Gertrud von le Fort

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Gertrud von le Fort um 1935

Gertrud Auguste Lina Elsbeth Mathilde Petrea Freiin von le Fort (* 11. Oktober 1876 in Minden; † 1. November 1971 in Oberstdorf) war eine deutsche Schriftstellerin. Sie veröffentlichte auch unter den Pseudonymen Gerta von Stark und Petrea Vallerin.

Leben

Gedenkstein für Gertrud von le Fort in Boek

Gertrud von le Fort stammte aus dem hugenottischen Adelsgeschlecht le Fort[1] und verbrachte ihre Kindheit auf dem Familiengut Boek, heute Ortsteil von Rechlin an der Müritz in Mecklenburg, sowie in verschiedenen Garnisonsstädten, an denen ihr Vater Lothar von le Fort (1831–1902), ein preußischer Oberst, im Laufe seiner Karriere stationiert war. Ihre Mutter war Elsbeth (1842–1918), geborene von Wedel-Parlow. Bis zum 14. Lebensjahr wurde Gertrud von le Fort im Elternhaus privat unterrichtet, zum Teil durch den Vater anhand des Familienarchivs. Erst anschließend besuchte sie die öffentliche Schule in Hildesheim. 1896 unternahm die Zwanzigjährige ihre erste Auslandsreise nach Wien und Norditalien. 1902 starb ihr Vater, zuletzt Großherzoglicher Kommissar für Polizeiangelegenheiten in Ludwigslust. Gertrud unternahm nun weitere Reisen ins europäische Ausland. Entscheidende Bedeutung für ihr weiteres Leben und Werk hatte ein Aufenthalt in Rom 1907.

Ab 1908 studierte sie in Heidelberg, Marburg und Berlin evangelische Theologie, Geschichte, Kunstgeschichte, Literatur und Philosophie, unter anderem als Schülerin Hans von Schuberts und des Religionsphilosophen Ernst Troeltsch, dessen Glaubenslehre (1925) sie posthum nach eigenen Vorlesungsmitschriften herausgab. Mit Kriegsbeginn 1914 siedelte die Familie von Ludwigslust nach Boek an die Müritz. Ihr jüngerer Bruder Stephan von le Fort erbte 1914 das Gut Boek. Wegen seiner Beteiligung am Kapp-Putsch 1920 musste er Mecklenburg verlassen. Gertrud verwaltete das Gut, bis es von der mecklenburgischen Regierung beschlagnahmt wurde, und sie verließ Mecklenburg.[2]

Nach Erwerb eines Hauses lebte Gertrud von le Fort seit 1922 in Baierbrunn bei München. Sie suchte, stark von der katholischen Kirche angezogen, in ihren religionsphilosophischen Studien Klärung ihrer konfessionellen Zugehörigkeit, veröffentlichte den Gedichtzyklus Hymnen an die Kirche (1924) und konvertierte 1926 in Rom zur katholischen Kirche. Gertrud von le Fort wird als deutsche Vertreterin des Renouveau catholique gesehen.[3]

Von Baierbrunn aus unternahm Gertrud von le Fort zahlreiche Reisen nach Italien und hielt seit 1933 Vortragsabende in der Schweiz wie auch in Deutschland. Sie schloss Freundschaften mit Theodor Haeckel, Erich Przywara (über ihn lernte sie noch Edith Stein kennen) sowie dem Diplomaten Paul Petit (über ihn gelang der Kontakt zu Paul Claudel). Ihre Vorstellungen von einem „christlichen Heiligen Deutschen Reich“ und dem Katholizismus standen in krassem Gegensatz zur Ideologie des Nationalsozialismus.[4] Trotzdem konnte sie 1938 ihren Roman Die Magdeburgische Hochzeit im Insel Verlag publizieren. Im Jahr 1939 übersiedelte Gertrud von le Fort nach Oberstdorf im Allgäu, wo bis zu ihrem Tode 1971 ihr Hauptwohnsitz blieb. Dennoch weilte sie drei Jahre lang, von 1946 bis 1949, bei Freunden in der Schweiz.

