Hundinge

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Die Hundinge sind ein Geschlecht, eine Sippe oder ein Stamm in der altnordischen und altenglischen Dichtung.

Hundinge treten regelmäßig als Gegenspieler der Wulfinge (Ylfinge) in Erscheinung. In der Edda werden drei verschiedene Lieder über einen Held – oder mehrere Helden – namens Helgi überliefert; in einem derselben erschlägt Helgi Hundingsbani (der Hundingstöter) den Hunding. Auch den beiden anderen Liedern wird von der Literatur entnommen, dass sie diesen Konfliktstoff behandeln. Da von einer mehrfachen Überarbeitung der ursprünglichen Sage auszugehen ist, liegt jedoch letztlich vieles im Dunkeln. Allgemein anerkannt ist, dass jedenfalls die Verbindung des Helgi Hundingstöter mit dem Geschlecht der Wälsungen eine spätere Vermischung der beiden Stoffe darstellt. In den Gesta Danorum des Saxo Grammaticus tötet ein dänischer König Helgo einen Hundingus, König der Sachsen, und eroberte damit Jütland von den Sachsen. Hundingas (Hundinge) werden auch im Epos Beowulf und im Widsith erwähnt. In der Widsith-Dichtung werden die Hundinge zweimal genannt: einmal als ein Stamm,

Zeilen 20 bis 25:

Casere weold Creacum ond Cælic Finnum,
Hagena Holmrygum ond Heoden Glommum.
Witta weold Swæfum, Wada Hælsingum,
Meaca Myrgingum, Mearchealf Hundingum.
þeodric weold Froncum, þyle Rondingum,

der von einem „Mearchealf“ regiert wird, und ein zweites Mal in der Zeile 81,

Zeilen 80 und 81:

mid Lidwicingum ic wæs ond mid Leonum ond mid Longbeardum,
mid hæðnum ond mid hæleþum ond mid Hundingum.

– etwa: „ich war bei Heiden, Helden und Hundingen“.

Die Bezeichnung als „Hund“ wurde von den Germanen in vorchristlicher Zeit nicht als Beschimpfung aufgefasst, sondern stand im Gegenteil symbolisch für Kriegertum.[1] Nach der Christianisierung wurde der Hund hingegen mit dem Heidentum assoziiert, so dass „heidnischer Hund“ als abwertende Bezeichnung für Heiden schimpfwort-tauglich wurde. Otto Höfler zeigt auf, dass der Hund als Eigenname und Wappensymbol bei längst romanisierten langobardischstämmigen Familien im 13. und 14. Jahrhundert – entgegen den späteren christlich geprägten Opportunitätsbefindlichkeiten – in hohem Ansehen stand. Ferner legt er anhand zahlreicher Beispiele, wie etwa dem des Thore Hunds, dar, dass der Hund aufgrund seiner Wehrhaftigkeit angesehen war und in vorchristlichen Zeiten – aber auch darüber hinaus – als ein vorteilhafter Namenspatron in Betracht kam.[2]

Rudolf Much und andere meinen, dass der Konfliktstoff um die Hundinge und Ylfinge (Wulfinge) ursprünglich im heutigen nordostdeutschen Raum angesiedelt war. Als das Geschlecht der Ylfinge – das des Helgi – seien die Herrscher der Glommas oder Lemovier zu identifizieren, welche etwa im heutigen Vorpommern zu verorten seien.[3] Infolge des Abzuges dieser Gruppen und des Zuzugs der Wenden seien die Handlungsorte durch die späteren Saga-Bearbeiter nach Norwegen beziehungsweise Dänemark (Saxo Grammaticus) verlagert worden. Das benachbarte Svafaland in den Helgiliedern (vgl. Helgakviða Hjörvarðssonar – „Lied von Helgi Hjörvarðsson“) sei das Land der Semnonen – welche nach Tacitus als der wichtigste Stamm der Sueben anzusehen sind.[4] Der Fesselhain, in dem Helgi Hundingstöter getötet wird, entspreche dem Semnonenhain.[5] Die Langobarden, die in dieser Zeit an der Niederelbe saßen, kämen als Träger der Hundinge in Betracht bzw. sie oder eine ihre Untergruppen sei mit diesen identisch. Hierfür spreche auch, dass der Ursprung des Namens von Hödbrodd, Helgis Nebenbuhler, nach Sophus Bugge auf Headobarden gedeutet werden könne[6], so Much;[7][8] diese Headobarden, die im Beowulf als auch bei Saxo Grammaticus als Gegner der scyldingas / Dänen Erwähnung finden, werden wiederum meist den Langobarden zugeordnet.

