Otto Dammer
Johann Gustav Eduard Otto Dammer (* 20. April 1839 in Stettin; † 18. Oktober 1916 in Altkirchen) war ein deutscher Chemiker, Lexikograf, Journalist und Politiker.
Leben und Wirken
Otto Dammer wurde 1839 in Stettin als Sohn des Lehrers Eduard Friedrich Ferdinand Dammer (1812–1850)[1] und seiner Frau Emilie Henriette Ottilie geb. Benoit (1816–1839)[2] geboren; die Mutter starb wenige Tage darauf. Er besuchte in Stettin zunächst die Otto-Schule, an der sein Vater Lehrer war, und später das Marienstiftsgymnasium. Nach der Konfirmation 1853 wurde er Apothekerlehrling bei seinem Onkel Gustav Benoit (1822–1871)[3] in der Elefanten-Apotheke in Berlin und anschließend Apotheken-Gehilfe in Stettin.
Es folgten einige Jahre Studium der Chemie in Berlin (unter Heinrich Rose und Eilhard Mitscherlich) und in Göttingen (unter Friedrich Wöhler und Heinrich Limpricht). Am 15. Dezember 1857 legte er in Gießen das Rigorosum ab und wurde nach Genehmigung seiner Dissertation De fermentatione zum Dr. phil. promoviert. Im August 1860 heiratete er in Gotha Mathilde Bohnenstengel,[4] die Tochter eines Lehrers aus Schützendorf (Kreis Cammin/Pommern).
Gleich nach der Promotion begann er, kleine populäre Artikel zu schreiben, die unter anderem in der Natur (hrsg. in Halle von Otto Ule) und in der Gartenlaube veröffentlicht wurden. Auf Anregung von Professor Emil Adolf Roßmäßler wurde er 1861 Redakteur des Niederschlesischen Anzeigers und Mitarbeiter der Redaktion von Roßmäßlers Zeitschrift Aus der Heimat. Durch Roßmäßler kam Dammer auch in Kontakt mit dem Leipziger Arbeiter-Bildungsverein, wo er in der Folge mehrere Vorträge hielt und unter anderem Alfred Brehm kennenlernte. Durch dessen Vermittlung wurde er 1862 Mitarbeiter an Meyers Bibliographischem Institut.[5]
Aus Unzufriedenheit mit bürgerlichen Konzepten zur Lösung der sozialen Frage trennte sich Dammer 1862 vom Arbeiter-Bildungsverein und gründete zusammen mit Julius Vahlteich und Friedrich Wilhelm Fritzsche einen neuen Arbeiterverein „Vorwärts“. Unter dem Eindruck von Ferdinand Lassalles Arbeiterprogramm und seiner ersten Verfassungsrede traten Dammer, Fritzsche und Vahlteich im Dezember 1862 an Lassalle heran und forderten ihn im Namen des „Komitees zur Einberufung eines allgemeinen deutschen Arbeitertages“ dazu auf, sich an die Spitze der deutschen Arbeiterbewegung zu stellen.
Dammer engagierte sich in der Folgezeit sehr stark im ADAV, dessen Leitung er von Lassalles Abreise in die Schweiz bis Ende 1864 übernahm. Dann legte er dieses Amt nieder, zog mit seiner Familie nach Hildburghausen und widmete sich dort der Arbeit an Meyers Konversationslexikon; dieses betreute er auch in der Folgezeit bis zur sechsten Auflage (1902–1908). Daneben verfasste bzw. edierte er zahlreiche naturwissenschaftliche Werke, darunter das Handbuch der anorganischen Chemie und Des deutschen Knaben Experimentierbuch. Von 1886/87 bis 1890 wirkte Dammer als Mitherausgeber der populärwissenschaftlichen Zeitschrift Humboldt.[6] Sein politisches Engagement scheint Dammer fortan weitestgehend eingestellt zu haben, doch zeigt seine Korrespondenz, dass er auch weiterhin in Kontakt mit der sozialdemokratischen Bewegung blieb.
Von 1869 bis zu seinem Tode lebte Dammer in Berlin (von 1883 an in Friedenau, zuletzt Stubenrauchstr. 67). Zu seinen elf herangewachsenen Kindern zählten der Botaniker Carl Lebrecht Udo Dammer und der Geologe Bruno Dammer, zu seinen Enkelkindern die Benediktinerin Eva „Placida“ Laubhardt, die Malerin und Graphikerin Hildegard Halfar-Dammer und der Maler und Graphiker Joachim Dammer.
Literatur
- Wilhelm Benoit: Geschichte der Familie Benoit von 1621 bis 1909. Macklot, Karlsruhe 1909, S. 207–211.
- Raphael Dammer: Otto Dammer (1839-1916) und seine Angehörigen: Eine Berliner Familie. Cardamina, Koblenz 2022, ISBN 978-3-86424-577-0.
- Otto Dammer. In: Franz Osterroth: Biographisches Lexikon des Sozialismus. Band I. Verstorbene Persönlichkeiten. J. H. W. Dietz Nachf., Hannover 1960, S. 59.
- Martin Hundt: Dammer, Johann Gustav Eduard Otto. In: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Biographisches Lexikon. Dietz Verlag, Berlin 1970, S. 80–81.
- Shlomo Na’aman: Otto Dammer – der erste deutsche Arbeiterfunktionär aus den Reihen der proletarischen Intelligenz. In: Jahrbuch des Instituts für Deutsche Geschichte. Tel Aviv 1973
- Helga Grebing: Dammer, Otto. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 3, Duncker & Humblot, Berlin 1957, ISBN 3-428-00184-2, S. 501 (Digitalisat).
- Andreas W. Daum: Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert. Bürgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und die deutsche Öffentlichkeit, 1848–1914. 2., erg. Aufl., Oldenbourg, München 2002, ISBN 978-3-486-56551-5.
- Wolfgang Schröder: Leipzig – die Wiege der deutschen Arbeiterbewegung. Wurzeln und Werden des Arbeiterbildungsvereins 1848/49 – 1878/81. Karl Dietz Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-320-02214-3, S. 12, 57, 62, 68, 339.
Weblinks
- Literatur von und über Otto Dammer im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Dokumente über Otto Dammer im Archiv des International Institute of Social History (Amsterdam): Suchfunktion
Einzelnachweise
- ↑ Eduard Friedrich Ferdinand Dammer auf genealogy.net
- ↑ Emilie Henriette Ottilie Benoit auf genealogy.net
- ↑ Gustav Benoit auf genealogy.net (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Mathilde Bohnenstengel auf genealogy.net
- ↑ Andreas W. Daum: Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert. Bürgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und die deutsche Öffentlichkeit, 1848–1914. Oldenbourg, München 2002, S. 156–158, 205–207, 482.
- ↑ Andreas W. Daum: Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert. Bürgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und die deutsche Öffentlichkeit, 1848–1914. München 2002, S. 365.
Personendaten | |
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NAME | Dammer, Otto |
ALTERNATIVNAMEN | Dammer, Johann Gustav Eduard Otto |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Chemiker, Journalist und Politiker |
GEBURTSDATUM | 20. April 1839 |
GEBURTSORT | Stettin |
STERBEDATUM | 18. Oktober 1916 |
STERBEORT | Altkirchen |