Gadamer & Jäger

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Gadamer & Jäger war ein bedeutender deutscher Zündholzhersteller in Dittersbach bei Waldenburg (Provinz Schlesien; später Provinz Niederschlesien).[1][2]

Geschichte

Gadamer & Jäger wurde am 1. September 1869 vom Unternehmer und Waldenburger Stadtrat Oskar Gadamer und dem Maurermeister und späterem Steinkohlebergwerksbesitzer Carl Jäger gegründet und aufgrund der Verfügung vom 2. September am 3. September 1869 in das Firmenverzeichnis des zuständigen Königlichen Kreisgerichts eingetragen.[3]

Im Jahresberichte der Handelskammern und kaufmännischen Korporationen des preußischen Staats: 1869 war zu lesen, dass es Gadamer & Jäger gelang, dem Standard der schwedischen Sicherheitszündhölzer (Gustaf Erik Pasch und Karl Frantz Lundström ersetzten 1844 weißen Phosphor vollständig durch roten Phosphor) gegenüber ein gleichwertiges Produkt zu entwickeln und wesentlich kostengünstiger auf den Markt zu bringen als die importierten Waren.[4] Den Jahresberichten der Handelskammern und kaufmännischen Korporationen des Preußischen Staats für 1871 ist zu entnehmen, dass es den beiden „hauptsächlich fabrizierenden“ schlesischen Fabriken besagter Sparte Gadamer & Jäger sowie Gierth & Ergmann in Paczków 1871 nur gelang, die Hälfte der Produktion in Deutschland abzusetzen, während die andere Hälfte an Ostindien, China, Japan und Südamerika ging, wo damals große Nachfrage nach sogenannten „Schwedischen Hölzern“ bestand.[5] Das ursprünglich als „Zündwarenfabrik“ registrierte Unternehmen[3], wurde um 1896 als „chemische Fabrik“ geführt.[6]

Im Rahmen der Weltausstellung 1873 in Wien erhielt Gadamer & Jäger von der internationalen Jury ein Anerkennungsdiplom[7][8] und wurde 1887 im Österreichischen Markenanzeiger als Marke geführt.[9] Bereits 1882 hatte die Firma Markenschutz auf drei Zündholzarten.[10] Im gleichen Jahr publizierte „Oscar Gadamer“ in der Monatschrift Chemische Industrie einen Artikel über Neuerungen über Zündholzeinlegemaschinen.[11] 1883 meldete Gamader das zugehörige Deutsche Patent (D.P.) Nr. 19491 an.[12] 1883 bat Gadamer & Jäger auch um Zollfreiheit für Espenholz.[13]

Auch bei der Centennial Exhibition 1876 in Philadelphia war Gadamer & Jäger zugegen.[14] Aus dem Jahre 1886 sind Verhandlungen des Unternehmens mit dem Gewerbeverein St. Gallen in der Schweiz dokumentiert.[15] Eine Mitgliedschaft im Verein zur Wahrung der Interessen der Chemischen Industrie Deutschlands (jetzt Verband der Chemischen Industrie) im Jahr 1879 ist ebenfalls dokumentiert.[16]

Gadamer & Jäger bekam 1909 die Steuernummer für Zündwarenproduzenten Nummer „68a“.[17] 1929 (Weltwirtschaftskrise) erwarb die Mitteldeutsche Zündholzfabriken AG in Hamburg auch das Unternehmen Gadamer & Jäger und verpachtete es an die Stahl & Nölke AG.[18] Ein Jahr später erließ der Reichstag das Zündwarenmonopol.

Regionalgeld

Gadamer & Jäger gab auch Regionalgeld heraus. In Piotr Kalinowskis 2011 herausgegebenem Buch über Geld der Stadt Wałbrzych ist eine 1000-Mark-Münze (Marek) mit der Aufschrift „Gadamer & Jäger – Waldenburgs Tändsticksfabrik“ abgebildet.[19]

Die Gründer

Oskar Gadamer, auch Oscar Gadamer, (* 6. August 1831 in Ober Gläsersdorf, Landkreis Lüben; † 2. Juli 1887 in Waldenburg) war ein deutscher Unternehmer und Stadtrat.[20]

Oskar Gadamer war der Großvater des Philosophen Hans-Georg Gadamer und der Vater des Chemikers Johannes Gadamer, der aus seiner Ehe mit Anna Gadamer, geborene Puschmann (1832–1909), stammte. Er selbst war ursprünglich katholischen Glaubens, konvertierte aber vermutlich anlässlich seiner Hochzeit zum evangelischen Glauben. So schrieb sein Sohn Johannes 1895 in seiner Dissertation, dass er „im evangelischen Glauben“ erzogen wurde.[21]

Oskar Gadamer starb laut damaligen Todesanzeigen seiner Angehörigen am 2. Juli 1887 morgens um 4:30 Uhr nach langem, schwerem Leiden im Alter von 55 Jahren.[22]

Carl Jäger, auch Karl Jäger[23], war gelernter Maurermeister, Unternehmer und Stadtrat. Zudem war er Vorstandsmitglied der Sektion Schlesien der Ziegelei-Berufsgenossenschaft.[24]

Jäger gründete in Waldenburg das Hoch- und Tiefbauunternehmen Carl Jäger & Sohn.[25] Neben der Gründung von Gadamer & Jäger war er auch Eigentümer der Waldenburger Firma Jägers-Zubehör. Eine Bergwerksverleihung zur Steinkohlegewinnung auf einem knapp 211 ha großen Feld in Gaablau und Liebersdorf (Kreis Landeshut) am 28. Juni 1873 auf Mutung vom 21. Dezember 1871 dieser Firma ist im Amtsblatt der Preußischen Regierung zu Liegnitz vom 19. Juli 1873 dokumentiert.[26]

