Heinrich Ehrhardt

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Datei:ERHARDT(1923) Hammerschläge (Frontispiece) Heinrich Erhardt (1840-1928).jpg
Heinrich Erhardt (ca. 1922), unterschrieben mit Heinz Ehrhardt

Heinrich Ehrhardt (* 17. November 1840 in Zella St. Blasii; † 20. November 1928 in Zella-Mehlis, teilweise auch Heinrich Erhardt) war ein deutscher Erfinder, Unternehmer und Manager.

Leben

Der bereits im Alter von drei Jahren zum Vollwaisen gewordene Ehrhardt entstammte einer in Zella St. Blasii ansässigen Büchsenmacher-Familie. Seine Kindheit verbrachte der Junge in der Werkstatt eines Onkels, wo er in allen handwerklichen Techniken des Büchsenmacherhandwerks und der Metallbearbeitung geübt wurde, aber in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs. Ein weiterer Onkel war der später als erfolgreicher Lokomotiv-Hersteller und Erfinder in Dresden lebende Johann Heinrich Ehrhardt.

Nach dem vorzeitigen Abbruch der Lehre fand er in Erfurt in einem Reparaturwerk der Preußischen Staatseisenbahn eine Anstellung und nahm auf eigene Kosten eine Ausbildung in technischem Zeichnen und Maschinenbau bei einem Privatlehrer auf. 1860 folgte eine mehrjährige Beschäftigung in der Sömmerdaer Gewehrmanufaktur Dreyse, wo er bei einem Arbeitsunfall fast ums Leben gekommen wäre. Die handwerkliche Präzision Ehrhardts fand Bestätigung durch einen Auftrag von Geräten für das Polytechnikum Dresden. Um 1864 lernte und arbeitete er in der Maschinenfabrik von Richard Hartmann in Chemnitz,[1] dem größten sächsischen Unternehmen.

Erhardt heiratete 1868 in Freiberg Augustine Winckler, die Tochter eines Mühlenbesitzers aus dem Elsaß. Das Paar war fünfzig Jahre verheiratet und hatte acht Kinder.

Im Jahr 1873 ließ sich Ehrhardt in Düsseldorf als Zivilingenieur nieder. Im selben Jahr wurde er Mitglied des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI). 1878 kaufte Erhardt Grundstück und Gebäude der 1539 errichteten Obermühle in seinem Geburtsort und baute das Hauptgebäude zu seinem Wohnhaus um. Hier verstarb er am 20. November 1928. Nach seinem Tod verblieb das Gebäude weiterhin im Eigentum seiner Familie.[2]

Heinrich Ehrhardt erteilte außerdem den Auftrag zum Bau einer Villa in der Oberzella, heute Blechhammer 3 in Zella-Mehlis. Dieses Haus wurde zum Wohnort seines Sohnes Gustav und dessen Familie. Sein Nachkomme war Leiter der Zeller Heinrich-Ehrhardt-AG. Abt. Automobil. Nach dem 1. Weltkrieg und dem Konkurs der Ehrhardt-Werke 1925 verkaufte die Familie die Villa.

Patente und Gründungen

128 Patente wurden von ihm im Deutschen Reich registriert. Die 1891 patentierten Verfahren, die unter dem „Ehrhardt'schen Preß- und Ziehverfahren“ zur Fabrikation nahtloser Rohre bekannt wurden, werden heute noch in der Industrie angewendet. Bekannt machte ihn auch die Entwicklung des Rohrrücklaufgeschützes. Die 7,5-cm-Gebirgskanone Modell Ehrhardt 04, an deren Entwicklung und Produktion er maßgeblich beteiligt war, wurde nach ihm benannt.

Er gründete unter anderem 1878 eine Metall- und Waffenfabrik in Zella St. Blasii, 1896 die Fahrzeugfabrik Eisenach und 1903 ebenfalls in Zella-St. Blasii die Ehrhardt-Automobil AG. Als 1889 zur großtechnischen Anwendung des patentierten „Ehrhardt'schen Loch-Preßverfahrens“ für die Munitionsherstellung die Rheinische Metallwaaren- und Maschinenfabrik AG in Düsseldorf gegründet wurde, übernahm er neben seinen eigenen unternehmerischen Aktivitäten auch die Leitung dieses Unternehmens, die er erst 1920 – im Alter von 80 Jahren – abgab.

