen werden[22], das Sacksofsky letztendlich wegen erwiesener Unschuld freisprach. Kurt Kaul wurde am 21. April 1943 seines Amtes enthoben und zum SS-Sturmbannführer degradiert.[23] Trotz der Rehabilitierung durch das SS- und Polizeigericht wurde Sacksofsky von Gauleiter Robert Wagner aus der NSDAP ausgeschlossen, da er das Verfahren gegen sich mit seinem Einspruch in die Länge gezogen habe und daher nicht mehr würdig sei, Mitglied der NSDAP zu sein.[24] Gegen seinen Parteiausschluss legte Sacksofsky keinen Widerspruch ein, wodurch dieser rechtskräftig wurde.[25] Eine Weiterbeschäftigung in Baden unter Gauleiter Wagner war unter den gegebenen Umständen nicht mehr möglich.

Sacksofsky wurde daher zum 1. November 1943 als Polizeipräsident zum Polizeipräsidium Chemnitz versetzt und am 1. Juli 1944 in die Planstelle eines Polizeipräsidenten eingewiesen.[26] Sacksofsky war in Chemnitz in seiner Eigenschaft als Polizeipräsident auch für das dem Polizeipräsidium angeschlossene Gefängnis und die dort inhaftierten Fremdarbeiter verantwortlich, während seiner Dienstzeit kam es zu Misshandlungen der Gefangenen durch die Gestapo, eine persönliche Verantwortung wurde von Sacksofsky bestritten.[27] Am 7. März 1945 wurde Sacksofsky das Kriegsverdienstkreuz mit Schwertern verliehen, welches er laut eigenen Angaben aufgrund seiner Verdienste um den Luftschutz in Chemnitz erhielt.[28]

Nach 1945

Günther Sacksofsky geriet am 7. Mai 1945 in amerikanische Kriegsgefangenschaft und war bis zum 16. April 1948 in Darmstadt interniert.[29] Laut Urteil der Spruchkammer in Heidelberg vom 28. Juli 1948 wurde Sacksofsky als Mitläufer eingestuft. Nach seiner Entlassung wurde er im Mai 1949 zunächst als Rechtsanwalt am Landgericht Heidelberg[30] und zum Richterdienst beim Oberversicherungsamt Karlsruhe von Mitte 1950 bis Mitte 1951 zugelassen. Obwohl Sacksofsky nach dem Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen Anspruch auf eine Planstelle hatte, die seiner letzten Besoldungsstufe vor 1945 entsprach, wurde sein Rechtsanspruch diesbezüglich bei seiner Wiedereinstellung in den öffentlichen Dienst nicht berücksichtigt.[31] Sacksofsky klagte wiederholt gegen das Land Baden-Württemberg, welches durch ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Karlsruhe vom 18. Januar 1963 verpflichtet wurde, Sacksofsky ab 1. Oktober 1961 die Bezüge nach der Besoldungsgruppe A 16 als leitenden Regierungsdirektor zu gewähren.[32] Sacksofsky trat am 30. September 1966 in den gesetzlichen Ruhestand und verstarb 1983 in Heidelberg.[33]

Literatur

  • Eberhard Stegerer: Karrieren im Führungsbereich der badischen Polizei im „Dritten Reich“. Umbruch und personelle Kontinuitäten 1933 und 1945, Göttingen 2019.
  • Eberhard Stegerer: Die badischen Revier- und Gendarmeriebeamten im „Dritten Reich“. Tägliche Praxis im Bereich des Landeskommissärs Freiburg und NS-Ideologie, 2018.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl., Geburtsurkunde GLA 466-2 Nr. 9037.
  2. Nr. 868/1897 Standesamt Mannheim-Stadt.
  3. Lebenslauf Sacksofsky vom 10. August 1925 GLA 466-2 Nr. 9037.
  4. Lebenslauf Sacksofsky vom 10. August 1925 GLA 466-2 Nr. 9037.
  5. Abt. Staatsarchiv Freiburg A 9571 Nr. 252 Bild 10.
  6. Vgl., Abt. Staatsarchiv Freiburg A 9571 Nr. 252 Bild 3.
  7. Abt. Staatsarchiv Freiburg A 95/1 Nr. 252 Bild 14.
  8. VGL., BA Berlin NSDAP-Gaukartei (ehem. BDC), Mitglieds-Nr. 3104244.
  9. Vgl., Eberhard Stegerer; Karrieren im Führungsbereich der badischen Polizei im „Dritten Reich“. Umbruch und personelle Kontinuität 1933 und 1945, Göttingen 2019, S. 140.
  10. Vgl., Badische Presse/ Morgen-Ausgabe Mittwoch, den 4. Oktober 1933 Nr. 461. Seite 3.
  11. Vgl., GLA Karlsruhe 233 Nr. 24638.
  12. Vgl. FZ (Freiburger Zeitung) vom 22. April 1939, BI. 1, S. 3.
  13. Vgl., GLA Karlsruhe 233 Nr. 24638.
  14. Vgl. Dienstlaufbahn Sacksofsky GLA 466-2 Nr. 9036.
  15. Vgl., GLA Karlsruhe 466-2 Nr. 9026.
  16. Zit. n. GLA Karlsruhe 472, Zugang 1986-70, Nr. 846.
  17. Vgl., GLA Karlsruhe 466-2 Nr. 9026 (Personalakte Sacksofsky).
  18. Vgl., GLA Karlsruhe 466-2 Nr. 9026.
  19. Vgl., GLA Karlsruhe 466-2 Nr. 9026 (Personalakte Sacksofsky).
  20. Vgl., BA Berlin VBS 286 Nr. 6400037915 (SS-Führer-Personalakte und Karteikarte).
  21. Vgl., GLA Karlsruhe 4662-Nr. 9026.
  22. Vgl. GLA Karlsruhe 466-2 Nr. 9026.
  23. Eberhard Stegerer: Karrieren im Führungsbereich der badischen Polizei im „Dritten Reich. Umbruch und personelle Kontinuitäten 1933 und 1945“, S. 142
  24. Eberhard Stegerer: Karrieren im Führungsbereich der badischen Polizei im „Dritten Reich“. Umbruch und personelle Kontinuitäten 1933 und 1945, S. 142.
  25. Eberhard Stegerer: Karrieren im Führungsbereich der badischen Polizei im „Dritten Reich“. Umbruch und personelle Kontinuitäten 1933 und 1945, S. 142.
  26. Eberhard Stegerer: Karrieren im Führungsbereich der badischen Polizei im „Dritten Reich“. Umbruch und personelle Kontinuitäten 1933 und 1945, S. 142.
  27. Vgl., GLA Karlsruhe 465 q Nr. 38474.
  28. GLA Karlsruhe 466-2 Nr. 9026.
  29. GLA Karlsruhe 465 q Nr. 38474.
  30. Vgl., GLA Karlsruhe 466.2 Nr. 9036.
  31. Eberhard Stegerer: Karrieren im Führungsbereich der badischen Polizei im „Dritten Reich“. Umbruch und personelle Kontinuitäten 1933 und 1945, S. 143.
  32. Eberhard Stegerer: Karrieren im Führungsbereich der badischen Polizei im „Dritten Reich“. Umbruch und personelle Kontinuitäten 1933 und 1945, S. 143.
  33. Vgl. StadtAF Freiburg K1/49, Teil 1, D und GLA Karlsruhe 466-2 Nr. 9025-9037, sowie GLA Karlsruhe 472, Zugang 1986-70, Nr. 846 (Personalakten Sacksofsky).