Über die Baufirma Carl Jäger & Sohn ist unter anderem dokumentiert, dass sie vom Vorsitzenden des Kunstgewerbe-Vereins für Breslau und die Provinz Schlesien, dem königlichen Hofmalermeister Hans Rumsch, zur unentgeltlichen Mitarbeit und Errichtung zweier Bauten im Rahmen der Sonderausstellung des Kunstgewerbevereins in Breslau 1904 gewonnen werden konnte.[27] Die Firma gehörte zur Zeit des Nationalsozialismus zu den Bauunternehmen, die mit dem Bau von Behelfsheimbauten für das Deutsche Wohnungshilfswerk beauftragt wurden.[28]

Einzelnachweise

  1. Gadamer & Jäger, Dittersbach / Waldenburg (D170), http://www.zuendholzschachteln.de.
  2. Eintrag Firma Gadamer und Jäger in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft - Ergänzungsheft, Bände 44–48, H. Laupp'sche Buchhandlung, 1912, S. 136. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
  3. a b Königlich Preußischer Staats-Anzeiger: 1869, 7–9, S. 3538, Decker, 1869.
  4. Jahresberichte der Handelskammern und kaufmännischen Korporationen des preußischen Staats: 1869. v. Decker, 1870, S. 393.
  5. Jahresberichten der Handelskammern und kaufmännischen Korporationen des Preußischen Staats für 1871. [Beilage zum Jahrgang 1872 des Preußischen Handels-Archivs], Königliche Geheime Hof-Buchdruckerei, Berlin 1872, S. 266.
  6. Nikolaus Heinrich Schilling, Eugen Schilling: Dr. N.H. Schilling's Statistische Mittheilungen über die Gasanstalten Deutschlands. R. Oldenbourg, 1896, S. 348.
  7. Amtliches Verzeichniss der Aussteller, welchen von der internationalen Jury Ehrenpreise zuerkannt worden sind: Weltausstellung 1873 in Wien Verlag der General-Direction, 1873, S. 82.
  8. Amtlicher Katalog der Ausstellung des Deutschen Reiches., Königliche Geheime Ober-Hofbuchdruckerei, 1873, S. 131.
  9. Österreichischer Markenanzeiger, 1887, S. 287.
  10. Chemiker-Zeitung, Band 2. 1882, S. 840.
  11. Die Chemische Industrie, Band 5., 1882, S. 356.
  12. R. Gaertner: Neuerungen über Zündholzeinlegemaschinen. In: Chemisch-technisches Repertorium, Band 21. 1883, S. 179.
  13. Verhandlungen des Reichstags, Band 73. Norddeutsche Buchdruckerei und Verlags-Anstalt, 1883, S. 1046.
  14. International Exhibition, 1876: Official Catalogue, Teil 4. J. R. Nagle, 1876, S. 317.
  15. Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleißes, Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes, 1886, S. 9.
  16. Die Chemische Industrie, Band 2. Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie, Verlag Chemie, 1879, S. 105.
  17. Die in Deutschland für Zündwarenproduzenten vergebenen Steuernummern, www.zuendholzetiketten.de.
  18. Rudolf Gunzert, Bernhard Benning, Edmund Veesenmayer: Effektenbörse und Volkswirtschaft. Effektenmarkt und Konjunktur. Fischer, Jena 1929, S. 27.
  19. Piotr Kalinowski: Pieniądz miasta Wałbrzych, Verlag PK, 2011, S. 52. ISBN 8-361-75594-2 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
  20. Lebensdaten in: Jean Grondin: Hans-Georg Gadamer - Eine Biographie. 1999, S. 17. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
  21. Johannes Gadamer: Beiträge zur Kenntnis des Thiosinamins und seiner Halogenadditiionsproducte. [Diss.], Universität Marburg, 1895, S. 90.
  22. No. 45/1887, Todesanzeige unter: Ahnenforschung.net.
  23. D.P.A. 26642 „Neuerungen an Coksöfen“ vom 18. November 1880.
  24. in: Tonindustrie-Zeitung, Band 28, Teil 1, 1904, S. 867.
  25. Firmeneinträge, z. B. in: Deutsche Bau-Zeitung, Band 26, Kommissionsverlag von Carl Beelitz, 1892, S. 596 und in: Tonindustrie-Zeitung, Band 37, 1913, S. 541.
  26. Verordnungen und Bekanntmachungen verschiedener Behörden. In: Amts-Blatt der Preußischen Regierung zu Liegnitz, Nr. 29, Regierung zu Liegnitz, 19. Juli 1873, S. 2.
  27. in: Jerzy Ilkosz, Beate Störtkuhl (Hrsg.): Hans Poelzig in Breslau. Architektur und Kunst 1900–1916. Muzeum Architektury we Wrocławiu (Hrsg.), Aschenbeck & Holstein, Delmenhorst 2000, S. 357. ISBN 3-932-29230-8.
  28. Frank Stier: Kriegsauftrag 160. Behelfsheimbau im Ghetto Litzmannstadt (Łódź) und im KZ-Außenlager Königs Wusterhausen durch das Deutsche Wohnungshilfswerk. Ausg. 2, Verlag Willmuth Arenhövel, Berlin 1999, S. 53. ISBN 3-922-91247-8.