Heidelberger Kreis (Vortragsgesellschaft)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Der Heidelberger Kreis ist eine im Jahre 1946 gegründete studentische Gemeinschaft[1] an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, den Rahmen für einen fächerübergreifenden und überparteilichen Gedankenaustausch unter Studierenden zu schaffen. Dazu finden unter anderem wöchentlich Vorträge von Referenten sämtlicher Fachrichtungen statt, die im Anschluss in kleinem Kreis zur Diskussion stehen.

Geschichte

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs bildete eine Gruppe nach Heidelberg heimgekehrter Studenten wöchentliche Gesprächsrunden, um das Erlebte zu verarbeiten und die eigenen Zukunftsvisionen auszutauschen. Offizielles Gründungsdatum war der 15. Mai 1946. Im Sommersemester 1946 fanden dazu erstmals Vorträge statt. Der daraus entstandene Freundeskreis legte den Abenden gemeinsame Ziele zu Grunde: parteipolitische und religiöse Neutralität, den Aufbau demokratischer Strukturen und die Förderung der europäischen Einigung. 1947 gab sich der Kreis eine formale Konstitution, die den Fortbestand gewährleisten sollte. Die Form des Zusammenlebens in einer studentischen Vereinigung wurde modifiziert, indem man sich bemühte, Elemente studentischer Tradition mit den Forderungen nach einer modernen, weltoffenen, demokratischen Gesellschaft zu verbinden. Dabei wurde bewusst auf ein streng hierarchisches System verzichtet. Von klassischen Elementen einer Verbindung distanzierte man sich klar.[2][3]

In den folgenden Jahren entwickelten sich freundschaftliche Verhältnisse zu ähnlich strukturierten Gesellschaften anderer Universitäten, wie zum Beispiel der Bremer Gesellschaft in Freiburg, der Göttinger Gesellschaft Max Eyth, und dem Bonner Kreis. Im Jahre 1955 wurde ein gemeinsamer Dachverband, der so genannte Präsidialconvent gegründet. In den 1960er Jahren, als die Einflüsse des Krieges und der Gründungsgeneration nachließen, widmete man sich zunehmend anderen Themen und gestaltete die Vortragsabende anhand aktueller Themen und der Interessen der Mitglieder. Ab Mitte der 1970er-Jahre konnten auch Studentinnen in den Kreis aufgenommen werden. Etwa zur gleichen Zeit wurde ein Flügel des Palais Weimar in der Hauptstraße 235 als Sitz des Heidelberger Kreises gewonnen.

Seit Anfang 2019 bewohnen die Mitglieder des Heidelberger Kreises das Kulturdenkmal Friesenberg 4–6.[4] Das vom Land Baden-Württemberg verpachtete Grundstück wurde aufwendig saniert und bietet elf Studierenden Wohnraum. In der Bibliothek des Friesenbergs finden unter dem Semester weiterhin die öffentlichen und kostenfreien Vorträge statt.[5][6]

Vorträge

Der Heidelberger Kreis unterscheidet sich von vielen anderen studentischen Vereinigungen dadurch, dass der Schwerpunkt der gemeinsamen Aktivitäten in den Vortragsabenden liegt. So haben seit 1952 mehr als 1000 Vorträge stattgefunden. Viele der Vorträge werden von Professoren der Universität Heidelberg gehalten, es treten jedoch auch regelmäßig Sprecher auf, die überregional bekannt sind. So sprachen in den letzten Jahren im Heidelberger Kreis unter anderem:[7]

  • 1954: Fritz Rau (Jazzer und Konzertveranstalter) über Jazz in eigener Sache
  • 1999: Frank Schirrmacher (FAZ-Mitherausgeber und Feuilletonchef) über Die Walser-Bubis-Debatte
  • 2004: Philipp Freiherr von Boeselager (Überlebender der Männer des 20. Juli 1944) über seinen Weg in den Widerstand
  • 2008: Hilmar Kopper (ehemaliger Vorstandssprecher der Deutschen Bank) über Aspekte der Globalisierung
  • 2008: Thomas Gsella (Satiriker) über satirische Lyrik und Prosa
  • 2010: Franziska Brantner (Mitglied des Europäischen Parlaments und Bundestagsabgeordnete)
  • 2010: Steffen Seibert (Journalist und Regierungssprecher) über Meine Arbeit als UNICEF-Botschafter
  • 2012: Harald zur Hausen (Medizinnobelpreisträger)
  • 2014: Anne Peters (Direktorin des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht)
  • 2014: Donata Freifrau Schenk v. Schweinsberg (Vizepräsidentin des Deutschen Roten Kreuz)
  • 2017: Bernhard Schlink (Rechtsprofessor und Autor)
  • 2017: Angelina Whalley (Direktorin des Instituts für Plastination in Heidelberg, Kuratorin der „Körperwelten“-Ausstellungen)
  • 2021: Susi Erdmann (siebenfache Weltmeisterin im Rennrodeln und Zweierbob)
  • 2021: Florian Toncar (Abgeordneter des Deutschen Bundestages und Obmann des Wirecard -Untersuchungsausschusses)
  • 2021: Richard Oetker (deutscher Unternehmer und Entführungsopfer)
  • 2022: Alena Buyx (Vorsitzende des Deutschen Ethikrats)

Literatur

  • Gerhard Berger: Weiland Bursch zu Heidelberg. Eine Festschrift der Heidelberger Korporationen zur 600-Jahr-Feier der Ruperto Carola. Heidelberger Verlagsanstalt u. Druckerei, Heidelberg 1987, ISBN 3920431634

Weblinks

Einzelnachweise