Hans Aebli

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Hans Aebli (* 6. August 1923 in Zürich; † 26. Juli 1990 in Burgdorf) war ein Schweizer Psychologe auf dem Gebiet der Entwicklungs- und Kognitionspsychologie, der Lernpsychologie und der Psychologie des Handelns.

Leben

Aebli studierte ab 1939 in Zürich zunächst zum Primarlehrer, dann Psychologie, Pädagogik und Philosophie an der Universität Genf, der Universität von Minnesota und wieder in Genf, wo er 1951 bei Jean Piaget promovierte. Von 1950 bis 1962 arbeitete er am Zürcher Oberseminar in der Lehrerausbildung, 1955 bis 1957 unterbrochen für eine Lehrstuhlvertretung in Saarbrücken. 1962 wurde er als Professor an die Freie Universität Berlin berufen, 1966 an die Universität Konstanz, 1971 als Direktor der Abteilung Pädagogische Psychologie an die Universität Bern. Dort lehrte er bis zur Pensionierung 1988 und war in vielen Hochschul- und politischen Gremien vertreten.[1][2] Aeblis Interesse galt lebenslang der Professionalisierung der Lehrerbildung in der Schweiz.

Aebli hat mehrere Ehrendoktorate (Universität Turku, Pädagogische Hochschule Kiel) erhalten.

Am Ende seines Lebens ist Aebli mit seiner Frau den Jakobsweg nach Santiago de Compostela gewandert und hat darüber ein Buch Santiago, Santiago verfasst, das noch vor seinem Tod fertig wurde. Es hat acht Auflagen erreicht.

Wissenschaftliches Werk

Aebli hat das schulische Lehren und Lernen durchschaubarer gemacht, indem er mit seiner Theorie des Denkens und Verstehens und der aus dem Handeln hervorgehenden Begriffsbildung eine moderne lernpsychologisch gestützte Didaktik entwickelt hat. Sein besonderes Interesse galt der kognitionspsychologischen Grundlegung des Unterrichts.

Die wesentlichen Zusammenhänge der Pädagogischen Psychologie klärt er in Denken: Das Ordnen des Tuns (1980/81). Mit einer Geschichte der Gestaltpsychologie beginnt der 1. Band und führt über Otto Selz, Edward Tolman, Frederic Charles Bartlett (Schemaforschung) und Piaget auf die Forschungen zum semantischen Gedächtnis und zur Linguistik (Noam Chomsky, Fillmores Konstruktionsgrammatik) weiter. Dann entwickelt Aebli seine eigene Handlungstheorie. Die zentralen Begriffe im 2. Band sind: I. Problemlösen, II. Begriffsbildung, III. Begriffsaufbau (Textgrammatik), IV. Wissen: Schema und System, V. Wissen: Objekte, Abstraktion, Qualität/Quantität, VI. Medien des Denkens, VII. Sprache als Medium des Handelns und Sprechens, VIII. Denken, Lernen, Entwicklung und Erziehung.

Lernende müssen ihr Wissen selbst aufbauen, was am besten über Problemlösen geschieht. Die Lernprozesse sollten im Unterricht folgende Schritte durchlaufen:[3]

- Problemlösendes Aufbauen: Das vom Lehrer gestellte Problem soll auf die geforderten Operationen führen und die sachlichen Beziehungen und Strukturen verdeutlichen. Es kann in lebenspraktische Zusammenhänge verpackt werden. Die Lerner lösen das gestellte Problem, wobei sie noch dem spezifischen Fall eng verhaftet bleiben.

- Durcharbeiten: Um sich davon zu lösen, sind die Handlungen, Begriffe und Operationen durchzuarbeiten, d. h. vielfältigen Transformationen zu unterziehen und aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.

- Üben: Das Gelernte ist zu automatisieren (üben) und zu konsolidieren.

- Anwenden: Handlungen, Operationen und Begriffe sind mannigfaltig anzuwenden, um sie auf neue Kontexte und Situationen übertragbar (Transfer) zu machen.

Aeblis Zwölf Grundformen des Lehrens (1983) enthalten eine theoretische Klärung und sehr praktische Hinweise für die Unterrichtsplanung, angefangen von den fünf Medien Erzählen, Zeigen, Anschauen, Lesen, Schreiben über die drei Gegenstandsstrukturen Handlung, Operation, Begriff bis zu den vier Prozessfunktionen Problemlösen, Durcharbeiten, Üben/Wiederholen und Anwenden.[4]

Zur Funktion des Problemlösens unterscheidet Aebli mehrere Typen von Problemen:

  1. Probleme, die sich ergeben, weil unser Bild der Wirklichkeit Lücken aufweist, „Probleme mit Lücke“ (Max Wertheimer), fehlende Geschlossenheit der Gestalt, weiter unterteilbar in Interpolations- (lösbar durch eine Transformation) und offene Gestaltungsprobleme (lösbar durch neue Verknüpfungen). Wichtige Zwischenstationen sind die Prüfungen der Zwischenergebnisse und das Ausschließen von „Holzwegen“.
  2. Probleme, bei denen ein Widerspruch in unseren Wahrnehmungen und Aussagen vorliegt (Kognitive Dissonanz);
  3. Probleme, die sich aus einer unnötigen Kompliziertheit, Aufblähung unserer Weltsicht oder Handlungspläne ergeben, zum Beispiel bei Aufgabe der Textzusammenfassung, der Trennung des Wichtigen vom Unwichtigen.[5]

