Hallescher Dichterkreis

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Hallescher Dichterkreis 1733

Den ältesten halleschen Dichterkreis gründete 1733 der Pietist Samuel Gotthold Lange (1711–1781). Mitglieder waren Jakob Immanuel Pyra (1715–1744) und andere Theologen. Anfangs waren sie Anhänger Gottscheds, später suchten sie der Gottschedschen Schule entgegenzuwirken. Ihr Werk Erweis, dass die Gottschedianische Sekte den Geschmack verderbe (1743) setzte den Zürcher Literaturstreit in Deutschland fort. Sie waren Feinde des Reims, den sie durch Einführung der antiken Versmaße zu verdrängen suchten. Ihre Gedichte erschienen zusammen unter dem Titel „Thyrsis’ und Damons freundschaftliche Lieder“ (Zürich 1745). Beachtenswert ist, dass diese empfindsame Lyrik später Klopstock anregte, reimlos zu schreiben.

Hallescher Dichterkreis 1739

Der Hallesche Dichterkreis wurde 1739 von Johann Peter Uz (1720–1796), Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719–1803) und Johann Nikolaus Götz (1721–1781) als Gegenmodell zum pietistisch geprägten älteren halleschen Dichterkreis gegründet. Sie versuchten als Vertreter der Hallischen Anakreontik eine deutsche Rokokodichtung zu begründen. Das „memento mori“/„vanitas“ des Barock weicht einer lebensbetonten leichten Lyrik („carpe diem“), die nun auch alltägliche Zusammenhänge bedichtet. Impulse erhielten die halleschen Dichter aus den philosophischen Vorlesungen Alexander Gottlieb Baumgartens und Georg Friedrich Meiers. Gleichzeitig entwickelte sich ein Kreis der Anakreontiker um den in Hamburg wirkenden Friedrich von Hagedorn (1708–1754).

1746 veröffentlichte Götz eine Übersetzung der Oden Anakreons in reimlosen Versen, zum Ärger Uzens, der sie noch nicht für druckreif hielt. Charakteristisch für diese frühe Phase ist, ein Gegenmodell zum Pietismus in Halle zu entwerfen und eine Kultur der Sinnlichkeit – auch in Abkehr von barocker Todesfurcht – zu besingen. Themenkreise sind Liebe, Wein, Scherze, Tanz und heitere Geselligkeit. Der ganze Mensch jenseits von Vernunft und Arbeitsethos wird in den Blick genommen. Zentralmotive sind die Schäferei und Bacchus (Dionysos).

Hallescher Dichterkreis 1991

Der Hallesche Dichterkreis wurde im Anschluss an ein Lyrikseminar an der Martin-Luther-Universität Halle 1991 von Ralf Meyer, Gero Hirschelmann, Volker Dietzel und anderen wieder gegründet. Der Dichterkreis umfasste 2006 rund 25 Literaten, die sich regelmäßig zur Schreibwerkstatt treffen. Zahlreiche Romane wie zum Beispiel Konzert für Stubenfliege und Orchester von Wolfgang Rüb wurden im Halleschen Dichterkreis in der Entstehungszeit besprochen; er ist eine wichtige Anlaufstelle für Nachwuchsautoren in der Literaturlandschaft Mitteldeutschlands geworden. Während in den ersten Jahren sich insbesondere junge Lyriker zusammenfanden, die um die Wiederentdeckung des literarischen Pathos stritten, kamen in den späteren Jahren auch Prosaautoren hinzu. Grundmaximen der gemeinsamen Arbeit sind, dass Texte funktionieren müssen und dass sie einer inneren Logik gehorchen.

Wichtige Vertreter des Kreises sind Dirk Bierbaß, Udo Grashoff, Ronald Gruner, Christine Hoba, Gabriel Machemer, André Schinkel, Simone Trieder und Christian Kreis. Dazu gehört auch Marina Zühlke, die selbst nie etwas vorträgt, aber deren Urteile gut begründet sind.

Werke

Neben zahlreichen Veröffentlichungen der einzelnen Autoren gab es auch gemeinschaftliche Publikationen.

  • 1993 entstand die Anthologie „intermezzo sich pfählender schlangen“.
  • Thomas Böhme, Gero Hirschelmann und Udo Grashoff gaben 1994 bis 1997 die Hefte der Edition Pulverweide heraus.

Quellen

  • Anakreontik: Zweiter Hallescher Dichterkreis – Gleim, Götz, Rudnick, Uz von Hans-Joachim Kertscher (Autor), Günther Schenk (Herausgeber), Manfred Schwarz (Herausgeber) ISBN 3-929-88700-2
  • Frank Czerwonn: Werkstatt-Lesung. Schwäne in den Köpfen. In: Mitteldeutsche Zeitung vom 6. April 2000, S. 12.
  • Hallescher Dichterkreis. Kneipenrunde beflügelt Poeten. In: Mitteldeutsche Zeitung vom 19. Februar 1997, S. 8.
  • Simone Trieder: Literarische Kommunikation: Meine Droge. Mein Gottesdienst. Der Dichterkreis in Halle. In: angezettelt. Informationsblatt des Sächsischen Literaturrates e.V. 1/2004, S. 17/18.