Herrmann Mostar

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Gerhart Herrmann)

Gerhart Herrmann Mostar, eigentlich Gerhart Herrmann, häufig auch Gerhart Hermann Mostar oder Hermann Mostar (* 8. September 1901 in Gerbitz; † 8. September 1973 in München) war ein deutscher Schriftsteller, der als Lyriker und Feuilletonist, zeitweise auch als Erzähler, Dramatiker und Kabarettist, bekannt war. Berühmt wurde er als kritischer Gerichtsreporter.

Leben

Mostar entstammt einer Lehrerfamilie; sein Vater war zudem evangelischer Kirchenmusikdirektor. Seine Gymnasialzeit verbrachte Mostar in Bernburg (Gymnasium Carolinum Bernburg) und Hamburg.

Journalist und Romanschriftsteller

Nach seiner Ausbildung zum Volksschullehrer in Quedlinburg studierte er parallel zu seiner Lehrertätigkeit Philosophie und vergleichende Sprachwissenschaft in Halle.

Ab 1921 arbeitete Mostar als Redakteur in Bochum, Berlin und München.

Während einer Vagabundenzeit auf dem Balkan Ende der 20er/Anfang der 30er Jahre legte er sich das Pseudonym Mostar zu.

Unter diesem wurde er für Romane wie Der Aufruhr des schiefen Calm (1929) oder Schicksal im Sand (1931), in denen sich bereits die humanitäre Gesinnung des Autors zeigt, bekannt.

Bücherverbrennung und Emigration

1933 flüchtete Mostar nach der Machtergreifung Hitlers aus Deutschland nach Österreich. Zuvor wurde sein Karl-Marx-Roman Der schwarze Ritter von der SPD-Parteizeitung Vorwärts, deren Mitarbeiter Mostar zeitweise war, illegal gedruckt und Abonnenten zugesandt. Bis 1938 blieb er in Österreich und schrieb beispielsweise für den Wiener Tag, die Arbeiter-Zeitung, das Kabarett Der liebe Augustin und das Kabarett ABC[1]. Nach dem Anschluss 1938 musste er nach Belgrad flüchten. Während der Zeit der Emigration verdiente er seinen Lebensunterhalt als Hauslehrer, Regisseur, Übersetzer und Journalist.

Kabarettist und zeitkritischer Stückeschreiber

Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg ging er nach Bayern und gründete dort das äußerst erfolgreiche Kabarett Die Hinterbliebenen (bis 1948).

1946 wurden seine Schauspiele Der Zimmerherr, eine Satire gegen Adolf Hitler, und das Zeitstück Meier Helmbrecht uraufgeführt. Ersteres zeigte Hitler als kleinbürgerlichen Despoten mit Hang zum Nachbarschaftsstreit (die Familie der Zimmerwirtin steht hierbei synonym für das deutsche Volk, die übrigen Nachbarn für Europa). Bereits in der Emigration hatte er das im Jahr darauf gedruckte Stück Putsch in Paris verfasst. Neben seinen in der direkten Nachkriegszeit zeitkritisch-satirischen Stücken kann Bis der Schnee schmilzt (1948) als reines Lustspiel gelten. Mit Die Geburt (1947) versuchte sich der Dramatiker Mostar zudem auch an einem weihnachtlichen Mysterienspiel.

Hörfunkautor und „Erfinder“ der Singfabel

Für den Hörfunk entwickelt Mostar bereits vor 1933 „Singfabeln“ wie Der arme Heinrich (1928) und Aucassin und Nicolette (1952) nach einem aus dem alten Frankreich stammenden Stoff. Auch schrieb er einige Hörspiele wie Pan Stjepan, Der Tanz von Cölbigk und das anrührende John Walker schreibt seiner Mutter, welches Mostar Eingang in Reclams Hörspielführer verschaffte, sowie Sendereihen (z. B. Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück; siehe nächster Abschnitt).