Gertrud von le Fort war ab 1950 Mitherausgeberin der Zeitschrift Das literarische Deutschland und trat in Verbindung mit Paul Claudel, Hermann Hesse, Reinhold Schneider, Friedrich Gogarten und Carl Zuckmayer. Sie entwickelte sich so zu einer der bedeutendsten katholischen Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts.

Ihr Grab befindet sich auf dem Friedhof an der Trettachstraße in Oberstdorf.

Wirken

Im Zentrum ihrer Romane, Novellen, Erzählungen und Lyrik stehen Glaubensfragen in meist historischen Stoffen; die römisch-katholische Kirche erscheint als Mittlerin und als sittliche Ordnungsmacht. In ihrem Werk geht es von le Fort um die persönliche Glaubensentscheidung, um den Sinn von Leid und Opfer, um die Auseinandersetzung der Kirche mit Unglauben und menschlicher Schwäche sowie um psychologische Darstellungen seelischer Entwicklungen, besonders der Frauen.

1928 publizierte sie ihr bekanntestes Werk Das Schweißtuch der Veronika, dessen Fortsetzung sie 1946 unter dem Titel Der Kranz der Engel veröffentlichte. In Die Letzte am Schafott (1932) beschrieb sie das Schicksal der Märtyrinnen von Compiègne, sechzehn Karmelitinnen, die in der Französischen Revolution auf der Guillotine hingerichtet wurden. Georges Bernanos (1888–1948) dramatisierte den Stoff unter dem (deutschen) Titel Die begnadete Angst (1948); dieses Stück wiederum diente als Vorlage für die Oper Dialogues des Carmélites von Francis Poulenc. Weitere Werke Gertrud von le Forts sind die Hymnen an die Kirche (1924), Hymnen an Deutschland (1932), Die ewige Frau (1934), Die Magdeburgische Hochzeit (1938) und Am Tor des Himmels (1954).

Ehrungen und Mitgliedschaften

Von Walter Kalot geschaffene Büste von Gertrud von le Fort

Werke

Lyrik

  • Der alte Eichbaum, 1893
  • Meereswogen, 1893
  • Kehre wieder, 1893
  • Die ewige Lampe, 1895
  • Zwei alte Häuser, 1895
  • Gedichte, 1900
  • Die Königskinder, 1903
  • Christuslied, 1905
  • Die Emigranten, 1905
  • Die Schwermutblume, 1906
  • Die Herbstfrau, 1906
  • Vogel Traum, 1906
  • Es war ein Markgraf über dem Rhein, 1907
  • Lieder und Legenden, 1912
  • Sternenlied, 1914
  • Lied eines schlesischen Geschlechts, 1914
  • Wiegenlieder der Emigranten, 1914
  • Die Emigranten, 1914
  • Die Kathedrale nach der Schlacht, 1914
  • Lied einer galizischen Nonne, 1915
  • Allerseelen, 1915
  • Die Sibylle, 1920
  • Deutsches Leid, 1923
  • Hymnen an die Kirche, 1924;
  • Hymnen an Deutschland, 1932;
  • Gedichte, 1949 (erweitert 1953 und 1970)
  • Aphorismen, 1962
  • Die Mauer, 1966

Romane

Erzählungen

Autobiographisches

  • Aufzeichnungen und Erinnerungen, 1951
  • Hälfte des Lebens, 1965.

