Marienstiftsgymnasium

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Marienstift-Gymnasium (historische Postkarte)
heutige Ansicht (2009)

Das Marienstiftsgymnasium war ein Gymnasium in der Domstraße von Stettin. Das Fürstliche Pädagogium Stettin aus dem 16. Jahrhundert, aus dem das Marienstiftsgymnasium hervorging, erreichte zeitweise den Rang einer zweiten Landesuniversität nach Greifswald. Einer langanhaltenden Krise, bedingt durch die Kriege im 17. Jahrhundert, folgte im 19. Jahrhundert der Aufstieg zur führenden Schule der Provinz Pommern. Mit der Evakuierung des Marienstiftsgymnasiums während des Zweiten Weltkriegs endete die 400-jährige Geschichte der Bildungseinrichtung.

Geschichte

Nach der Einführung der Reformation in Pommern entstand die Notwendigkeit, ein evangelisches Schulwesen aufzubauen. Hierdurch sollten Geistliche und Beamte herangebildet werden, die das Land benötigte. In Betracht gezogen wurde auch, neben der Universität Greifswald, die zu dieser Zeit nur wenige Studenten besuchten, eine zweite Hochschule in Pommern einzurichten. Im Jahr 1543 stifteten die Herzöge Barnim IX. (XI.) von Pommern-Stettin und Philipp I. von Pommern-Wolgast in Stettin als Zwischenlösung ein Pädagogium.

In der am 25. Oktober 1543 in Jasenitz unterzeichneten Stiftungsurkunde wurde festgelegt, dass in dieser Schule 24 Jungen unterrichtet werden sollten. Sie sollten älter sein als zwölf Jahre. Die Dauer der Schulzeit wurde mit acht Jahren angegeben. Die Finanzierung erfolgte aus den Einnahmen des bisherigen Marienstifts und des bisherigen Ottenkapitels, die jährlich zwischen 8000 und 12.000 Talern lagen. Dazu kamen noch Spenden und das Schulgeld, das die Schüler zu entrichten hatten. Das erste Statut der Schule wurde von Paul vom Rode entworfen.

Hauptfach war die Lateinische Sprache, die gleichzeitig Unterrichtssprache war. Dazu kamen Griechisch und Hebräisch. Anhand der klassischen Literatur sowie der Bibel wurden Rhetorik und Dialektik studiert. Ebenso wichtig war die Theologie, die nach Lehrwerken Martin Luthers und besonders Philipp Melanchthons unterrichtet wurde. In der Praxis erlernten die Schüler die christliche Liturgie und das religiöse Zeremoniell, Gesang und Orgelspiel eingeschlossen. Neben der im Theologieunterricht behandelten Philosophie, später auch Biologie und Geographie, bildeten Mathematik, Astronomie und Rechtswissenschaften geringere Anteile der durchschnittlich 30 Wochenstunden.

Die Schule fand durch ihr akademisches Niveau bald Anerkennung. Die Mehrheit der Schüler stammte aus Pommern, die anderen aus Brandenburg, Mecklenburg, Schweden, Ungarn und Polen. Viele Schüler kamen aus Familien des deutschen Landadels.[1] Von der Eröffnung 1544 bis zur Übernahme Stettins durch die Schweden im Dreißigjährigen Krieg hatte die Schule etwa 5500 Absolventen.

Während des Krieges geriet das Pädagogium in eine Krise. Die schlechte finanzielle Lage und der starke Rückgang der Schülerzahl bewog die Schwedische Regierung in Pommern 1667 dazu, das Pädagogium zu schließen. An seiner Stelle wurde das Regnum Gymnasium Carolinum gegründet, das nach dem König Karl XI. von Schweden benannt war. Als der Große Kurfürst von Brandenburg in den Jahren 1676 und 1677 Stettin belagerte, brannte das Gebäude des Gymnasiums nieder. Nach dem Wiederaufbau 1687 wurde es nur von 27 Schülern besucht.