Bereits 1948 bearbeitete Mostar seinen Zimmerherrn als Hörspiel. In der Ausstrahlung des MDR sprach Franz Kutschera die Rolle des Adolf Hitler.

Deutschlands bekanntester Gerichtsreporter

Ab 1948 lebte Mostar in Stuttgart, wo er in größerem Umfang zu publizieren begann – er, der durch die Zeitumstände und seine Emigration ein wenig in Vergessenheit geraten war, wurde nun durch sozialkritische Gerichtsreportagen im Rundfunk einem noch breiteren Publikum bekannt. Bei Radio Stuttgart, wo er bereits zuvor eine Zeit lang als vielbeachteter Laienprediger das Wort zum Sonntag gesprochen hatte, liefen regelmäßige Sendungen, in denen er als Gerichtsreporter auftrat, die auch von anderen Sendern übernommen wurden. Mostars generell kritische Haltung den Gerichten gegenüber beschwor Skandale herauf, aufgrund derer sich schließlich sogar der Landtag für Württemberg-Hohenzollern im Juli 1949 mit dem Verhältnis von Presse und Gericht beschäftigte.

Mostars Prozessberichte, die als populärwissenschaftlich bezeichnet werden müssen, erschienen in Buchform unter anderem in Im Namen des Gesetzes (1950), Nehmen Sie das Urteil an? (1957) und Liebe vor Gericht (1961). Seine brisanteste diesbezügliche Veröffentlichung war jedoch Unschuldig verurteilt (1956), in der dreizehn Justizmorde letztlich auf die formal-juristische Rechtsprechung per se zurückgeführt wurden.

Meister der kleinen Form

Mehr und mehr wendet sich Mostar, nachdem er zunächst Romane, dann eine Zeit lang Theaterstücke verfasst hatte, der kleineren Form, dem Bericht etwa, aber auch der Anekdote, zu, z. B. in den Kritischen Kalendern ab 1960, die A. Paul Weber illustrierte. Auch erstellte er freie Übersetzungen der Epigramme des Marcus Valerius Martialis.

Auch als humoristisch-satirischer Essayist machte er jetzt auf sich aufmerksam: Die als „historische Plaudereien“ bezeichneten Weltgeschichte – höchst privat (1954) und Liebe Klatsch und Weltgeschichte (1966) sowie die Haustierliebhaber-Satire Die Arche Mostar (1969) hatten großen Erfolg.

Mit den heiteren Essays in enger Verwandtschaft stand auch seine Lyrikproduktion – die umfangreichen satirischen Versdichtungen In diesem Sinn … (1956 ff.) zeigen Mostar als Gebrauchslyriker, der in der Lage war, ganze Themenkreise, wie gutes Benehmen als Knigge II oder Jugendaufklärung als Onkel Franz pointiert in Versform abzuhandeln.

Mostars geringe Romanproduktion nach 1945 verlagert sich ebenso mehr auf einen satirisch-kritischen Schwerpunkt: Der Kleinstadtroman Und schenke uns allen ein fröhliches Herz (1953) bestach hauptsächlich durch glänzende humorvolle Passagen. Auch dieser – da episodisch angelegt – ist im Prinzip schon der kleineren Form verpflichtet.

Für die Stuttgarter Zeitung füllte Mostar, der seine Schriftstellerkarriere als Journalist begann, außerdem lange Zeit einmal wöchentlich die Hälfte der wichtigen Seite drei.

Sonstiges

In seinen letzten Lebensjahren war der Schriftsteller Mostar durch Rundfunk, Presse und Schallplatte multimedial präsent.

Mit Der schlesische Schwan betätigte Mostar sich 1953 auch als Herausgeber, indem er zu seinem Hörspiel über Friederike Kempner Das Genie der unfreiwilligen Komik die eigenartige Lyrik der unbeholfenen Dichterin auch im Buch veröffentlichte. Mit Der neue Pitaval (1963) begann er zudem zusammen mit Robert A. Stemmle eine auf etwa fünfzig Bände angelegte „Sammlung berühmter und merkwürdiger Kriminalfälle“.

