Hinzuverdienstgrenze

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Hinzuverdienstgrenzen in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) sind Regelungen, aus denen sich ergibt, in welcher Höhe ein Rentenbezieher zu der gesetzlichen Rente hinzuverdienen darf, ohne dass sich der Hinzuverdienst auf die Höhe der Rente auswirkt. Gleichzeitig wird dadurch auch geregelt, in welchem Umfang ein Teilrentenanspruch besteht, wenn ein Hinzuverdienst erzielt wird. Hinzuverdienstgrenzen gelten nur bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und bei den vorgezogenen Altersrenten (vor Erreichen der Regelaltersgrenze). Die Hinzuverdienstgrenzen sind in den §§ 34, 96a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) geregelt.

Hinzuverdienstgrenzen

Die Vorschriften regeln, in welcher Höhe Rentenbezieher zusätzlich Einkünfte erzielen dürfen, ohne den Rentenanspruch beziehungsweise die Auszahlung zu gefährden. Gleichzeitig ermöglichen sie es den Rentenbeziehern, vor Entscheidung über die Rente zu prüfen, ob und in welchem Umfang ein Hinzuverdienst möglich ist, und in diesem Zusammenhang dann eine Teilrente zu beantragen.

Hintergrund für ihre Einführung war, dass die Rentner vor Erreichen der Regelaltersgrenze (je nach Geburtsjahrgang zwischen vollendetem 65. und vollendetem 67. Lebensjahr) nicht die Versichertengemeinschaft dadurch übermäßig belasten, dass sie ohne Einschränkungen beim Einkommen Rente beantragen. Der vorzeitige Rentenbezug soll ihre bisherigen Einkünfte ganz oder teilweise ersetzen, weil sie aus gesundheitlichen Gründen oder aus Altersgründen nicht mehr in der Lage sind, genügend Einkommen für ihren Lebensunterhalt zu erzielen. Außerdem sollte den Versicherten die Möglichkeit verschafft werden, nicht abrupt aus dem Arbeitsleben auszuscheiden, sondern durch entsprechende privatrechtliche Regelung mit dem Arbeitgeber oder durch (teilweisen) Rückzug aus der eigenen selbständigen Tätigkeit, die Arbeit zunächst einzuschränken und stufenweise aus dem Erwerbsleben auszuscheiden und nebenbei Teilrente zu beziehen.

Streng zu trennen sind die Hinzuverdienstgrenzen von der Einkommensanrechnung in der gesetzlichen Rentenversicherung, die sich lediglich auf Renten wegen Todes (Erziehungsrenten, Witwen-, Witwer- und Waisenrenten, Rente an den geschiedenen Ehegatten oder Rente nach dem vorletzten Ehegatten) beziehen.

Aktuell plant die Bundesregierung, die Hinzuverdienstgrenze ab Anfang 2023 vollständig entfallen zu lassen.[1]

Vorgezogene Altersrente

Die Hinzuverdienstgrenzen für Bezieher einer vorgezogenen Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze sind im § 34 SGB VI geregelt.

Anspruch auf eine volle Rente wegen Alters vor Erreichen der Regelaltersgrenze haben Versicherte nur, wenn sie neben ihrem Rentenbezug einen monatlichen Verdienst aus Beschäftigung oder selbständiger Tätigkeit von höchstens 450 € (brutto) pro Kalendermonat erzielen. Vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2012 lag die Grenze bei 400 Euro. Die Einkommensgrenze darf im Laufe eines Kalenderjahres zweimal bis zum Doppelten der Hinzuverdienstgrenze überschritten werden.[2]

