Heinrich Schlusnus

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Heinrich Schlusnus (ca. 1916)

Heinrich Schlusnus (* 6. August 1888 in Braubach; † 18. Juni 1952 in Frankfurt am Main)[1] war ein deutscher Opern- und Konzertsänger (Bariton).

Leben

Heinrich Schlusnus war das jüngste von sieben Kindern. Sein Vater August Schlusnus stammte aus Masuren. Als ehemaliger Feldwebel und Bediensteter der Eisenbahnverwaltung war er ins Rheinland versetzt worden. Seine Mutter Anna Schlusnus geb. Adam stammte aus dem Westerwald. Schon als Kind zeigte sich Heinrich Schlusnus als sehr musikalisch, spielte Mundharmonika und fiel bereits als Schüler am Realgymnasium in Oberlahnstein durch einen ungewöhnlich großen Stimmumfang auf. Eine Gesangsausbildung blieb ihm jedoch vorerst versagt, da die finanziellen Möglichkeiten der Familie dazu nicht ausreichten.

Nachdem der Vater gestorben war, verließ Heinrich Schlusnus als 16-Jähriger die Schule mit der mittleren Reife und begann am 27. März 1905 eine Lehre im kaiserlichen Postdienst, wo er dem Telegrafenamt Koblenz zugeteilt wurde. Im April 1906 kam er für kurze Zeit nach Kaisersesch in der Eifel, wo er im Posthaus wohnte und in der Telefonzentrale im Tag- und Nachtdienst arbeitete. Am 29. April 1906 empfing die Oberpostdirektion in Koblenz ein Telegramm aus Kaiseresch mit folgenden Worten: „Der hiesige Postgehilfe Schlusnus ist seit heute früh gegen 6 Uhr spurlos verschwunden, die Familie habe mitgeteilt, sie habe einen Brief bekommen, in dem er mitteilte, er habe an der Post keine Freude mehr, er würde in die Welt hineingehen.“ Vom Heimweh getrieben kehrte er nach Hause zurück, wo man seinen Fehltritt jedoch rasch wieder ausbügelte und er eine neue Anstellung bei der Post erhielt. Seine nächsten Stationen waren erst Winningen, dann Zell, St. Goar und letztlich noch Bendorf, wo er am 19. Mai 1909 seine Postassistentenprüfung ablegte. Im Anschluss arbeitete er noch in Kastellaun, bevor er 1910 nach Frankfurt ging.[2][3]

In Frankfurt erhielt er vom Gesangspädagogen Welling Gesangsunterricht und gab 1912 sein erstes Konzert. Nach kurzer Teilnahme am Ersten Weltkrieg wurde er im August 1914 an der belgischen Front verwundet. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland entschloss er sich, eine Laufbahn als Opernsänger einzuschlagen, und debütierte 1915 in Hamburg als Heerrufer in Lohengrin. Danach war er am Stadttheater in Nürnberg engagiert und in der Zeit von 1917 bis zur kriegsbedingten Schließung der Theater per 1. September 1944 an der Berliner Staatsoper tätig. Im Rahmen der Verdi-Renaissance der zwanziger Jahre sang er dort unter anderem 1932 in der Premiere der Sizilianischen Vesper. Im April 1918 gab er in Berlin seinen ersten Liederabend, dem mehr als 2.000 weitere Abende folgten.[4] Schlusnus trat unter anderem in Chicago, bei den Bayreuther Festspielen und in Südafrika auf. Seine bekanntesten Partien waren der Wolfram in Tannhäuser, die Titelrolle im Rigoletto und Giorgio Germont in La traviata. Als Liedinterpret war er international erfolgreich, seine ständigen Begleiter am Klavier waren Felix Günther (der vor dem Zweiten Weltkrieg nach Amerika auswanderte), Michael Raucheisen, Franz Rupp (1927 bis 1934), Sebastian Peschko (1934–1950), Paul Zoll und Otto Braun (1950–1951).[5]

Von grundlegender Bedeutung war das Jahr 1919, als der bereits erfolgreiche Sänger noch einmal von vorn anfing, unter dem Gesangspädagogen Louis Bachner. Schlusnus hatte einmal in seiner Jugend den Instinkt für den freien und ungekünstelten Naturgesang, der in der Frankfurter Lehrzeit verschüttet worden war. Damals wurde die Stimme durch das beliebte, sogenannte „Decken“ kehlig, dunkel und unfrei im Ton. Durch die Bachnersche Methode schälte sich das gültige Timbre heraus, und die Stimme erhielt eine mühelose und strahlende Höhe. So konnte Schlusnus einfach singen, wie man spricht, natürlich und deutlich, so dass gedruckte Programmtexte eigentlich überflüssig wurden. Bachner: „Mit Zinsen singen, nicht mit dem Kapital.“ Schlusnus: „[Er] hat mir die Freiheit der Stimme gegeben, meine Stimmtechnik und das Verständnis für das richtige Singen. Was ich bin, verdanke ich ihm.“[6]

Schlusnus war ein weltweit angesehener Sänger, der sich anfangs nur zögerlich dem nationalsozialistischen System anpasste. So nahm er 1933 den in Hildesheim entlassenen jüdischen Kapellmeister Berthold Sander († November 1943 im KZ Theresienstadt) in seine Zehlendorfer Wohnung auf und sang noch am 26. Januar 1934 in einer Rundfunksendung Lieder von Felix Mendelssohn Bartholdy und Gustav Mahler.[3] Trotzdem trat er 1935 auf der Hochzeit von Hermann Göring auf[7] und machte am 29. März 1936 Wahlreklame für Adolf Hitler.[8] 1938 wurde er zum Reichskultursenator ernannt, 1943 erhielt er die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft.[3] In der Endphase des Zweiten Weltkriegs nahm ihn Hitler im August 1944 in die Gottbegnadeten-Liste der wichtigsten Künstler auf, was ihn von einem Kriegseinsatz auch an der Heimatfront befreite.[7]

