Guanidinoessigsäure

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Strukturformel
GAA Strukturformel 2
Allgemeines
Name Guanidinoessigsäure
Andere Namen
  • Guanidinoacetat
  • Glycocyamin
  • N-Guanylglycin
  • N-Amidinoglycin
  • N-(Aminoiminomethyl)-glycin
Summenformel C3H7N3O2
Kurzbeschreibung

Weißer bis gelblicher, geruchloser, kristalliner Feststoff[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 352-97-6
EG-Nummer 206-529-5
ECHA-InfoCard 100.005.936
PubChem 763
ChemSpider 743
DrugBank DB02751
Eigenschaften
Molare Masse 117,11 g·mol−1
Aggregatzustand

fest[1]

Schmelzpunkt

300 °C[2]

Löslichkeit

löslich in Wasser (4 g·l−1)[2]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [3]
Gefahrensymbol

Achtung

H- und P-Sätze H: 315​‐​319​‐​335
P: 261​‐​305+351+338 [3]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Guanidinoessigsäure (Guanidinoacetat, oder englisch guanidinoacetic acid, GAA) wird im Organismus von Wirbeltieren aus Glycin durch Guanylierung (Übertragung einer Guanidin-Gruppe aus Arginin) gebildet und durch anschließende Methylierung in Kreatin umgewandelt. Sie ist selbst keine Aminosäure, spielt aber ebenfalls eine Rolle im Metabolismus der kanonischen Aminosäuren Serin, Threonin und Prolin. GAA wird als Futtermittelzusatzstoff bei der Geflügel- und Schweinemast eingesetzt.[4]

Darstellung

Biochemische Synthese

Die Bildung von Guanidinoacetat im Säugetierorganismus erfolgt primär in den Nieren durch Übertragung der Guanidin-Gruppe des L-Arginins durch das Enzym L-Arg:Gly-Amidinotransferase (AGAT) auf die Aminosäure Glycin. Aus L-Arg entsteht so Ornithin, das im Harnstoffzyklus durch Carbamoylierung zum Citrullin verstoffwechselt wird.

GAA Biosynthesis pathway

In einem weiteren Schritt wird GAA – bei Säugetieren in der Leber – mit S-Adenosylmethionin durch das Enzym Guanidinoacetat-N-Methyltransferase (GAMT) zu Kreatin methyliert. Das Kreatin wird in den Blutkreislauf abgegeben.

Chemische Synthese

Guanidinoessigsäure wurde erstmals 1861 von M. Strecker[5] durch Reaktion von Cyanamid mit Glycin in wässriger Lösung hergestellt:

GAA from cyanamide + glycine

Mit S-Methylisothioharnstoff[6] bzw. mit O-Alkylisoharnstoffen[7] als Guanylierungsmittel kann Glycin ebenfalls zu GAA umgesetzt werden.

GAA via S-Meisothiourea

Neuere Patentliteratur beschreibt die Synthese von GAA durch katalytische Oxidation von Ethanolamin zu Glycin und anschließende Reaktion mit Cyanamid in wässriger Lösung mit hoher Ausbeute analog zur Synthese von Kreatin ausgehend von N-Methylaminoethanol über Sarcosin[8]

GAA from ethanolamine

Diese Route unterdrückt die Bildung des toxikologisch bedenklichen Dihydrotriazins und anderer unerwünschter Nebenprodukte wie Iminodiessigsäure.

Eigenschaften

Guanidinoessigsäure fällt als weißes (bis gelbliches) feines Pulver an, das zur Verbesserung der Handhabung, Dosierung und Aufnahme mit Stärke zu Aggregaten mit einem mittleren Durchmesser von 200–400 µm granuliert wird.[9] Das Granulat ist eine langzeitstabile Lagerform für GAA. Die Beständigkeit von Guanidinoacetat in saurer wässriger Lösung ist wesentlich höher als die des Kreatins, das unter Säurekatalyse zum Kreatinin cyclisiert.

Verwendung

Guanidinoessigsäure ist ein von der Europäischen Kommission für Masthühner, Absetzferkel und Mastschweine zugelassenes, nutritives Futtermitteladditiv,[10] das bereits in niedriger Dosierung (600 g/to Futtermittel) bei „vegetarischer Diät“, d. h. ohne Zufütterung von tierischem Protein, zu höherer Futterverwertung, Gewichtszunahme und verbessertem Muskelfleischansatz führen soll.[11]

Vorteile einer GAA-Supplementation bei anderen Zucht-, Mast- und Haustieren, sowie analog zum GAA-Metaboliten Kreatin bei Hochleistungssportlern können noch nicht abschließend beurteilt werden. Die gleichzeitige Gabe von methylgruppenliefernden Substanzen, wie z. B. Betain erscheint wegen der Gefahr der Bildung von Homocystein bei alleiniger GAA-Verabreichung angezeigt.[12]

Einzelnachweise

  1. a b Datenblatt Guanidinoessigsäure bei Acros, abgerufen am 16. Februar 2013.
  2. a b Eintrag zu Glycocyamine in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM), abgerufen am 8. Februar 2013.
  3. a b Datenblatt Guanidineacetic acid, 99% bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 16. Februar 2013 (PDF).
  4. Guanidinoessigsäure in der Ferkelfütterung - Auswirkungen auf die Aufzuchtleistungen Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft Institut für Tierernährung und Futterwirtschaft abgerufen am 9. Mai 2020
  5. M. Strecker, Jahresber. Fortschr. Chem. Verw., (1861), 530, doi:10.1002/jlac.18611180303.
  6. H.I. Wheeler, H.F. Merriam, J.Amer.Chem.Soc., 29 (1903), 478–492.
  7. Alzchem: NCN Chemistry News (PDF; 844 kB), Ausgabe 1/2011.
  8. Patent US8227638: Process for preparing creatine, creatine monohydrate and guanidinoacetic acid. Veröffentlicht am 24. Juli 2012, Anmelder: Alzchem Trostberg GmbH, Erfinder: F. Thalhammer, T. Gastner.
  9. Patent US2010143703: Abrasion-resistant free-flowing glycocyamine-containing mouldings and methods for their production. Veröffentlicht am 10. Juni 2010, Erfinder: S. Winkler et al..
  10. DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) 2016/1768 DER KOMMISSION vom 4. Oktober 2016 zur Zulassung von Guanidinoessigsäure als Zusatzstoff in Futtermitteln für Masthühner, Absetzferkel und Mastschweine sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 904/2009 , abgerufen am 19. Mai 2021
  11. Patent EP1758463: GUANIDINO ACETIC ACID USED AS AN ANIMAL FOOD ADDITIVE. Veröffentlicht am 26. Dezember 2007, Anmelder: Degussa AG, Erfinder: T. Gastner, H.-P. Krimmer.
  12. S.M. Ostojic et al.: Co-administration of methyl donors along with guanidinoacetic acid reduces the incidence of hyperhomocysteinaemia compared with guanidinoacetic acid administration alone, Br. J. Nutr. (2013), Jan 28:1–6, doi:10.1017/S0007114512005879.