Für die Jahre 2020 und 2021 gilt auf Grund der Corona-Pandemie eine Sonderregelung. Durch die Corona-Krise besteht ein besonders hoher Bedarf an medizinischem Personal. Aber auch in anderen systemrelevanten Bereichen kann es zu Personalengpässen aufgrund von Erkrankungen oder Quarantäneanordnungen kommen. Um die Weiterarbeit oder Wiederaufnahme einer Beschäftigung nach Renteneintritt zu erleichtern, hat die Bundesregierung die im jeweiligen Kalenderjahr geltende Hinzuverdienstgrenze für das Jahr 2020 von 6.300 Euro auf 44.590 Euro angehoben. Jahreseinkünfte bis zu dieser Höhe führen somit nicht zu einer Kürzung einer vorgezogenen Altersrente. Für das Jahr 2021 steigt die Verdienstgrenze bei vorgezogenen Altersrenten auf 46.060 Euro. Rentner können daher bis zu 46.060 Euro im Kalenderjahr zu ihrer Rente hinzuverdienen, ohne dass diese gekürzt wird. Die Erhöhung der Verdienstgrenzen soll Personalengpässe entgegenwirken, die durch die Corona-Pandemie entstanden sind. Ab 2022 gilt voraussichtlich wieder die ursprüngliche Hinzuverdienstgrenze von 6.300 Euro pro Kalenderjahr. Die vorübergehende Erhöhung der Verdienstgrenzen 2020 und 2021 gilt nicht für Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenrenten.[2]

Wird die Hinzuverdienstgrenze überschritten, so prüft der zuständige Rentenversicherungsträger in Abhängigkeit vom erzielten Bruttoeinkommen, ob und in welcher Höhe die Altersrente als Teilrente gezahlt werden kann. Hierbei ist zu beachten, dass bei der Berechnung des Hinzuverdienstes nicht die geringeren Nettozahlbeträge, sondern die Bruttoentgelte zugrunde gelegt werden.

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit

Die Hinzuverdienstgrenzen für Bezieher von Renten wegen voller Erwerbsminderung (VEM) oder Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung (TEM) sind in § 96a SGB VI geregelt. Zu beachten sind auch die Übergangsregelungen des § 313 SGB VI für Rentner, die bereits vor dem 1. Januar 2001 Anspruch auf Renten wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit hatten, sowie des § 302a SGB VI für die übergeleiteten Invalidenrenten aus der Zeit vor dem 1. Januar 1992.

Die monatliche Hinzuverdienstgrenze für die volle Erwerbsminderungsrente als Vollrente beträgt (wie bei den vorgezogenen Altersrenten) 450 Euro (2008 bis 2012: 400 Euro).

Übersteigt der Hinzuverdienst 450 Euro (ab 1. Oktober 2022: 520 Euro) monatlich, wird eine Rente wegen voller Erwerbsminderung als Teilrente in Höhe von 3/4, der Hälfte oder 1/4 der Vollrente geleistet. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung wird dann in voller Höhe oder als halbe Teilrente gezahlt.

Auch hier errechnet der Rentenversicherungsträger bei Rentenbewilligung für den Rentner individuelle Hinzuverdienstgrenzen (mindestens aber die Mindesthinzuverdienstgrenzen). Ein zweimaliges Überschreiten bis zum Doppelten der maßgebenden Hinzuverdienstgrenze in zwei Kalendermonaten jedes Kalenderjahres ist unschädlich. Die Möglichkeit des zweimaligen Überschreitens pro Kalenderjahr bezieht sich jedoch nur auf die jeweils bewilligte Rentenart. Bei einer Änderung der Leistungsart, also zum Beispiel der Wechsel von einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in eine vorgezogene Altersrente für Versicherte, die berufs- oder erwerbsunfähig sind, ist ein zweimaliges Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze erneut erlaubt.

Art des Hinzuverdienstes

Als Hinzuverdienst gemäß § 34 Abs. 3 Sozialgesetzbuch SGB VI (im Bezug auf Hinzuverdienst bei der Rente) kommen Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen und vergleichbares Einkommen in Betracht.