Personenwagenbau

Wartburg-Motorwagen 1898

Ehrhardt besaß anfänglich 31,2 Prozent des Aktienkapitals der Aktiengesellschaft Fahrzeugfabrik Eisenach (FFE), die zuerst Geschütze und Fahrräder der Marke „Wartburg“ herstellte. Bereits Ende 1898 erfolgte die Produktion des ersten Automobils unter der Bezeichnung „Wartburg-Motorwagen“ nach dem Vorbild des französischen Decauville-Zweizylinders, für den Heinrich Ehrhardt die Lizenz erworben hatte. Damit war die Fahrzeugfabrik Eisenach nach der Daimler-Motoren-Gesellschaft und Benz & Cie. das dritte Unternehmen in Deutschland mit einer Automobilproduktion. Ehrhardts Sohn Gustav leitete das Werk in Eisenach, das schon Ende des 19. Jahrhunderts mit 1.300 Arbeitern zu den Großbetrieben in Thüringen gehörte.

Um die Öffentlichkeit und die Aktionäre von der Qualität des „Wartburg“-Motorwagens zu überzeugen, fuhr Heinrich Ehrhardt mit diesem und einem Begleiter die steile Straße zur Wartburg hinauf, was der Wagen auch schaffte.

Ab 1903 zogen sich die Ehrhardts nach Verlusten und Meinungsverschiedenheiten mit den Hauptaktionären aus dem Unternehmen zurück, wobei sie die Decauville-Lizenz behielten, und gründeten die Ehrhardt Automobil AG. Diese stellte Luxusautos, wie die „Kaiserklasse“-Limousine her. Ein Prospekt aus dem Jahre 1911 gibt eine Leistung von 50 PS aus 8 Litern Hubraum an. Der Preis betrug 26.000 Mark. 1922 übernahm Szawe das Unternehmen.

Nutzfahrzeugbau

Übersicht von bekannten Fahrzeugen:

Heinrich Ehrhardt richtete 1903 in seiner Heimatstadt Zella-St. Blasii unter seinen Namen für den Sohn Gustav eine Fabrik als Ehrhardt Automobil AG für den Personen-Nutzfahrzeugbau ein. Diese neue Automobilfabrik, die in der bereits seit 1878 bestehenden Maschinenfabrik untergebracht wurde, fusionierte er mit dem seit 1873 in seinem Besitz befindlichen Unternehmen an der Reichsstraße in Düsseldorf. Es wurden seit 1903 nun auch Lastkraftwagen für die kaiserliche Heeresverwaltung produziert und als „kriegstauglich“ eingestuft. Ab 1906 wurden nur noch die vom Deutschen Reich subventionierten Lkw gebaut. Die Käufer der betreffenden Subventions-Lkw mussten diese dem Heer im Kriegsfalle zur Verfügung stellen. Bisweilen forderte die Heeresverwaltung diese Fahrzeuge auch für Manöver an. Diese Ehrhardt-Lkw wurden in elf Typen angeboten, die ein zulässiges Gesamtgewicht von 2,5 t bis 6 t hatten. Auch ein Ballonabwehr-Spezialfahrzeug mit acht Tonnen Eigengewicht wurde zu Beginn des Krieges gebaut. Bekannt sind auch einige Panzerwagen von Ehrhardt. Um 1924 wurden noch zwei Lkw-Typen mit 35 PS und 80 PS gebaut, 1925 wurde der Nutzfahrzeugbau stillgelegt.[3][4]

Gedenken

  • Noch heute wird das frühere Wohnhaus Ehrhardts in der nach ihm benannten Heinrich-Ehrhardt-Str. 18 als Wohnraum genutzt. Es erinnert die Bürger der Stadt an die bedeutende Persönlichkeit Heinrich Ehrhardts.[2]
  • Das Heinrich-Ehrhardt-Gymnasium in Zella-Mehlis ist nach ihm benannt.
  • In Eisenach ist ein Platz am früheren Standort der Fahrzeugfabrik nach Ehrhardt benannt.

Autobiografie Hammerschläge

Die Selbstbiographie „Hammerschläge“ von Heinrich Ehrhardt gibt dem Leser viele Informationen über Ehrhardts Leben und sein Schaffen. Das Buch trägt den Untertitel „70 Jahre deutscher Arbeiter und Erfinder“. Es beginnt mit Angaben über seine frühste Jugendzeit: er besuchte die Schule und nahm danach eine Lehre bei dem Lehrmeister Peter Ehrhardt auf.

