Hermann Voss (Mediziner)

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Hermann Christian Heinrich Emil Voss (* 13. Oktober 1894 in Berlin; † 19. Januar 1987 in Hamburg) war ein deutscher Anatom und Medizinprofessor.

Leben

Hermann Voss war Sohn eines Mecklenburger Rittergutspächters und wuchs in Warnkenhagen und Malchin auf. Er studierte zwischen 1913 und 1918 Medizin an den Universitäten München, Heidelberg und Rostock.[1] Seine Studienzeit wurde durch eineinhalb Jahre Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg als Feldunterarzt in norddeutschen Reservelazaretten sowie an der Westfront unterbrochen. 1919 promovierte Voss an der Universität Rostock und wurde zweiter Prosektor am Anatomischen Institut der Universität Rostock. 1923 wurde er für das Fach Anatomie habilitiert. 1926 wechselte er als Erster Assistent an das Anatomische Institut der Universität Leipzig. Dort wurde er 1929 Zweiter Prosektor und wurde 1930 zum außerordentlichen Professor berufen. 1937 trat er der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) bei. 1938 wurde Voss zum ersten Prosektor und beamteten außerordentlichen Professor ernannt. Eine Berufung auf einen Lehrstuhl blieb aus. Im September und Oktober 1939 leistete Voss erneut Kriegsdienst als Unterarzt im Reservelazarett Leipzig. 1941 nahm er den Ruf auf eine ordentliche Professur für Anatomie an der Reichsuniversität Posen an.

Er floh 1945 von dort nach Borna, wo er am Stadtkrankenhaus als Volontärarzt von Januar 1945 bis zu seiner Kündigung im März 1946 tätig war. Die Medizinische Fakultät der Universität Halle stellte ihn 1948 als Professor mit Lehrauftrag und Ersten Prosektor an. 1952 erhielt Voss einen Ruf auf den Lehrstuhl für Anatomie an der Universität Jena, wo er das Anatomische Institut bis zu seiner Emeritierung 1962 leitete. Danach arbeitete er am Anatomischen Institut der Universität Greifswald. 1979 übersiedelte er nach Hamburg, wo er bis zu seinem Tode lebte.[2]

Verhalten in der Zeit des Nationalsozialismus

In der NS-Zeit baute Hermann Voss als Dekan der Reichsuniversität Posen die Medizinische Fakultät auf. In seinen Posener Tagebüchern, die nach dem Krieg in Posen aufgefunden, in Deutschland aber erst nach seiner Emeritierung bekannt wurden, gab Voss Eindrücke aus dieser Zeit wieder. Dort schrieb er am 24. Mai 1941: „Die von ihr [gemeint ist die Gestapo] erschossenen Polen werden hier nachts eingeliefert und verbrannt. Wenn man doch nur die ganze polnische Gesellschaft so veraschen könnte. Das polnische Volk muss ausgerottet werden, sonst gibt es hier keine Ruhe im Osten“[3] Voss und seine Mitarbeiter, unter ihnen Robert Herrlinger, profitierten von einer engen Zusammenarbeit mit der Gestapo. Sie fertigten unmittelbar nach der Tötung polnischer Häftlinge Präparate an, die verkauft wurden. Nach Götz Aly betrieb Voss „einen schwunghaften Handel mit Skeletten und Schädeln“.[4] Zu seinem Verhalten während der Zeit des Nationalsozialismus verfasste der Dramaturg und Regisseur Hannes Hametner 2016 das Ein-Personen-Drama Der Biedermann, welches am Theater Vorpommern uraufgeführt wurde.

Auszeichnungen

Hermann Voss wurde 1959 von der Regierung der DDR mit dem Ehrentitel Hervorragender Wissenschaftler des Volkes geehrt.

Schriften (Auswahl)

  • H. Voss: Pathologisch-anatomische Präparierübungen, 1940
  • H. Voss, Robert Herrlinger: Taschenbuch der Anatomie. Gustav-Fischer-Verlag, ISBN 3-437-00168-X
  • H. Voss: Embryologischer Atlas für Studenten. Gustav-Fischer-Verlag, 1954
  • Herausgeber der Zeitschriften Anatomischer Anzeiger und Acta histochemica.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Immatrikulationen von Hermann Voss im Rostocker Matrikelportal
  2. Götz Aly: The Posen Diaries of the Anatomist Hermann Voss. In: Götz Aly, Peter Chroust, Christian Pross, Belinda Cooper: Cleansing the Fatherland. ISBN 0-8018-4824-5, Chapter 3 The Posen Diaries of the Anatomist Hermann Voss. in der Google-Buchsuche Nur bis S. 53, dieser Abschn. ist nicht enthalten. Deutsche Ausgabe siehe Lit.
  3. Götz Aly: Das Posener Tagebuch des Anatomen Hermann Voss. In: Götz Aly et al.: Biedermann und Schreibtischtäter. Materialien zur deutschen Täterbiographie. Rotbuch, Berlin 1989, S. 41.
  4. Götz Aly, Posener Tagebuch, S. 54.
  5. Der Umfang reicht bis 14. August 1942; den Rest konnte V. auf seiner späteren Flucht mitnehmen oder aber rechtzeitig vernichten.