Bei den vorzeitigen Altersrenten und bei Renten wegen voller Erwerbsminderung zählen alle Einkünfte aus abhängiger Beschäftigung und aus selbständiger Tätigkeit (gegebenenfalls auch Einkünfte aus Photovoltaikanlagen) sowie „vergleichbare Einkommen“ (zum Beispiel Vorruhestandsgeld, Bezüge aus öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnissen als Minister, Diäten von Landtagsabgeordneten) zum Hinzuverdienst. Bei Landwirten, die ihre Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach § 13a EStG versteuern, gelten im Gegensatz zu den sonstigen Selbständigen nicht die Daten des Einkommensteuerbescheides. Hier ist das durch die SVLG errechnete Einkommen maßgeblich.

Bei Renten wegen voller Erwerbsminderung sind Verletztengeld und Übergangsgeld der gesetzlichen Unfallversicherung anzurechnende Sozialleistungen.

Bei den Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung kommen als Hinzuverdienst auch Lohnersatzleistungen, zu denen unter anderem Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Verletztengeld und Arbeitslosengeld zählen, zur Anrechnung, da diese dem Arbeitseinkommen und Arbeitsentgelt gleichgestellt sind. Hier ist jedoch zu beachten, dass nicht der Zahlbetrag der Leistung, sondern das der Berechnung zugrunde liegende höhere Bemessungsentgelt zur Anrechnung herangezogen wird.

Arbeitsentgelt

Erzielen Versicherte neben einer Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze Arbeitsentgelt aus einem nach Rentenbeginn noch bestehenden Arbeitsverhältnis, so handelt es sich um Hinzuverdienst.

Arbeitseinkommen

Erzielen Versicherte neben einer Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze Arbeitseinkommen aus einer nach Rentenbeginn noch bestehenden selbständigen Tätigkeit, so handelt es sich um Hinzuverdienst. Da nach § 15 Abs. 1 SGB IV zur Ermittlung des steuerrechtlichen Gewinns auf die Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts (§§ 4 bis 7k und 13a Einkommensteuergesetz EStG) abzustellen ist, gehören zum Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit die Einkünfte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 2 Nr. 1 EStG, das heißt

Die positive Summe dieser Einkünfte stellt Arbeitseinkommen dar und ist grundsätzlich als Hinzuverdienst zu berücksichtigen.

Vergleichbares Einkommen

Als Hinzuverdienst ist seit dem 1. Januar 2003 auch ein während des Rentenbezuges erzieltes vergleichbares Einkommen zu berücksichtigen. Zu dem vergleichbaren Einkommen gehören

  • Entschädigungen (Diäten) für Abgeordnete des Deutschen Bundestages, der Länderparlamente oder des Europaparlaments
  • Bezüge aus einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis (zum Beispiel für Minister, Senatoren und Parlamentarische Staatssekretäre)
  • Vorruhestandsgeld im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 4 SGB VI
  • Einkünfte von Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH, die sozialversicherungsrechtlich als selbständig Tätige gelten und steuerrechtlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beziehen

Versorgungsbezüge dieser Personen sind kein Hinzuverdienst.

Nicht zu berücksichtigendes Einkommen

Nicht als Hinzuverdienst für alle Renten vor Erreichen der Regelaltersgrenze gelten

Besonderheiten

Werden alle (individuellen) Hinzuverdienstgrenzen überschritten, ergeben sich je nach Rentenart unterschiedliche Folgen:

  • Der Anspruch auf Altersrenten vor Erreichen der Regelaltersgrenze entfällt. Sinkt der Hinzuverdienst, so dass die Hinzuverdienstgrenzen wieder eingehalten werden, müssen zum neuen Rentenbeginn erneut alle Anspruchsvoraussetzungen für die jeweilige Altersrente erfüllt sein.
  • Die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit kommen vollständig zum Ruhen. Der Stammanspruch bleibt jedoch grundsätzlich bestehen. Werden die Hinzuverdienstgrenzen später wieder eingehalten, wird die Rentenzahlung auf Antrag des Versicherten wieder aufgenommen. Stellt der Rentenversicherungsträger jedoch aufgrund des Umfangs der ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit fest, dass keine Erwerbsminderung mehr vorliegt, kann der Rentenanspruch auch entzogen werden.

Einzelnachweise

Weblinks

  • Webseite der Deutschen Rentenversicherung [1]