Die operative Methode Aeblis zielt auf einen handlungsorientierten Unterricht ab, in dem die Schüler selbständig das Problemlösen angehen und es schrittweise bewältigen. Für den Mathematikunterricht begründete er die Methode des operativen Lernens in 9 Stufen mit:[6][7]

  1. Erfassen des Textes
  2. Vereinfachen durch Schemata oder Skizzen
  3. Erkennen der erfassten Elemente
  4. Relationen zwischen den erfassten Elementen herstellen
  5. Übertragung in eine angemessene mathematische Sprache
  6. Formulierung des Problems
  7. Lösung der Aufgabe
  8. Interpretation des Ergebnisses
  9. Variation der Aufgabenstellung

Schriften

  • Didactique psychologique. Application à la didactique de la psychologie de Jean Piaget. Neuchâtel: Delachaux & Niestlé (1951). Dissertation, betreut von Jean Piaget.
    • Deutsch: Psychologische Didaktik. Didaktische Auswertung der Psychologie von Jean Piaget. Stuttgart: Klett, 1963 (Original 1951)
  • Über die geistige Entwicklung des Kindes, Habilitation (Zürich 1960), als Buch 1963.
  • Denken: das Ordnen des Tuns. Bd. 1: Kognitive Aspekte der Handlungstheorie. Stuttgart: Klett-Cotta (1980). ISBN 978-3608916645
  • Denken: das Ordnen des Tuns. Bd. 2: Denkprozesse. Stuttgart: Klett-Cotta (1981).
  • Santiago, Santiago… Auf dem Jakobsweg zu Fuß durch Frankreich und Spanien. Stuttgart Klett-Cotta (1990 u.ö.). ISBN 978-3608953961

An seinem Hauptwerk, Grundformen des Lehrens, hat Aebli jahrzehntelang gearbeitet; es ist in sehr verschiedenen Fassungen erschienen:

  • Grundformen des Lehrens. Ein Beitrag zur psychologischen Grundlegung der Unterrichtsmethode. Stuttgart: Klett (1961).
  • Grundformen des Lehrens. Eine Allgemeine Didaktik auf kognitionspsychologischer Grundlage. Stuttgart: Klett (vollständig überarbeitete, stark erweiterte Neuauflage: 1976).

Zuletzt hat Aebli das Material auf zwei Bände aufgeteilt:

  • Zwölf Grundformen des Lehrens. Eine Allgemeine Didaktik auf psychologischer Grundlage. Stuttgart: Klett-Cotta (1983). ISBN 3-608-93044-2
  • Grundlagen des Lehrens (Bd. 2 der „Zwölf Grundformen des Lehrens“). Stuttgart: Klett-Cotta (1987). ISBN 3-608-93116-3

Literatur

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Urs Aeschbacher: Universität Bern: Zur Emeritierung von Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Aebli, M.A., Leiter der Abteilung Pädagogische Psychologie. In: Beiträge zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung. Band 6, Nr. 3, 1988, ISSN 0259-353X, S. 300–305, urn:nbn:de:0111-pedocs-131398 (Volltext [PDF; 573 kB; abgerufen am 15. August 2020]).
  2. Kurt Reusser, Matthias Baer: Denk- und Entwicklungspsychologe, Didaktiker und Lehrerbildner. In: Beiträge zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung. Band 8, Nr. 3, 1990, S. 253–259, urn:nbn:de:0111-pedocs-131943 (Volltext [PDF; 573 kB; abgerufen am 16. August 2020]).
  3. Frank Lipowsky: Aeblis Entwurf einer kognitionspsychologischen Didaktik. (PDF) 2015, abgerufen am 27. Dezember 2021.
  4. Hans Aebli: Zwölf Grundformen des Lehrens. 2. Auflage. Klett-Cotta, Stuttgart 1985, ISBN 3-608-93044-2 (Inhaltsverzeichnis [PDF; abgerufen am 27. Dezember 2021]).
  5. Hans Aebli: Zwölf Grundformen des Lehrens : eine allgemeine Didaktik auf psychologischer Grundlage; Medien und Inhalte didaktischer Kommunikation, der Lernzyklus. 13. Auflage. Klett-Cotta, Stuttgart 2006, ISBN 3-608-93044-2, S. 277–295.
  6. Hans Aebli: Das operative Prinzip. In: Mathematik lehren. Nr. 11. Friedrich, 1985, S. 4–6.
  7. Erich Christian Wittmann: Objekte-Operationen-Wirkungen: das operative Prinzip in der Mathematikdidaktik. In: Mathematik lehren. Nr. 11. Friedrich, 1985, S. 7–11.