Hitlers Rede vor dem Deutschen Reichstag am 1. September 1939

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Die Rede am 1. September 1939 vor dem Deutschen Reichstag wurde von Adolf Hitler aus Anlass des deutschen Überfalls auf Polen gehalten. In ihr begründete Hitler den Angriff auf Polen, mit dem der Zweite Weltkrieg in Europa begann. Aus der Rede stammt auch das bekannte Zitat „Seit 5 Uhr 45 wird jetzt zurückgeschossen!

Inhalt

Zu Beginn seiner im Großdeutschen Rundfunk übertragenen Rede erwähnte Hitler die durch das „Versailler Diktat“ geschaffenen „unerträglichen Zustände“ für Deutschland und das deutsche Volk. Oftmals habe er durch friedliche Vorschläge versucht, diese Zustände zu ändern, was von Polen abgelehnt worden sei. Anschließend behauptete er, dass Polen seit Monaten einen Kampf gegen die Freie Stadt Danzig führe und dass die deutsche Minderheit in Polen entrechtet und misshandelt werde. Es habe in der letzten Zeit immer wieder Grenzzwischenfälle gegeben und in der Nacht vor seiner Rede habe es drei sehr schwere Grenzzwischenfälle gegeben. Hitler erwähnte aber nicht explizit den (in Wirklichkeit von der SS vorgetäuschten) Angriff auf den Sender Gleiwitz. Anschließend äußerte er Unverständnis darüber, dass sich die westeuropäischen Staaten – gemeint waren Großbritannien und Frankreich – in den Konflikt einmischten. Außerdem dankte er dem faschistischen Italien, das ihn die ganze Zeit unterstützt habe. Im Anschluss lobte er den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt und begründete ihn zum einen damit, dass weder Deutschland noch die Sowjetunion vorhätten, ihre Ideologie in das jeweils andere Land zu exportieren, und zum anderen damit, dass „Russland und Deutschland im Weltkrieg gegeneinander gekämpft [hatten] und dass beide letzten Endes die Leidtragenden“ gewesen seien. Anschließend erklärte er, dass die Wehrmacht „nicht den Kampf gegen Frauen und Kinder“ führen wolle und dass die Luftwaffe sich auf militärische Ziele beschränken wolle; Polen solle daraus aber keinen Freibrief ableiten. Es folgte der wohl bekannteste Teil der Rede:

„Polen hat heute Nacht zum ersten Mal auf unserem eigenen Territorium auch mit bereits regulären Soldaten geschossen. Seit 5:45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen! Und von jetzt ab wird Bombe mit Bombe vergolten! Wer mit Gift kämpft, wird mit Giftgas bekämpft. Wer selbst sich von den Regeln einer humanen Kriegsführung entfernt, kann von uns nichts anderes erwarten, als dass wir den gleichen Schritt tun. Ich werde diesen Kampf, ganz gleich, gegen wen, so lange führen, bis die Sicherheit des Reiches und bis seine Rechte gewährleistet sind.“

Unter stürmischem Beifall erklärte Hitler, dass Deutschland deutlich besser auf den Krieg vorbereitet sei als 1914, und dass es niemals kapitulieren werde. Er sagte sogar, dass er entweder siegen oder das Kriegsende nicht erleben werde. Ferner ernannte er Hermann Göring und Rudolf Heß zu seinen Nachfolgern, falls ihm etwas zustoßen sollte. Am Ende der Rede wies Hitler die Reichstagsabgeordneten darauf hin, dass sie für die Stimmung in ihrem Gebiet verantwortlich seien. Vor stehendem Plenum schloss er die Rede:

„Wenn wir diese Gemeinschaft bilden, eng verschworen, zu allem entschlossen, niemals gewillt zu kapitulieren, dann wird unser Wille jeder Not Herr werden. Ich schließe mit dem Bekenntnis, das ich einst aussprach, als ich den Kampf um die Macht im Reich begann. Damals sagte ich: Wenn unser Wille so stark ist, dass keine Not ihn mehr zu zwingen vermag, dann wird unser Wille und unser deutscher Stahl auch die Not meistern! Deutschland – Sieg Heil!“

