Gelatiere

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Nachbau einer italienischen Eisdiele

Gelatiere (Mz. Gelatieri), auch Gelataio, ist die italienische und vielfach auch in anderen Ländern gebräuchliche Bezeichnung für einen alten Handwerksberuf in der Gastronomie. Gelatieri befassen sich mit der handwerklichen Herstellung von Speiseeis sowie mit dessen Vertrieb in Eisdielen, Eiscafés oder Eissalons und im ambulanten Verkauf. Traditionell werden Eisdielen als Familienunternehmen geführt und befinden sich zumeist bis in die Gegenwart sowohl in Italien als auch im Ausland im Besitz einer Reihe von italienischen Familien, die ursprünglich aus den Dolomiten stammen.

Im deutschen Sprachraum wird der Beruf auch als Eismacher bezeichnet, während der ambulante Eisverkäufer umgangssprachlich als Eismann bekannt ist. In Deutschland bestand von 2008 bis 2014 eine zweijährige Berufsausbildung zum Speiseeishersteller und von 2014 bis 2019 eine dreijährige Ausbildung zur damals so benannten Fachkraft für Speiseeis.

Arbeitsplätze für Gelatieri und Speiseeishersteller usw. finden sich zudem in der Speiseeisindustrie.

Tal der Gelatieri

Rund zwei Drittel der 4.000 Eisdielen-Besitzer in Deutschland kommen aus dem „Val di Zoldo“ sowie dem benachbarten „Val di Cadore“ in den Dolomiten, die beide als „Tal der Gelatieri“ gelten (Stand 2010). Ab Ende des 19. Jahrhunderts wanderten Bauern aus dem damals armen Belluno ins nördlichere Europa aus, um dort Eiscafés zu eröffnen, da sie vom Verkauf ihrer Agrarprodukte nicht mehr leben konnten, und die Geschäfte der traditionellen Gewerbe Holz- und Nagelherstellung eingebrochen waren. Der Überlieferung nach sollen sie ihre Fertigkeiten von einem Sizilianer erlernt haben. Zur Kühlung des Speiseeises wurde damals Eis von den Gletschern verwendet.

Ausbreitung in Europa

1865 wanderte der erste Gelatiere aus Zoppè di Cadore nach Wien aus und erhielt die Genehmigung, einen Eiswagen im Wiener Prater aufzustellen. Um die einheimischen Händler zu schützen, verweigerten die Wiener Behörden später den Italienern den Gewerbeschein für den ambulanten Handel. So waren die Gelatieri gezwungen, Geschäftslokale anzumieten, die sie mit Bänken und Petroleumlampen ausstatteten: Das Eiscafé (ital.: Gelateria) war geboren. Von Wien als Ausgangspunkt schwärmten die Eismacher nach 1880 über Mitteleuropa aus.[1]

Gelatieri in Deutschland

Eissorten in einer italienischen Eisdiele

Die beiden Weltkriege bedeuteten Rückschläge für ihre Geschäfte, nachdem sich die Gelatieri zwischen den Kriegen in Deutschland besonders an Rhein und Ruhr angesiedelt hatten, wobei das deutsch-italienische Bündnis dies ab den 1930er Jahren begünstigte. Nach dem Bruch der Achse im Jahre 1943 verließen fast alle Gelatieri Deutschland, viele kamen jedoch in den Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs in den 1950er Jahren zurück. Noch heute gibt es im Ruhrgebiet besonders viele italienische „Eisdielen“; der Name entstand, weil die Gelatieri ihr Eis anfangs aus eigenen Wohnungen im Erdgeschoss verkauften.[2] Damit die Kundschaft an die Öffnung heranreichen konnte, befestigten sie Holzbretter – Dielen – unter den Fenstern.

Heutige Situation

Früher verbrachten die Gelatieri-Familien die sommerliche Saison in Deutschland, den Winter jedoch in ihrer Heimat, und die Eiscafés wurden ca. Mitte Oktober geschlossen. Diese Tradition hat sich mit der dritten und jüngeren Generationen teilweise verändert: Die jüngeren Familienmitglieder fühlen sich nicht mehr so stark der Heimat verbunden. Zudem wollen viele Italiener nicht mehr das Eiscafé der Familie übernehmen; diese werden zunehmend von Deutschen oder Angehörigen anderer Nationalitäten betrieben. Im Gegensatz zu früher wird auch im Winter Eis gegessen, so dass es sich lohnt, die Eisdielen geöffnet zu halten. Andererseits ist der Kostendruck so gestiegen, dass viele Eisdielen ganzjährig geöffnet bleiben und auch kleine Speisen anbieten müssen, um rentabel zu bleiben.

Die Gelatieri haben sich 1969 in der „Union der italienischen Speiseeishersteller in Deutschland e. V.“ (Uniteis) zusammengeschlossen.[3] 2009 hatte der Verband rund 1.500 Mitglieder mit 2.200 Eiscafés. Alljährlich im November findet seit 1959 in Longarone am Fuße des Zoldo-Tals die große Eis-Fachmesse „Mostra Internazionale del Gelato Artigianale“ statt.[4]

Bekannte Gelatieri

Ein prominenter „Gelatiere“ war der Kölner Nevio De Zordo, der als Bobfahrer 1972 in Sapporo bei den Olympischen Winterspielen eine Silbermedaille errang und zweimal Weltmeister wurde.[5]

Einzelnachweise

  1. Uniteis.com: „Eispioniere – die italienischen Gelatieri“ (Memento vom 14. September 2012 im Webarchiv archive.today)
  2. dieruhr.de: „Wie das Eis ins Ruhrgebiet kam“
  3. Uniteis.com (Memento des Originals vom 24. Juli 2008 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.uniteis.com
  4. Mostra del Gelato
  5. Zeit.de vom 11. Oktober 2007: „Sportlicher Gastronom“@1@2Vorlage:Toter Link/www.zeit.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.

Literatur

  • Donata Panciera, Paolo Lazzarin, Tarcisio Caltran (1999): La storia del gelato. Dall'epopea dei gelatieri alla Mostra Internazionale del Gelato/Wie das Eis entstand. Vom Zeitalter der Speiseeiserzeuger zur Internationalen Speiseeismesse. (ital./dt.). Cierre Edizioni. Caselle di Sommacampagna (VR), Italien. ISBN 978-8-8831-4046-4.

Weitere Quellen