Grundlinien der Philosophie des Rechts

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Die Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse sind ein im Oktober 1820 erschienenes[1] Werk des deutschen Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Es sollte ursprünglich als begleitendes Lehrbuch zu Hegels Vorlesungen zur Rechtsphilosophie an der Berliner Universität dienen. Es gilt als zentrale Darstellung von Hegels Philosophie des objektiven Geistes neben dem entsprechenden Abschnitt seiner Enzyklopädie und diversen Vorlesungsmitschriften.

Was Hegel unter „Rechtsphilosophie“ fasst, entspricht dem Inhalt dessen, was er als „objektiven Geist“ bezeichnet, also der Verwirklichung des freien Willens im Bereich des Sozialen. Der Ausdruck „Recht“ ist dabei sehr weit gefasst und umfasst alles, was als System allgemeiner Normen das Zusammenleben sich gegenseitig anerkennender Individuen ermöglicht und dadurch nach Hegels Auffassung erst die Verwirklichung der Freiheit des Willens ermöglicht. Dementsprechend ist der Grundbegriff der Grundlinien der des „Daseins des freien Willens“, dessen begriffliche Entwicklung innerhalb des hegelschen Systems am Ende der Philosophie des subjektiven Geistes steht. Dieses Dasein weist drei Momente auf: das „abstrakte Recht“ (entspricht dem, was allgemein unter Naturrecht gefasst wird), die „Moralität“ (also des vermeintlich autonomen Handelns) und die „Sittlichkeit“, also soziale Ordnungen, in denen dem Menschen die richtigen Handlungsoptionen konkret gegeben sind. Zentral ist dabei die Darstellung einer politischen Ordnung, in der für Hegel die Freiheit vollkommen verwirklicht ist.

Vorrede

Die Vorrede gehört zu den bekannten Hegel-Texten, was v. a. folgendem Epigramm zu verdanken ist.

Epigramm

„Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig.“

Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Frankfurt am Main 1972, S. 24

Vernunft und Wirklichkeit werden ausdrücklich gleichgesetzt. Das Wirkliche ist vernünftig, weil es aus seinem Begriff hervorgegangen ist. Das Vernünftige ist wirklich, weil es das Beständige im Dasein ist. Umgekehrt ist nicht alles, was besteht, auch vernünftig. Es gibt im Bestehenden vieles, was dem Zufall oder der menschlichen Willkür unterliegt. Das Zufällige und Willkürliche aber entspricht nicht dem Begriff.

Die Eule der Minerva

In der Vorrede äußert Hegel sich auch zum Verhältnis der Philosophen zur gesellschaftlichen Wirklichkeit und gibt damit eine weitere Erläuterung des obigen Zitats:

„Wenn die Philosophie ihr Grau in Grau malt, dann ist eine Gestalt des Lebens alt geworden, und mit Grau in Grau läßt sie sich nicht verjüngen, sondern nur erkennen; die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug.“

Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Frankfurt am Main 1986, S. 28

Die römische Göttin Minerva wie auch die griechische Athene[2] waren die Hüterinnen der Klugheit und hatten als mythologisches Attribut den Vogel der Weisheit, die nachtaktive Eule. Eine Erkenntnis gesellschaftlicher Verhältnisse ist dieser Metapher nach also erst dann möglich, nachdem ihre Wirklichkeit sich entfaltet hat. Die Erkenntnis schließt also eine Epoche ab und begründet sie nicht etwa.

Viele Interpretationen sehen deshalb in dem Alterswerk Hegels, zu dem auch die Rechtsphilosophie gehört, eine Abkehr von der früheren Position, dass die Philosophie eine neue Epoche begründen solle.

Inhaltlicher Aufbau des Werkes

Hegels Rechtsphilosophie hat einen dreigliedrigen Aufbau[3], der für viele seiner Werke typisch ist.

Stufe der Idee Momente der Idee Nähere Bestimmungen
Das abstrakte Recht Das Eigentum Besitznahme, Gebrauch, Entäußerung
  Der Vertrag  
  Das Unrecht Unbefangenes Unrecht, Betrug, Verbrechen
Die Moralität Der Vorsatz und die Schuld  
  Die Absicht und das Wohl  
  Das Gute und das Gewissen  
Die Sittlichkeit Die Familie Ehe, Vermögen, Erziehung
  Die bürgerliche Gesellschaft System der Bedürfnisse, Rechtspflege, Polizei
  Der Staat Inneres und äußeres Staatsrecht, Weltgeschichte

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Das Originaltitelblatt trägt die Jahreszahl 1821, weil Hegel befürchtete, die Veröffentlichung würde sich aufgrund der Zensur verzögern. Vgl. Christian Topp, Philosophie als Wissenschaft, Berlin: De Gruyter, 1982, S. XX.
  2. Im Deutschen war 1821 der lateinische Namen „Minerva“ üblicher.
  3. Uwe Wesel: Geschichte des Rechts. Von den Frühformen bis zur Gegenwart. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. Beck, München 2006, ISBN 3-406-47543-4. Rn. 344.