Mostar starb 1973 an seinem 72. Geburtstag. Seine Grabstätte befindet sich auf dem Münchner Nordfriedhof.[2]

Wirkung

In der Bundesrepublik bald nur noch für seine Prozessberichte und heiteren Essays und Gedichte bekannt, z. T. auch als Unterhaltungsschriftsteller abgetan, nach seinem Tode kaum noch gewürdigt, wurde Mostar in der DDR als Prototyp des systemkritischen Autors im Kapitalismus hochgehalten: Man sah in seinem Werk „Demagogie, Korruption, Opportunismus, Aufrüstung und kapitalistische Ausbeutung gegeißelt“ (Lexikon deutschsprachiger Schriftsteller; 1975).

Werke

Romane

  • Der Aufruhr des schiefen Calm (1929)
  • Schicksal im Sand (1931)
  • Der schwarze Ritter (1933)
  • Und schenke uns allen ein fröhliches Herz (1953)
  • Bis die Götter vergehen (1954)

Versdichtung

  • Der arme Heinrich (1928)
  • Einfache Lieder (1947)
  • In diesem Sinn Dein Onkel Franz (1956)
  • In diesem Sinn die Großmama (1958)
  • In diesem Sinn Ihr Knigge II (1961)
  • In diesem Sinn vergnügte Messe (1962)
  • In diesem Sinn wie Salomo (1966)
  • Frech und frivol nach Römersitte (1967)

Dramatik

Schauspiel

  • Putsch in Paris (1938/1947)
  • Der Zimmerherr (1946)
  • Meier Helmbrecht (1946)
  • Die Geburt (1947)

Hörspiel

Fernsehspiel

  • John Walker schreibt an seine Mutter (1954, NWDR)

Essay, Anekdotik

  • Weltgeschichte - höchst privat (1954)
  • Bis die Götter vergehen (1954)
  • Aberglaube für Verliebte (1955)
  • Die Arche Mostar (mit Zeichnungen von Karl Staudinger) (1959)
  • Das Wein- und Venusbuch vom Rhein (1960)
  • Spiel mit Rehen (1960)
  • Kritischer Kalender (1960 ff.)
  • Liebe, Klatsch und Weltgeschichte (1966)

Reportagen, Berichte u. ä.

  • Prozesse von heute (1950)
  • Im Namen des Gesetzes (1950)
  • Das Recht auf Güte (1951)
  • Liebe vor Gericht (1951)
  • Verlassen, verloren, verdammt (1952)
  • Richter sind auch Menschen (1955)
  • Unschuldig verurteilt (1956)
  • Nehmen Sie das Urteil an? (1957)

Herausgeberschaft

  • Der schlesische Schwan (1953)
  • Der neue Pitaval (1963 ff.)
  • Ich bin ja so galant Madame (1963)
  • Zärtliches Spiel (1966)
  • Die Höllenmaschinen des Dandy Keith (mit R. A. Stemmle), Reihe Justitia. Sensationelle Kriminalfälle, München 1967

Literatur

  • Kurt Koszyk: Mostar, Gerhart Herrmann. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 18, Duncker & Humblot, Berlin 1997, ISBN 3-428-00199-0, S. 220 f. (Digitalisat).
  • William Samelson: Gerhart Herrmann Mostar. A critical profile. Mouton, Den Haag und Paris 1966 (Studies in German literature; Vol. 6)
  • Volker Kühn (Hrsg.): Deutschlands Erwachen : Kabarett unterm Hakenkreuz ; 1933 - 1945. Band 3. Weinheim : Quadriga, 1989 ISBN 3-88679-163-7, S. 381 (Kurzbiografie)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ulrike Oedl: Das Exilland Österreich zwischen 1933 und 1938. S. 8 (literaturepochen.at [PDF]).
  2. Grabplatte. In: Knerger.de. Abgerufen am 1. Juli 2020.