Essays

  • Frauengestalten in Schillers Leben, 1905
  • Frauentragödien im Tower, 1906
  • Die ewige Frau, 1933
  • Die ewige Frau. Die Frau in der Zeit. Die zeitlose Frau., 1934
  • Unser Weg durch die Nacht, 1949
  • Die Frau und die Technik, 1959
  • Woran ich glaube und andere Aufsätze, 1968

Herausgebertätigkeit

  • Ernst Troeltsch, Glaubenslehre. Nach Heidelberger Vorlesungen aus den Jahren 1911 und 1912, 1925 (posthum zu Troeltsch)

Anthologie

  • Gertrud von le Fort. Lesebuch. Ausgewählte Erzählungen, Einleitung und Kommentar Gundula Harand und Gudrun Trausmuth, Würzburg 2012[7]

Literatur

  • Hedwig Bach (Hrsg.): Dichtung ist eine Form der Liebe. Begegnung mit Gertrud von Le Fort und ihrem Werk. Zum 100. Geburtstag am 11. Oktober 1976. Ehrenwirth, München 1976
  • Eugen Biser: Grenzerfahrungen. Die Bedeutung der religiösen Grenzsituationen in den Werken Gertrud von le Forts. Diss., Universität Freiburg 1956.
  • Eugen Biser: Überredung zur Liebe. Die dichterische Daseinsdeutung Gertrud von le Forts. Habbel, Regensburg 1980, ISBN 3-7748-0361-7.
  • Lothar Bossle (Hrsg.): Deutsche christliche Dichterinnen des 20. Jahrhunderts. Gertrud von le Fort, Ruth Schaumann, Elisabeth Langgässer. Festschrift für Friedrich Kienecker aus Anlass seines 70. Geburtstages. Creator, Würzburg 1990, ISBN 3-89247-047-2
  • Gerda Brenning: Erläuterungen zu "Die Letzte am Schafott", zu "Die Consolata" und zu "Das Gericht des Meeres." Königs Erläuterungen, 286. C. Bange Verlag, Hollfeld (1962)
  • Gisela Brinker-Gabler, Karola Ludwig, Angela Wöffen: Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen 1800–1945. dtv München, 1986. ISBN 3-423-03282-0. S. 190–195.
  • Hugo Bruggisser: Gertrud von le Fort. Das dichterische Werk. Keller, Winterthur 1959 (Zugleich: Diss. phil. Universität Zürich 1959)
  • Sabine Düren: Die Frau im Spannungsfeld von Emanzipation und Glaube. Eine Untersuchung zu theologisch-anthropologischen Aussagen über das Wesen der Frau in der deutschsprachigen Literatur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung von Edith Stein, Sigrid Undset, Gertrud von LeFort und Ilse von Stach (= Theorie und Forschung. Theologie. Bd. 34 = Theorie und Forschung. Bd. 535). Roderer, Regensburg 1998, ISBN 3-89073-237-2 (Zugleich: Augsburg, Universität, Dissertation, 1998).
  • Maria Eschbach: Die Bedeutung Gertrud von Le Forts in unserer Zeit (= Gestalt und Werk. Bd. 1, ZDB-ID 532783-0). Schnell, Warendorf 1948.
  • Maria Eschbach: „Glauben heißt, der Liebe lauschen“. Glaubenswege mit Gertrud von le Fort und Hans Urs von Balthasar. Schöningh, Paderborn 2005, ISBN 3-506-72974-8.
  • Alfred Focke: Gertrud von Le Fort. Gesamtschau und Grundlagen ihrer Dichtung. Styria, Graz u. a. 1960.
  • Roswitha Goslich: Orientierungssuche im Zeitalter der Angst. Gertrud von le Forts Weg zur Mystik (= Germanistische Texte und Studien. Bd. 71). Olms, Hildesheim u. a. 2003, ISBN 3-487-11897-1 (Zugleich: München, Universität, Dissertation: Geistige Orientierungskrise im Zeitalter der Angst. Gertrud von le Forts Antwort in Leben und Werk.).
