Gärbstahl

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Gärbstahl, auch Gerbstahl[1] oder Raffinierstahl, ist durch Gärben von anderen Stählen hergestellter Stahl mit dem Ziel der Homogenisierung zumindest der makroskopischen Eigenschaften. Der Herstellungsprozess beinhaltet verschiedene Schmiedetechniken.

Herstellung

Aus dem von der Eisenzeit bis zur Erfindung des Puddelverfahren verwendeten Rennofen wird durch die Verhüttung von Eisenerz und Holzkohle eine Stahlluppe aus Renneisen gewonnen. Dieses Grundmaterial ist allerdings durch die zahlreichen Einschlüsse von Schlacke, die poröse (schwammartige) Kristallstruktur und die sehr starken Schwankungen im Kohlenstoffgehalt für eine direkte Verarbeitung ungeeignet. Eine Veredelung (Raffination) des Renneisens ist nötig. Das wird durch mehrfaches Ausschmieden und Falten des Eisens und anschließendem Feuerschweißen erreicht. Anders als bei der Herstellung von Damaszener Stahl dient das Falten hier jedoch nicht der Erzeugung einer Schichtstruktur (Muster) zweier Stähle oder Nichteisenmetalle (z. B. Mokume-Gane) mit verschiedenen Eigenschaften, sondern nur der Homogenisierung des Materials. Nach dieser Veredelung sind die Einschlüsse entfernt und der Kohlenstoffgehalt weitgehend einheitlich. Das Material wird jetzt als Raffinierstahl bezeichnet und kann für die Weiterverarbeitung zu verschiedensten Schmiedeprodukten verwendet werden.

Die Qualität des Raffinierstahls ist stärker von den Vorprodukten und dem Können der Handwerker abhängig als der industriell in Hochöfen hergestellte Stahl, da sich durch heutige Prozesse die Anteile der Legierungselemente und die Reinheit des Materials weit besser kontrollieren lassen. So hat der Raffinierstahl heute die industrielle Bedeutung verloren.

Eigenschaften

Es kann zum Beispiel aus kohlenstoffreichen und kohlenstoffarmen Stählen durch Zusammengerben ein Werkstoff mit mittlerem C-Gehalt hergestellt werden. Dies gilt auch für Stähle mit anderen Legierungsbestandteilen.

Wiederholtes Gerben ergibt immer gleichmäßigeres Material, auch durch Diffusionsprozesse zwischen den dünner werdenden Materiallagen.

Gerbstahl erkennt man leicht, wenn durch Korrosion ein Streifenmuster hervorgerufen wird. Dies geschieht durch die unterschiedlichen Legierungsbestandteile der einzelnen zusammengegerbten Stähle oder Schienen, eine ältere Bezeichnung für Rohstahlstangen mit flachrechteckigem Querschnitt.

Eine Verwechslungsmöglichkeit besteht mit Puddle-Stahl, Puddeleisen und Renneisen, wobei diese meist auch mit dem Gerben ihre letzte Behandlung erhalten, um zum Halbzeug zu werden. So ist „Gerbstahl“ meist eine Weiterverarbeitung von Material aus dem Puddleing oder dem Rennfeuer. Es kann aber prinzipiell Material aus allen Gewinnungs- oder Verarbeitungsprozessen zu Gerbstahl werden. Häufig wurden Materialreste zusammengegerbt, um wieder nutzbare Halbzeuggrößen zu erzeugen.

Damast- und Gerbstahl im Vergleich

Damaszener Stahl hatte seine Ursprünge im damals nicht so benannten "Gerbstahl". Der Unterschied ist, dass beim Damast kohlenstoffreicher "harter" Stahl mit weichem "Eisen" (heute Baustahl oder besser das sogenannte Reineisen, auch Weicheisen genannt) durch einen Schmied feuerverschweißt wird und somit nach Erreichen der angestrebten Vermischung ein Muster entsteht, welches sich aus den unterschiedlich legierten Stählen herleitet. Dieses Muster, vergleichbar mit einer Maserung, kann ein Schmied mit großer Erfahrung gezielt steuern, wenn gewünscht. Der sogenannte wilde Damast ist der Stahl, welcher vor mehr als 2500 Jahren erfunden wurde und deutlich flexibler und schnitthaltiger war als damalige "Monostähle". Das waren die wurmbunten Schwerter aus den Sagen und historischen Briefen.

Hätten die historischen Schmiede den Damast noch weiterbearbeitet (Ausschmieden, Falten, Feuerschweißen), wäre aufgrund der Vermischung irgendwann ein Produkt herausgekommen, das dem Gerbstahl optisch gleicht – wenn auch in einer anderen Qualität. Aber das war angesichts der geringen Ausbeute damaliger Rennöfen nicht ökonomisch.

Es wurde – historisch gesehen – zunächst nicht unbedingt auf ein Muster hingearbeitet. Es war aufgrund der verschiedenen Eisenlegierungen in Bezug zum Gerbstahl einfach deutlich sichtbarer.

Die viellagigen Stähle, die zum Beispiel heute noch in Japan zu Schwertern (Katana) verarbeitet werden, gleichen dem Gerbstahl in der europäischen Geschichte. Als im 18. Jahrhundert damaszierter Stahl mit dessen Mustern mittels verschiedener Gerbstähle hergestellt werden konnte, war die einfache Variante aus Gerbstahl weniger beliebt. Die Oberflächen waren dann – nach europäischem Geschmack – trotz hervorragender Eigenschaften so „langweilig“ wie japanische Klingen.

Heutige Verwendung

Einzig Schmiede -Kunstschmiede oder Messerschmiede- die noch auf traditionelle Art und Weise arbeiten und auch auf die Verwendung der entsprechenden, historischen Materialien Wert legen, nutzen auch heute noch Raffinierstahl für ihre Arbeiten. Guter Raffinierstahl weist zum Teil bessere Eigenschaften auf als modern erzeugter, gleicher Zusammensetzung. Durch das meist stärker in eine Richtung ausgerichtete Gefüge ist die Kerbschlagzähigkeit in Querrichtung höher und in Längsrichtung geringer, was gerade bei der Herstellung von Messern oder Handwaffen erwünscht ist. Diese Anisotropie wird bei der heutigen industriellen Stahlherstellung zur weiteren Homogenisierung zu unterdrücken versucht, zum Beispiel durch Kreuzwalzen von Blechen.

Literatur

  • Japing, Eduard: Eisen und Eisenwaren. Praktische Anleitung zur Kenntnis der Darstellungs-Methoden und Eigenschaften von Eisen, Stahl und Waren aus beiden. 1. Teil Die Darstellung des Eisens und der Eisenfabrikate. Chemisch-technische Bibliothek, Band 81. A. Hartleben, Wien 1913.
  • Peter Tunner: Die Stabeisen und Stahlherstellung in Frischherden oder der wohlunterrichtete Hammermeister. Buchhandlung J. G. Engelhardt, Freiberg 1858, Band 1: 279 S., Band 2: 312 S.
  • Manfred Sachse: Damaszener-Stahl. Mythos. Geschichte. Technik. Anwendung Stahleisen-Verlag 1993, ISBN 978-3-514-00520-4
  • Gärbstahl. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 6, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig/Wien 1885–1892, S. 902.

Einzelnachweise

  1. Gerbstahl. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. 16 Bände in 32 Teilbänden, 1854–1960. S. Hirzel, Leipzig (woerterbuchnetz.de).