Gradientwind
Der Gradientwind bezeichnet in der Meteorologie ein Wind-Modell, bei dem sich
- die Druckgradientkraft (infolge der Druckunterschiede zwischen einem Hoch- und einem Tiefdruckgebiet),
- die Corioliskraft (infolge der Erddrehung) sowie
- die Zentrifugalkraft (infolge der Eigendrehung eines Hoch- oder Tiefdruckgebietes)
im Kräftegleichgewicht befinden. Lokale Effekte, beispielsweise durch Gebirge oder Bodenreibung, werden nicht berücksichtigt.
Der Gradientwind ist eine Erweiterung des geostrophischen Windes sowie des zyklostrophischen Windes, sodass auch der Begriff geostrophisch-zyklostrophischer Wind benutzt wird. Er stellt die beste Näherung an den realen Wind dar, die aus Wetterkarten und Höhenwindmessungen noch relativ genau vorhergesagt werden kann.[1]
Geschwindigkeit des Gradientwindes
Die Geschwindigkeit des Gradientwindes ist abhängig von der ihm aufgezwungenen Bahn:
Zyklonal
Bei einer zyklonalen Bewegung dreht sich die Luft um ein Tiefdruckgebiet. Die Corioliskraft zeigt dabei zusammen mit der Zentrifugalkraft weg vom Zentrum, die Druckgradientkraft zeigt zum Zentrum. Es gilt folglich
Nach Auflösen nach der Geschwindigkeit ergibt sich
Weil die Gleichung quadratisch ist, gibt es zwei theoretisch mögliche Lösungen. Die negative erfordert aber höhere Windgeschwindigkeiten und stellt sich deshalb in der Realität nie ein. Für die tatsächliche Geschwindigkeit gilt deshalb
Dabei ist
- der Radius der Kreisbahn
- der Druck
- die Luftdichte
- der Coriolisparameter
Weil die Corioliskraft hier zusammen mit der Zentrifugalkraft die Druckgradientkraft ausgleicht, ist der zyklonale Gradientwind langsamer als der geostrophische Wind (subgeostrophisch).
Antizyklonal
Bei einer antizyklonalen Bewegung dreht sich die Luft um ein Hochdruckgebiet. Die Druckgradientkraft zeigt dabei zusammen mit der Zentrifugalkraft weg vom Zentrum, die Corioliskraft zeigt zum Zentrum. Es gilt folglich
Nach Auflösen nach der Geschwindigkeit ergibt sich als Lösung
Hier gibt es wieder zwei theoretisch mögliche Lösungen, die Negative erfordert aber die geringere Geschwindigkeit und stellt sich deshalb in der Realität ein.
Weil die Corioliskraft hier die Druckgradientkraft und die Zentrifugalkraft ausgleichen muss, ist der antizyklonale Gradientwind schneller als der geostrophische Wind (supergeostrophisch). Bei gleichem Druckgradienten weht der Wind folglich um ein Hochdruckgebiet stärker als um ein Tiefdruckgebiet.[1]
Kritische Krümmung
Bei besonders kleinen Hochdruckgebieten mit starkem Druckgradienten führt die hohe Zentrifugalkraft dazu, dass der Gradientwind ein Gleichgewicht zwischen Corioliskraft und der Summe von Zentrifugal- und Druckgradientkraft nicht erreichen kann. Hochdruckgebiete werden deshalb unterhalb eines bestimmten minimalen Radius , gleichbedeutend mit einer großen Krümmung, instabil. Die Luft kann nicht mehr auf einer festen Kreisbahn strömen, sondern fließt nach außen vom Hochdruckgebiet weg. Dabei löst sich das Hochdruckgebiet teilweise auf, bis der Druckgradient so schwach ist, dass wieder eine stabile Bahn erreicht werden kann. Die kritische Krümmung folgt aus der quadratischen Gleichung zur Lösung des Kräftegleichgewichts des antizyklonalen Gradientwindes.
Für die Geschwindigkeit gibt es nur dann eine reelle Lösung, solange der Wert unter der Wurzel nicht negativ wird. Für den antizyklonalen Gradientwind steht dort
Weil der Druckgradient immer negativ ist, können negative Werte unter der Wurzel auftreten. Der minimale Radius , bei dem der Term unter der Wurzel gerade noch nicht negativ ist, wird erreicht, wenn gilt
Nach auflösen nach erhält man
Für die kritische Krümmung ergibt sich damit
Dabei ist
- die Geschwindigkeit des geostrophischen Windes
- der Coriolisparameter mit
Weil der Coriolisparameter mit zunehmender geographischer Breite zunimmt, sind zu den Polen hin immer größere Krümmungen und damit immer kleinere Hochs möglich.
Die Windgeschwindigkeiten um ein Hochdruckgebiet können durch diese Begrenzung der Druckgradientkraft nicht beliebig groß werden. Sehr starke Winde können deshalb nur um Tiefdruckgebiete auftreten.
Literatur
- Andreas Bott: Synoptische Meteorologie: Methoden der Wetteranalyse und -prognose. Springer, Berlin, Heidelberg 2012.