Nach der Einnahme Stettins durch brandenburgische Truppen 1715 ließ der neue preußische Landesherr Friedrich Wilhelm I. die Schule unter dem Namen „Akademisches Gymnasium“ weiterführen und ordnete das Kuratorium neu. Die Schülerzahlen blieben im weiteren Verlauf des 18. Jahrhunderts gering, so waren es 1768 nur sechs Schüler. 1777 schrieben sich 17 Schüler ein. Eine von den Professoren Nikolaus Maaß und Heinrich Moritz Titius mit einigen Studierenden 1751 gegründete Redner- und Dichtergesellschaft zu Stettin ging bereits 1753 wieder ein.[2]

Schließlich erließ Friedrich Wilhelm III. von Preußen 1805 eine Kabinettsorder, womit das Gymnasium mit dem Ratslyzeum zum „Vereinigten Königlichen und Stadt-Gymnasium“ zusammengelegt wurde. Beeinflusst durch die Bildungsreformen Wilhelm von Humboldts entwickelte sich das Gymnasium zur führenden Schule der preußischen Provinz Pommern. Als Bildungseinrichtung, die sich dem Programm des Neuhumanismus verpflichtet fühlte, gehörte neben dem Sprachunterricht (Griechisch, Hebräisch, Latein, Englisch, Französisch) der Unterricht in Geschichte und Geographie sowie Zeichnen und Kalligraphie zu den bevorzugten Bildungsgebieten an der Schule. Seit 1804 wurden an einem Lehrerseminar Grundschullehrer ausgebildet. Die Schülerzahl an der vom Bürgertum sehr geschätzten Schule nahm wieder stark zu und erreichte 1863 rund 750 Personen. Im Jahr 1869 erfolgte daher eine Aufteilung in das Stadtgymnasium und das Marienstiftsgymnasium, dem das Jageteufelsche Collegium angeschlossen wurde. Trotz der Teilung blieb die Schülerzahl hoch. So besuchten 1879 655 und 1905 725 Schüler das Marienstiftsgymnasium.

Bei seinem humanistischen Hintergrund wurde das Marienstiftsgymnasium im Dritten Reich die Schule der Bekennenden Kirche. Im Zweiten Weltkrieg wurde es denn auch zum Feldlazarett umgewidmet.

Wegen der Gefahr von Luftangriffen erfolgte 1943 eine Verlegung beider Stettiner Gymnasien nach Stargard, 1944 dann ins Innere Deutschlands, womit die Geschichte des Marienstiftsgymnasiums ihr Ende fand.

Zwischen den ehemaligen Schülern des Marienstiftsgymnasiums und dem Katharineum zu Lübeck entstand in den 1950er Jahren eine Patenschaft, die bis heute besteht.

Gebäude

Heutiges Schulgebäude: Liceum Nr. 2 von 1915 in der Schlutowstraße (ul. Henryka Pobożnego)

An der Stelle der 1789 durch ein Feuer zerstörten St.-Marien-Kirche wurde 1830–1832[3] das „Alte Marienstiftsgymnasium“ im klassizistischen Stil gebaut. Das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Gebäude wurde originalgetreu wieder aufgebaut und beherbergt heute wieder ein Gymnasium.[4]

1915 wurde in der Schlutowstraße (ul. Henryka Pobożnego) das Neue Marienstiftsgymnasium eingeweiht. In diesem Gebäude befindet sich heute die 2. Allgemeinbildende OberschuleMieszko I.“ Stettin (II Liceum Ogólnokształcące im. Mieszka I w Szczecinie).