  • Philipp W. Hildmann: Die Fährte Gottes suchen. Gertrud von le Fort und Gerhard Hildmann. In: Mitteilungen der Ernst-Troeltsch-Gesellschaft. Bd. 14, 2001, ISSN 0178-3025, S. 75–90.
  • Hajo Jappe: Gertrud von le Fort. Das erzählende Werk. Unterberger, Meran 1950.
  • Antje Kleinewefers: „Eine ganz neue Liebe zur Liebe“. Gertrud von le Fort. Werke aus den Jahren 1946 und 1947. Interpretationen. Plöger, Annweiler 2003, ISBN 3-89857-174-2
  • Margaret Klopfle Devinney: The legends of Gertrud von le Fort. Text and audience (= Studies in modern German literature. Bd. 27). Lang, New York NY u. a. 1989, ISBN 0-8204-0719-4.
  • Gisbert Kranz: Gertrud von Le Fort als Künstlerin. Schöningh, Paderborn 1959.
  • Gisbert Kranz: Gertrud von Le Fort. Leben und Werk in Daten, Bildern und Zeugnissen. Insel-Verlag, Frankfurt am Main 1976. ISBN 3-458-01895-6.
  • Renate Krüger: Aufbruch aus Mecklenburg. Gertrud von LeFort und ihre Welt. Allitera, München 2001, ISBN 3-935877-02-1
  • Helene Kuhlmann: Vom Horchen und Gehorchen. Eine Studie zu Gertrud von le Fort. Paulus-Verlag, Recklinghausen 1950.
  • Eleonore von La Chevallerie: Le Fort, Gertrud Freiin von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 14, Duncker & Humblot, Berlin 1985, ISBN 3-428-00195-8, S. 57–59 (Digitalisat).
  • Nicholas J. Meyerhofer: Gertrud von LeFort (= Köpfe des 20. Jahrhunderts. Bd. 119). Morgenbuch-Verlag, Berlin 1993, ISBN 3-371-00376-0.
  • Joël Pottier: „Und du willst dein Dach erretten, christloses Abendland!“ Gertrud von le Forts Anteilnahme am Schicksal der Vertriebenen (= Deutschland und seine Nachbarn. H. 17). Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Bonn 1996, ISBN 3-88557-161-7.
  • Klaus Porstner: Gottes- und Nächstenliebe bei Gertrud von le Fort. Eine moraltheologische Untersuchung an Hand des Romanes „Der Kranz der Engel“. Wien 1972 (Wien, Universität, kath.-theol. Dissertation vom 14. Dezember 1972).
  • Wolfgang Schütz: Koblenzer Köpfe. Personen der Stadtgeschichte – Namensgeber für Straßen und Plätze. Hrsg.: Bernd Weber, Verlag für Anzeigenblätter GmbH, Mülheim-Kärlich 2005 (2., überarb. u. erw. Aufl.).

Weblinks

Commons: Gertrud von Le Fort – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Bernd Kettern: Le Fort, Gertrud von. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 4, Bautz, Herzberg 1992, ISBN 3-88309-038-7, Sp. 1348–1356.
  2. Lebensbild: Darstellung der Gertrud von le Fort-Gesellschaft e.V., S. 27.
  3. Wilhelm Kühlmann/Roman Luckscheiter (Hrsg.): Moderne und Antimoderne. Der Renouveau catholique und die deutsche Literatur. Beiträge des Heidelberger Colloquiums vom 12. bis 16. September 2006, Rombach Verlag 2008.
  4. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 357.
  5. Höchste Auszeichnung für besondere kulturelle Leistungen und Verdienste
  6. Matthias Freitag: Regensburger Straßennamen. Mittelbayerische Verlagsgesellschaft mbH, Regensburg 1997, ISBN 3-931904-05-9, S. 59.
  7. darin: Die Frau des Pilatus, 1955; Das Gericht des Meeres, 1943; Die Verfemte, 1953; Die Consolata, 1947; Die Tochter Jephthas, 1964; Am Tor des Himmels, 1954