Nach der Lehre ging er der Tätigkeit des Mechanikers nach. Sein Werdegang wird in den Folgekapiteln beschrieben: er wird Techniker, Erfinder, Ingenieur und macht sich in seinem Geburtsort selbstständig. Er gründet 1887 die Maschinenfabrik in Zella St. Blasii – „Zellaer Werke“. Außerdem erbaute er in Düsseldorf 1889 die Ehrhardt-Werke [später: Rheinische Metallwaren- und Maschinenfabrik Aktiengesellschaft (Rheinmetall)] und errichtete in Eisenach im Jahr 1896 eine Fahrzeugfabrik. In dieser Fabrik erfolgte der Bau von Kraftwagen nach einem französischen Muster: Decauville.

Des Weiteren wird in der Biographie über die vielen Patente, die Heinrich Ehrhardt beantragte, berichtet. Vor allem im Kapitel „Die Erfindung des Preß- und Ziehverfahrens“ berichtet er über verschiedene Patente, die er in Auftrag gab. Allein auf verschiedenste Anwendungen des Preßverfahrens hatte man etwa 100 Patente. Seine wohl bedeutendste Erfindung dürfte das Zieh- und Pressverfahren zur Herstellung nahtloser Rohre angesehen werden. Das Patent für dieses Verfahren erhielt er am 21. April 1892[5]

Ehrungen

Schriften

  • Kreuz- und Querfahrten eines Mechanikers und Arbeiters, eines Waisenkindes. Verlag Hoch, Düsseldorf 1920.
  • Hammerschläge. 70 Jahre deutscher Arbeiter und Erfinder. K. F. Koehler Verlag, Leipzig 1922. (als Reprint: Heinrich Jung Verlag, 2006, ISBN 3-930588-37-4.)

Literatur

  • Heinrich Ehrhardt †. In: Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure, 73. Jahrgang 1929, Nr. 11 (vom 16. März 1929), S. 356.
  • Georg W. Oesterdiekhoff, Hermann Strasser: Köpfe der Ruhr. 200 Jahre Industriegeschichte und Strukturwandel im Lichte von Biografien. Klartext Verlag, Essen 2009, ISBN 978-3-8375-0036-3, S. 91–98.
  • Hugo Racine: Ehrhardt, Heinrich. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 4, Duncker & Humblot, Berlin 1959, ISBN 3-428-00185-0, S. 579 f. (Digitalisat).
  • Josef Wilden: Heinrich Ehrhardt (1840–1928). In: Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsbiographien, Band IV. Aschendorff, Münster 1941, S. 172–186.
  • Otto Brack et al.: Chronik der Stadt Zella-Mehlis, Band 2. Heinrich Jung Verlag, Zella-Mehlis 1998.
  • Wolfgang H. Gebhardt: Geschichte des deutschen LKW-Baus, Band 1. Weltbild Verlag, Augsburg 1994, ISBN 3-89350-811-2, S. 68.
  • Wolfgang H. Gebhardt: Geschichte des deutschen LKW-Baus, Band 2a. Weltbild Verlag, Augsburg 1994, ISBN 3-89350-811-2, S. 126.

Weblinks

Commons: Heinrich Ehrhardt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Achim Dresler et al.: Mythos Hartmann. Heimatland Sachsen, Chemnitz 2010, ISBN 978-3-910186-72-9.
  2. a b Wohnhaus und Villa der Familie
  3. Werner Oswald: Kraftfahrzeuge und Panzer der Reichswehr, Wehrmacht und Bundeswehr. 16. Auflage, Motorbuch-Verlag, Stuttgart 1998, ISBN 978-3-87943-850-1, S. 51.
  4. Walter J. Spielberger, Hilary L. Doyle, Uwe Feist: Die gepanzertern Radfahrzeuge des deutschen Heeres: 1905–1945. 1. Auflage. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 1974, ISBN 978-3-87943-337-7, S. 16–31, 133, 135 (Seite 133 Datenblatt: Straßenpanzerwagen „E-V/1917“, Seite 135 Datenblatt: Schupo Sonderwagen 21 „21“).
  5. MDR Zeitreise