Bekannte Schüler und Lehrer

Schüler

Lehrer

Zeitraum Name Lehrtätigkeit Sonstige Tätigkeiten
1554–1557 Caspar Landsidel Rektor
1556–1588 Christoph Stymmelius Theologie von 1570 bis 1572 Generalsuperintendent von Pommern-Stettin
1579–1592 Konrad Bergius Rektor, Rhetorik, Theologie
1587–1630 Philipp Dulichius Musik
1589–1592 Salomon Gesner Rektor, Theologie
1592–1594 Friedrich Runge Theologie
1594–1636 Daniel Cramer Theologie
1612–1649 Heinrich Kielmann Konrektor. Griechisch, Poesie
1615–1623 Valentin von Winther Direktor;
1641–1648 Andreas Fromm Musik
1641–1658 Johannes Micraelius Rektor
1642–1654 Jakob Fabricius Theologie
1647– Johann Sithmann Recht
1650–1660 Heinrich Schaevius Griechisch, Poesie später Rektor am Thorner Gymnasium
1668–1668 Konrad Tiburtius Rango Theologie
1668–1676 Johann Georg Ebeling Musik, Griechisch
1668–1678 Andreas Gottfried Ammon Rektor
1672–1676 Martin Lipenius Rektor
1678– ? Johann Ernst von Pfuel Rektor später Hofprediger des Herzogs zu Mecklenburg, Kirchenrat von Mecklenburg-Güstrow
1710–1721 Laurentius David Bollhagen Theologie, orientalischen Sprachen
1716–1752 Johann Samuel Hering Recht
1716–1757 Michael Friedrich Quade Rektor, Philosophie und Stil
1751–1753 Johann Daniel Denso Beredsamkeit und Dichtkunst
1752–1773 Johann Carl Conrad Oelrichs Recht
1764–1774 Johann Adolph Schinmeier Rektor, Theologie und Orientalistik
1774–1797 Johann Jacob Meyen Physik, Mathematik
1788–1816 Johann Jakob Sell Rektor, Geschichte und Rhetorik
1797–1815 Georg Wilhelm Bartholdy Mathematik, Physik
1803–1854 Karl Friedrich Wilhelm Hasselbach Rektor (ab 1828)
1805–1828 Friedrich Koch Konrektor (ab 1805), Rektor (1816–1828) zunächst gleichzeitig, ab 1828 vollzeitlich Schulrat der Provinzialregierung
1810–1813 Georg Friedrich Pohl Naturwissenschaften
1816–1866 Ludwig Giesebrecht Deutsch, Geschichte, Theologie
1820–1866 Carl Loewe Musik
1822–1876 Herrmann Hering Geschichte, Latein und Deutsch
1827–1842 Wilhelm Böhmer Philologe veröffentlichte zur Geschichte Pommerns
1829–1840 Karl Gottfried Scheibert Religion, Sprachen, Mathematik und Geschichte
1841–1883 Ludwig Most Kunst
1847–1866 Paul Heinrich Balsam Mathematik Mathematikhistoriker, später besoldeter Stadtrat und Stadtschulrat in Stettin
1847–1855 Hermann Rassow später Oberschulrat im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach
1849–1852 Karl Sachs Sprachen, Mathematik, Geschichte schuf mit Césaire Villatte das Langenscheidt Großwörterbuch Französisch Sachs-Villatte
1851–1856 Gustav Wendt Altphilologie später Oberschulrat im Großherzogtum Baden
1852–1859 Franz Kern Deutsch, Sprachen
1852–1877 Hermann Graßmann Mathematik, Sprachen
1853–1857 Hugo Ilberg Deutsch
1856–1877 Albert Heydemann Direktor
1866–1910 Karl Adolf Lorenz Musik
1871–1912? Hugo Rühl Sport
1873–1881 Hugo Lemcke Oberlehrer
1884–1912 Martin Wehrmann Oberlehrer
1914–1930 Carl Fredrich Direktor; Deutsch, Geschichte
1914–1945 Ernst Zahnow Geographie, Germanistik und Romanistik
1919–1944 Wilhelm Bormes Studienrat; Kunst

Literatur

  • Martin Wehrmann: Geschichte des Marienstifts-Gymnasiums 1544–1894. In: Festschrift zum dreihundertfünfzigjährigen Jubiläum des Königlichen Marienstifts-Gymnasiums zu Stettin am 24. und 25. September 1894. Herrcke & Lebeling, Stettin 1894.
  • Martin Wehrmann: Geschichte von Pommern. Bd. 2, Friedrich Andreas Perthes, Gotha 1919–21. Reprint: Weltbild Verlag 1992, ISBN 3-89350-112-6, S. 44ff.
  • Sylwia Wesołowska: Das Fürstliche Pädagogium bzw. Gymnasium Carolinum in Stettin. In: Dirk Alvermann, Nils Jörn, Jens Olesen: Die Universität Greifswald in der Bildungslandschaft des Ostseeraums. Reihe: Nordische Geschichte. Bd. 5, LIT Verlag Berlin-Hamburg-Münster, ISBN 3-8258-0189-6, S. 105ff

Weblinks

Commons: II Liceum Ogólnokształcące im. Mieszka I w Szczecinie – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Hugo Lemcke: Studierende aus Pommerschen und anderen Adelsgeschlechtern auf dem Pädagogium, später Gymnasium Academicum, aufgenommen 1543 und 1576 – 1665. Mitgetheilt aus der Stiftungsurkunde und dem Album studiosorum. In: Vierteljahresschrift für Heraldik, Sphragistik und Genealogie, IX. Jahrgang, Berlin 1881, S. 71–89.
  2. Andreas Erb: „Dem Gymnasio mehr schädlich, als nützlich gewesen“? – Die „Redner- und Dichtergesellschaft zu Stettin“ (1751–1753). In: Baltische Studien. Band 96 N.F., 2010, ISSN 0067-3099, S. 67–80.
  3. Hans Vogel: Friedrich Schinkel und die Stettiner Baukunst des Klassizismus. In: Unser Pommerland, Heft 8/1927, S. 351. (enthält auch eine Ansicht des Gebäudes nach einer alten Lithografie)
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