Gulbuddin Hekmatyār

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Gulbuddin Hekmatyār (2019)

Gulbuddin Hekmatyār oder Gulbeddin Hekmatjar (* 1. August 1949 in Imam Saheb, Provinz Kunduz; paschtunisch ګلبدین حکمتیار; persisch گلبدین حکمتیار) ist ein afghanischer Politiker (DVA, dann Hizb-i Islāmī und al-Qaida). Als Mudschahidin-Führer war er in den 1990er Jahren nach dem Zusammenbruch der Republik Afghanistan zweimal Premierminister des Islamischen Staats Afghanistan. Er ist Sunnit und Angehöriger des Charoti-Stammes der Ghilzai-Paschtunen.

Leben

Die Angaben zum Geburtsdatum von Hekmatyār sind widersprüchlich. Während die Vereinten Nationen den 1. August 1949 als Geburtsdatum führen,[1] wird in einer Biografie von Chris Sands und Fazelminallah Qazizai September oder Oktober 1948 im Distrikt Imam Saheb[2] genannt. Hekmatyār studierte an der Universität Kabul, blieb jedoch ohne Abschluss. Während er zunächst mit der pro-sowjetischen Demokratischen Volkspartei Afghanistans sympathisierte, wandte er sich später jedoch dem radikalen politischen Islam zu. In den 1970er Jahren wurde Hekmatyār Mitglied der islamistischen Gruppierung „Muslimische Jugendbewegung“ oder „Muslimische Bruderschaft“ (Sazmane-i Dschawānān-i Musalmān). Ab 1978 bekämpfte er mit Waffengewalt die Regierung Nur Muhammad Taraki, vor allem deren Bildungspolitik. Hekmatyār soll zusammen mit seinen Anhängern mit Motorrädern an Universitäten vorbeigefahren und unverschleierten Studentinnen Säure ins Gesicht geschüttet haben.[3][4][5] Hekmatyār bestreitet diesen Vorwurf; seiner Aussage nach habe er noch nie einer Frau Gewalt angetan.[6]

Er ist als Taktiker mit ständig wechselnden Allianzen bekannt, wobei er seine Treue Pakistan gegenüber über Jahrzehnte aufrechterhalten hat.

Widerstand gegen die Sowjets

Während der sowjetischen Invasion in Afghanistan unterstützte der pakistanische Geheimdienst ISI den Widerstand gegen die sowjetische Besatzungsmacht. Hekmatyārs islamistische Gruppierung „Hizb-i Islāmī“ (Partei des Islam, Islamische Partei) gehörte in den 1980er Jahren zu den am stärksten von Pakistan, den USA und Saudi-Arabien finanziell, militärisch und logistisch unterstützten Mudschahedingruppen. Allein im Jahr 1987 erhielt Hekmatyār von den USA 660 Millionen Dollar.[7] 1989 verließen die sowjetischen Truppen Afghanistan.[8]

Wechselnde Rollen nach der sowjetischen Besatzung

Hekmatyār wurde am 17. Juni 1993 afghanischer Premierminister. Er hat während seiner Amtszeit als Premierminister die Stadt Kabul monatelang wahllos beschießen lassen, wobei Tausende Zivilisten starben. Dies hat ihm auch den Beinamen "Schlächter von Kabul" eingebracht.[9][10] In den Machtkämpfen der 1990er Jahre verlor er 1994 sein Amt, konnte es aber im Juni 1996 noch einmal für wenige Wochen zurückgewinnen. Nachdem die Taliban im September des Jahres Kabul erobert hatten, floh er in den Iran und blieb noch bis August 1997 im Exil Premierminister. 2001 stellte er sich auf die Seite von Osama bin Laden und 2002 rief er in einer Radioansprache zum Dschihad gegen die USA auf.

Widerstand gegen die Vereinigten Staaten

Daraufhin wurde er von der iranischen Regierung des Landes verwiesen und kehrte nach Afghanistan zurück. Es wird davon ausgegangen, dass er dort gegen die USA kämpfte. Im Jahr 2006 erklärte er in einem veröffentlichten Video, mit der Organisation al-Qaida kooperieren zu wollen. Laut einem Interview mit dem Spiegel stellt er sich gleichermaßen gegen die Politik der USA und ihrer verbündeten europäischen Mächte, wie seinerzeit gegen die Sowjetunion, aber auch als Sunnit gegen den Iran. Offenbar sammelt er im Osten Afghanistans neue Anhänger für seine Bewegung. Sein Aufenthaltsort war lange unbekannt.

Am 28. September 2008 erhielt das Büro der Agentur Pajhwok Afghan News in Peschawar ein Video zugesandt, in dem Hekmatyār sich dazu bekannte, im August 2008 einen Hinterhalt bei Sarobi gelegt zu haben, bei dem zehn französische Soldaten getötet und 22 verwundet wurden.[11] Er sprach den Angehörigen der gefallenen Milizen seine Anteilnahme aus und verlas die Namen der zehn bei dem Gefecht getöteten Milizionäre. Weiterhin kündigte er den fremden Truppen in Afghanistan an, neue Angriffe vorzunehmen. Er behauptete, dass der Widerstand gegen die „fremden Besatzer“ in der Bevölkerung wachse.

