Gerte
Eine Gerte (von mittelhochdeutsch gerte, von althochdeutsch gerta zu althochdeutsch gart ,Stachel‘, ‚Stock‘) ist ein dünner, sehr biegsamer Stock.
Eine Reitgerte, auch Reitstock genannt, ist zwischen 50 und 130 cm lang und wird für Reiterhilfen im Pferdesport verwendet. Eine weitere Verwendung für Gerten liegt als Züchtigungsinstrument im Bereich BDSM und der Folter.
Allgemeiner Aufbau
Früher wurde der Kern der Gerten aus Hölzern wie Haselnussruten, Rattan, Flechten oder Weidenstäben gefertigt, in heutiger Zeit kommt vornehmlich ein Fiberglasstab zum Einsatz. Im Allgemeinen wird durch eine entsprechende Ummantelung des einen Endes ein etwa handbreiter Griff geformt, der dann in einen langen Stab – zwischen 25 und 120 cm lang – übergeht. Am Griff befindet sich meistens noch eine Handschlaufe aus Leder, damit die Gerte weniger leicht verloren geht.
Als Abschluss werden sowohl kleine versteifte Schnüre eingesetzt (mit Busch am Ende), was der auch bei Peitschen üblichen Knallschnur entspricht, oder sie enden in einer breiten Lasche, die aus einem Stück Leder oder Kunststoff besteht. Stock und Griffe werden entweder mit Kunststoff ummantelt oder mit Leder überzogen (meistens bei Springgerten).
Gerten im Reitsport
Die Gerte kann an verschiedenen Stellen des Pferdekörpers eingesetzt werden, je nach Gertenlänge, gewünschtem Effekt und Reitstil. Die normale Position für den Gerteneinsatz beim Dressurreiten ist die Flanke des Pferdes, möglichst nahe der Stelle, an der auch der Unterschenkel des Reiters gegen den Pferdeleib drückt. Bei Remonten ist häufig die Schulter ein wirksamer Einsatzort. Zur Verbesserung der Hankenbeugung können lange Dressurgerten auch auf der Kruppe des Pferdes eingesetzt werden.
Die Länge der Gerte richtet sich nach dem Einsatzzweck. Zum Springreiten werden entweder kurze Springstöcke mit breiter Lederklatsche am Ende eingesetzt, oder die normalen kurzen Springgerten ab etwa 50 cm. In der Dressur werden Gerten von 110 bis 130 cm eingesetzt. Die auf deutschen Turnieren erlaubten maximalen Längen für Gerten im Turnier betragen 75 cm mit Schlag (Springen) bzw. 120 cm mit Schlag (Dressur).[1]
Die meisten heute verwendeten Gerten haben einen Kern aus Fiberglas, der mit einem Gewebemantel umsponnen ist, der zudem noch lackiert sein kann, um ein Scheuern der Gerte an der Reithose zu vermeiden. Gerten werden aber auch noch traditionell aus Haselnussruten geschnitten.
Generell gibt es drei verschiedene Gertenhilfen.
- treibende Hilfe
- Mit der Gerte kann man das Pferd genau im Augenblick des Abfußens anticken und auf diese Weise treibend einwirken. Die vorwärtstreibende Wirkung ist bei der Gertenhilfe ausgeprägter als bei der Schenkelhilfe oder der Sporenhilfe, die auch versammelnd wirkt (effet d’ensemble in der klassischen Reiterei). Die vorwärtstreibende Wirkung der Gertenhilfe hält länger an, wirkt also auf mehrere Schritte, während der Sporn nur kurz nachwirkt.
Die treibende Hilfe an der Schulter wirkt entweder durch die Berührung, durch das klatschende Geräusch (Springstock mit Klatsche) oder optisch. Bei Pferderennen sollten die Gerten den Pferden nur gezeigt und nicht zum Schlagen verwendet werden.
- verwahrende Hilfe
- Die Gerte kann auf gebogenen Linien oder bei Seitengängen verwahrend eingesetzt werden. Hinter dem Schenkel soll außen die verwahrend angelegte Gerte verhindern, dass das Pferd mit der Hinterhand nach außen ausbricht. Die verwahrend an der äußeren Schulter angelegte Gerte soll verhindern, dass das Pferd über die Schulter geht.