In die Heilrufe stimmte das ganze Haus mit ein. Im Anschluss an die Rede beschloss der Reichstag einstimmig das vom NSDAP-Fraktionschef und Reichsinnenminister Wilhelm Frick eingebrachte Gesetz zur Wiedervereinigung der Freien Stadt Danzig mit dem Deutschen Reich. Am Ende der Sitzung betonte Hermann Göring in seiner Funktion als Reichstagspräsident, das deutsche Volk sei vom Sieg in diesem Krieg überzeugt. Zum Abschluss der Sitzung wurden das Deutschlandlied und das Horst-Wessel-Lied gesungen.

Selbstinszenierung Hitlers

Hitler benutzte den Auftritt vor dem Reichstag auch, um sich selbst in einer neuen propagandistischen Rolle als „erster Soldat“ des Reiches zu inszenieren. Diese Rolle beruhte auf einer besonderen Nähe zur kämpfenden Truppe. Er stellte sich dabei als „Kamerad und Kameraden“ dar, der die Mühen, Entbehrungen und Gefahren der Soldaten angeblich teilte. Als historische Vorbilder hierfür können Caesar, Alexander der Große oder Napoleon gelten, insbesondere aber auch Friedrich der Große, der seine Truppen als roi connétable ins Feld begleitete. Um seine neue Rolle optisch zu unterstreichen, legte Hitler an diesem Tag erstmals eine eigens für ihn geschneiderte feldgraue Uniform ohne Rangabzeichen an.[1]

In seiner Rede rief er sich selbst in theatralischer Weise zum „ersten Soldaten“ aus:

„Ich verlange von keinem deutschen Mann etwas anderes, als was ich selber über vier Jahre freiwillig bereit war, jederzeit zu tun. Es soll keine Entbehrung in Deutschland geben, die ich nicht selber sofort übernehme. Mein ganzes Leben gehört von jetzt ab erst recht meinem Volk. Ich will nichts anderes jetzt sein als der erste Soldat des Deutschen Reiches.

Ich habe damit wieder jenen Rock angezogen, der mir einst selbst der heiligste und teuerste war. Ich werde ihn nur ausziehen nach dem Sieg, oder ich werde dieses Ende nicht erleben!“[2]

Zwei Tage später, am 3. September 1939, begab sich Hitler in seinem Sonderzug nach Polen, um seine neue Rolle als „erster Soldat“ durch eine Reihe sogenannter „Frontfahrten“ im September und Oktober 1939 mit Leben zu füllen.[3]

Sonstiges

Die Behauptung, dass der Angriff auf Polen um 5:45 Uhr begann, ist falsch. Tatsächlich eröffnete bereits um 4:47 Uhr das Linienschiff Schleswig-Holstein das Feuer auf die polnische Garnison auf der Westerplatte.[4] Nach Augenzeugenberichten begann der Angriff auf Polen sogar noch früher mit dem Luftangriff auf Wieluń, nämlich um 4:37 Uhr.

Literatur

  • Christoph Raichle: Hitler als Symbolpolitiker, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2014.

Weblinks

Fußnoten

  1. Christoph Raichle: Hitler als Symbolpolitiker. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2014, S. 159–171.
  2. Philipp Bouhler: Der großdeutsche Freiheitskampf. 2. Auflage. Band 1. Eher-Verlag, München 1940, S. 25 f.
  3. Christoph Raichle: Hitler als Symbolpolitiker. Kohlhammer, Stuttgart 2014, S. 171–206.
  4. Helge Hesse: Hier stehe ich, ich kann nicht anders. In 80 Sätzen durch die Weltgeschichte. Eichborn, Frankfurt am Main 2006, ISBN 978-3-8218-5601-8, S. 272.