Friedensabkommen mit der afghanischen Regierung

Am 22. September 2016 wurde ein Friedensabkommen zwischen der „Islam-Partei“ (Hizb-i Islāmī) und der Regierung von Aschraf Ghani unterzeichnet, welches eine Amnestie für Hekmatyārs Straftaten vorsieht. Bei der Unterzeichnung dieses Abkommens war Hekmatyār nicht anwesend.[12] Die UN-Sanktionen gegen Hekmatyar wurden formal im Februar 2017 aufgehoben.[13]

Nach zwei Jahrzehnten war Hekmatyār Ende April 2017 erstmals wieder öffentlich aufgetreten. Er rief dabei die Taliban und andere Aufständische auf, den Krieg zu beenden.[14]

Er war Kandidat bei Präsidentschaftswahl in Afghanistan 2019. Er erreichte abgeschlagen den dritten Platz mit 70,241 Stimmen und 3,85 Prozent.[15]

Am 15. August 2021 wurde Kabul den heranrückenden Taliban übergeben, woraufhin Präsident Ghani das Land verließ. Sein Vorgänger Hamid Karzai verkündete daraufhin, dass die Übergabe Afghanistans durch einen Koordinierungsrat erfolgen solle, dem neben ihm und Abdullah Abdullah auch Hekmatyār angehöre.[16]

Literatur

  • Ishtiaq Ahmad: Gulbuddin Hekmatyar: An Afghan Trail from Jihad to Terrorism. Pan-Graphics, Islamabad 2004, ISBN 969-8796-00-2.
  • Michael A. Faerber: Gulbuddin Hekmatyar: Afghanistan’s persistent insurgent. Thesis, Massachusetts Institute of Technology, Dept. of Political Science, 2003.
  • Carol Rose: Gulbadeen Hekmatyar: In Person. Institute of Current World Affairs, Peshawar 1992 (Online, Anmeldung erforderlich).
  • Der Widerstand wächst. In Der Spiegel. Hamburg 2007, 3 (15. Januar), S. 106, ISSN 0038-7452.
  • Erich Follath: Dieser nette Herr führt eine Armee von 20000 Terroristen. In Die Zeit. Hamburg 2016, 48 (17. November), S. 6–7.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Security Council ISIL (Da’esh) and Al-Qaida Sanctions Committee Removes One Entry from Its Sanctions List. Vereinte Nationen, vom 3. Februar 2017
  2. Chris Sands, Fazelminallah Qazizai: Night Letters. Gulbuddin Hekmatyar and the Afghan Islamists Who Changed the World. C. Hurst & Co, London 2019, ISBN 978-1-78738-196-4, S. 40 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Aussage von Wahid Mujda, ehemaliges Mitglied der Abteilung der Hezb-e Eslami für politische Beziehungen, in Gulbuddin Hekmatyar: From Holy Warrior to Wanted Terrorist, siehe Weblinks.
  4. Val Moghadam: Revolution, the State, Islam, and Women: Gender Politics in Iran and Afghanistan. Social Text 22 (Spring 1989), S. 40–61, hier S. 51, ISSN 0164-2472.
  5. Charles Hirschkind, Saba Mahmood: Feminism, the Taliban, and Politics of Counter-Insurgency. Anthropological Quarterly 75, 2 (Spring 2002), S. 339–354, hier S. 343, ISSN 0003-5491.
  6. Hörstel: Interview (s. u. Weblinks).
  7. Rüdiger Dingemann: Westermann Lexikon Krisenherde der Welt. Konflikte und Kriege seit 1945, Westermann, Braunschweig 1996, ISBN 3-07-509516-8. S. 85
  8. „Ihr steht jetzt auf eigenen Füßen.“ In: Der Spiegel. Nr. 7, 1989 (spiegel.de).
  9. Terry Glavin: The rehabilitation of Gulbuddin Hekmatyar, the Butcher of Kabul;National Post vom 28. September 2016.
  10. Der "Schlächter von Kabul" ruft zum Frieden auf;Zeit Online vom 5. Mai 2017.
  11. Afghan warlord Hekmatyar claims French ambush (Memento vom 4. Oktober 2008 im Internet Archive); AFP-Meldung bei der pakistanischen Daily Times vom 30. September 2008.
  12. Gulbuddin Hekmatyar's group signs Afghan peace deal. In: www.aljazeera.com. Abgerufen am 22. September 2016.
  13. UN lifts sanctions against Gulbuddin Hekmatyar. al-Dschasira, abgerufen am 4. Februar 2017.
  14. "Schlächter von Kabul" ruft Taliban zu Frieden auf (Memento vom 3. Mai 2017 im Internet Archive) heute.de am 29. April 2017.
  15. http://www.iec.org.af/results/en/home
  16. Taliban beziehen Posten. Verzweifelte Fluchtversuche aus Kabul. Tagesschau, 16. August 2021, abgerufen am 16. August 2021.