- strafende Hilfe
- Die Gerte kann bei einem eindeutigen Ungehorsam des Pferdes zur Strafe verwendet werden. Die Gerte muss in diesem Fall sofort nach dem Ungehorsam einmal möglichst energisch eingesetzt werden, da das Pferd nur so Schlag und Ungehorsam in Verbindung bringen kann. Verzögertes Schlagen oder vielfaches Schlagen verunsichern das Pferd. Keinesfalls darf die Gerte strafend verwendet werden, wenn ein Reiterfehler voraus ging oder das Pferd überfordert wurde, das Pferd also aufgrund von Ausbildungs- oder Trainingszustand die gestellte Aufgabe nicht lösen konnte. In ihren Richtlinien lehnt die Deutsche Reiterliche Vereinigung strafende Hilfen ab: „Jede Reaktion im Sinne einer ‚Strafe‘ nach menschlichem Verständnis ist eindeutig abzulehnen, weil man bei einem Pferd nicht davon ausgehen kann, dass es wie ein Mensch abstrakt denken kann.“ (Richtlinien für Reiten und Fahren, Band 1, 1.1.2 Die Beziehung zwischen Reiter und Pferd, ISBN 978-3-88542-721-6)
Varianten
Gerten im Pferdesport
- Dressurgerte
- Sie hat einen Griff, einen sehr langen Stock und einen Schlag am Ende. Sie findet im Dressurreiten Anwendung.
- Springstock
- besteht aus einem kurzen Griff, einem kurzen, nicht ganz flexiblen Körper von ca. 30 cm und am Ende einer kleinen Klatsche (ein umgebogenes Lederstück). Dadurch ist ein Auftreffen weniger schmerzhaft, aber recht laut. Sie wird im Springreiten verwendet.
- Jockeygerte
- Sie besteht wie die Springgerte aus einem kurzen Griff, einem kurzen Körper. Ihr klassischer Einsatz ist beim Pferderennen.
- Teleskopgerte
- Eine aus mehreren Segmenten bestehende, ähnlich wie eine Radioantenne zusammenschiebbare Gerte, die einen komfortablen Transport ermöglicht. Teleskopgerten werden vor allem in der Bodenarbeit eingesetzt.
- Birkengerte
- Wird aus Tradition an der Spanischen Hofreitschule, Wien verwendet. Jeder Bereiter schneidet im Jänner seine eigenen Gerten (ca. 80 bis 100 Stück). Verwendet wird nur der gerade Stamm einer sechs- bis achtjährigen Birke, die Äste werden abgeschnitten, der Stamm wird zur Gewinnung der Gerten wiederholt gespaltet. Zur längeren Haltbarkeit werden Birkengerten vor dem Gebrauch einen Tag ins Wasser gelegt.
- Tupfer oder Handarbeitsgerte
- Wird an der Spanischen Hofreitschule zur Handarbeit, bei der Piaffe und den Schulsprüngen an der Hand verwendet. Zwischen 170 und 190 cm lang, nicht zu schwer und am Ende sehr elastisch.
- Fahrpeitsche
- Sie wird zum Fahren verwendet, weist einen langen Körper – bis zu 2 m – und mittellangen Schlag auf und stellt damit den Übergang zwischen Gerte und Peitsche dar. Es gibt sie in zwei Ausführungen. Die Bogenpeitsche wird für die klassische Anspannung verwendet. Hier ist der Übergang zwischen Schlag und Stock bogenförmig. Die Stockpeitsche wird zur Jucker-Anspannung verwendet. Hier ist der Schlag mit einer Öse am Stock befestigt.
- Longiergerte
- ist eine Bezeichnung für eine kurze Longierpeitsche, die zum Longieren, beim freien Laufen oder Freispringen verwendet wird. Die Länge der Gerte von 1,80 m bis 2,50 m entspricht meist auch der Länge des Schlages.
Andere Verwendungen
- Sjamboks
- Eine in Afrika beheimatete Gertenart aus Polypropylen, die bei Elefanten, Rhinozerossen oder als Ersatz für einen Schlagstock bei der Polizei zum Einsatz kommt. Sjamboks wurden früher aus Nilpferdhaut gemacht, daher der Beiname Nilpferdpeitsche.
Gerten im BDSM
Innerhalb des Bereiches BDSM werden Gerten oft als Züchtigungsinstrumente eingesetzt, um Schläge auf Gesäß, Brust, Genitalien oder andere Körperteile auszuführen. Ihr sicherer Einsatz erfordert motorisches Können und anatomisches Basiswissen.
Literatur und Weblinks
- Fédération Française d'Équitation: Etre Cavalier Galop 5, 6, 7. Lavauzelle, Paris 2004, ISBN 2-7025-1238-0.
- SM und Sicherheit: Schlagen. auf: schlagabtausch-hd.de
Einzelnachweise
- ↑ Alles über die Reitgerte (Memento des Originals vom 26. Februar 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , Pferd Aktuell, abgerufen am 27. Oktober 2012