1945 stand Schlusnus zunächst auf der Schwarzen Liste der US-amerikanischen Militärregierung, wurde aber von der Spruchkammer in Frankfurt am Main am 28. August 1947 als „nicht betroffen“ entnazifiziert.[3] Er wirkte in der Nachkriegszeit in der provisorischen Spielstätte der Frankfurter Oper, wo er 1948 zuletzt als Rigoletto auftrat. 1951 trat er noch einmal am Theater Koblenz als Giorgio Germont in La Traviata auf und gab im selben Jahr seinen letzten Liederabend.

Ein Jahr später starb Heinrich Schlusnus in Frankfurt am Main. Er wurde in seinem Geburtsort Braubach beigesetzt. Die Grabstätte dort existiert noch heute.[9] Im Jahr 1977 wurde in der Berlin-Neuköllner High-Deck-Siedlung die Heinrich-Schlusnus-Straße nach dem Künstler benannt.

Schlusnus galt als „der bedeutendste deutsche Lied-Interpret seiner Generation“, als „vortrefflicher Verdi-Interpret“ und als „Liedersänger von höchstem künstlerischem Rang“.[10] Er wirkte in verschiedenen Operngesamtaufnahmen mit, die auf Rundfunkproduktionen basieren, aber bereits ab den 1950er Jahren auf LP veröffentlicht wurden: darunter in La Traviata (1942), Rigoletto (1944), Tannhäuser (1949) und in der Sizilianischen Vesper (1951).[10]

Schlusnus war seit dem 31. Juli 1933 in zweiter Ehe mit der Sopranistin Annemarie Emilie Helene Frieda geb. Kuhl (Annemay), der vormaligen Ehefrau seines Lehrers Louis Bachner, verheiratet,[11] mit der er auch im Duett sang und Schallplatten veröffentlichte.[12][13]

Diskographie (Auswahl)

Schriften

  • Heinrich Schlusnus: Plaudereien um Heinrich Schlusnus. Selbstverlag, Berlin 1935.

Literatur

  • Alfred Brändel: Heinrich Schlusnus. In: Lichtwark Nr. 7, 1. Jahrg. Hrsg. Bezirksamt Bergedorf, Bergedorf, Juni 1949. Siehe jetzt: Verlag HB-Werbung, Hamburg-Bergedorf. ISSN 1862-3549.
  • Alfred Brändel: Heinrich Schlusnus (Nachruf). In: Lichtwark Nr. 5. Hrsg. Bezirksamt Bergedorf, Bergedorf, August 1952. Siehe jetzt: Verlag HB-Werbung, Hamburg-Bergedorf. ISSN 1862-3549.
  • Eckart von Naso in Zusammenarbeit mit Annemay Schlusnus: Heinrich Schlusnus: Mensch und Sänger. Krüger, Hamburg 1957. (Neubearbeitung 1962, als Ullstein-Buch 1965).
  • Eintrag Heinrich Schlusnus. In: Karl-Josef Kutsch, Leo Riemens: Großes Sängerlexikon. Directmedia Digitale Bibliothek 33. Berlin 2000, ISBN 3-89853-133-3.
  • Diskographie Heinrich Schlusnus. In: Discographie der deutschen Gesangsaufnahmen. Band 3, Lotz, Bonn 2001, ISBN 3-9805808-6-5.
  • Marion Brück: Schlusnus, Heinrich. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-11204-3, S. 117 f. (Digitalisat).
  • Alfons Friderichs (Hrsg.): Schlusnus, Heinrich, In: „Persönlichkeiten des Kreises Cochem-Zell“, Kliomedia, Trier 2004, ISBN 3-89890-084-3, S. 309–310.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1953. Theatergeschichtliches Jahr- und Adressbuch. 61. Jahrgang. Berlin, S. 84.
  2. Michael Stoll: Als Heinrich Schlusnus flüchtete. In: Rhein-Zeitung. Nr. 248 vom 25. Oktober 2013, S. 22.
  3. a b c d Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945. CD-Rom-Lexikon, Kiel 2004, S. 6161–6162.
  4. E. v. Naso: Heinrich Schlusnus. Hamburg 1957, S. 71.
  5. E. v. Naso: Heinrich Schlusnus. Hamburg 1957, S. 74.
  6. E. v. Naso: Heinrich Schlusnus. Hamburg 1957, S. 42–44.
  7. a b Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 527, wobei zu bedenken ist, dass Göring sein oberster Dienstherr an der Berliner Staatsoper war.
  8. Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker. S. 6.163.
  9. Infoseite Grabstätten von Klaus Nerger, Wiesbaden, abgerufen am 21. Januar 2010.
  10. a b Zitate und Angaben nach: K. J. Kutsch, Leo Riemers: Großes Sängerlexikon. CD-Rom, Eintrag zu Heinrich Schlusnus, ohne Seitenangabe.
  11. E. v. Naso: Heinrich Schlusnus. Hamburg 1957, S. 66.
  12. Marion Brück: Schlusnus, Heinrich. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-11204-3, S. 117 f. (Digitalisat).
  13. Foto der Eheleute Heinrich und Annemarie Schlusnus um 1950 bei pinterest.de