Während die Wulfinge in den Quellen mit Werwölfen assoziiert werden, findet sich bei Paulus Diakonus eine Stelle, die auf ähnliche Vorstellungen hinzuweisen scheint. Diakonus interpretiert den von ihm zu vermittelnden Sagenstoff allerdings im Sinne der in der römischen Antike bekannten Fabelwesen der Kynokephale und stellt ihn primär als Kriegslist gegen die zahlenmäßig weit überlegenen Assipiter dar.

„Sie thaten, als hätten sie in ihrem Lager Kynokephaler, das heißt Menschen mit Hundsköpfen, und breiteten bei den Feinden aus, diese kämpfen mit großer Hartnäckigkeit, trinken Menschenblut und, wenn sie den Feind nicht in ihre Gewalt bekommen, ihr eigenes.“[9][10]

Ähnliches, auf ein werwolf- oder berserker-artiges Wesen Hindeutendes, das statt Wolfs- oder Bären- vielmehr Hundegestalt aufweist, wird indessen von keinem anderen germanischen Volk berichtet. Hier sei ein totemistischer Zusammenhang zu vermuten, der auf den Gegensatz von Hundingen und Wulfingen zurückzuführen sei. Ferner sei es denkbar, dass der ursprüngliche Name der Langobarden, die Winniler, als die „wütende Hunde“ gedeutet werden könne;[11] dem wird aber in der jüngeren Forschung entgegengetreten, die hierfür „die Kämpfer“ annimmt.[12]

Für den Zusammenhang zwischen Langobarden und Hundingen spreche auch die durch Diakonus überlieferte Sage von dem späteren König Lamicho (Lamissio). Nach dieser gebar eine Prostituierte („meretrix“[13]) mit einem Mal sieben Kinder und warf diese in einen Fischteich, damit diese ertränken. Als König Hagelmund an diesem Teich vorbeikommt und mit dem Speere in diesem stochert, ergreift eines der Kinder den Speer und König Hagelmund, der dies für ein besonderes Zeichen ansieht, lässt das Kind retten und aufziehen. Später wird dieses ein großer Held und selbst König der Langobarden.[14] Much führt an, 'Prostituierte' sei hier eventuell in der Art verwandter Schimpfwörter wie zöhensun, merhensun oder huorensun gebraucht worden und die Vielzahl von Kindern, vielleicht auch das Ertränken im Teich, entstamme der Vorstellung von neugeborenen Hunden.[15] Dies ähnelt der Verwendung des Wortes „bitch“ im Englischen, das eigentlich 'Hündin' bedeutet, aber vulgärsprachlich auch 'Schlampe' bedeuten kann. Bereits Jacob Grimm setzt die Sage um Lamissio in eine Reihe ähnlicher Sagen von Welpen, Welfen, [..], die ertränkt werden sollen aber gerettet werden und später groß rauskommen.[16] Obwohl Diakonus selbst anführt, dass der Name Lamissios sich von dem Teich ableite, aus dem dieser gezogen wurde, welcher „in ihrer Sprache »Lama« “ heiße[17][18], wurde der Name auch als „kleiner Beller“ gedeutet.[19]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Kim R. McCone, Hund, Wolf, und Krieger bei den Indogermanen in W. Meid (Hrsg.), Studien zum indogermanischen Wortschatz, Innsbruck, 1987, 101–154
  2. Otto Höfler, Cangrande von Verona und das Hundsymbol der Langobarden in: Kleine Schriften: ausgewählte Arbeiten zur germanischen Altertumskunde und Religionsgeschichte, zur Literatur des Mittelalters, zur germanischen Sprachwissenschaft sowie zur Kulturphilosophie und -morphologie, Buske 1992, 42-82. m.w.N. (Eingeschränkte Vorschau bei Google Books)
  3. Rudolf Much, "Der Germanische Osten in der Heldensage." Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur, 57 (1920), 145-176, S. 161
  4. (Germania, 39); vgl. Publius Cornelius Tacitus: Die Germania des Tacitus. Herder’sche Verlagshandlung, Freiburg i. Br. 1876, Seite 36 Volltext auf Wikisource
  5. Rudolf Much, "Der Germanische Osten in der Heldensage." Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur, 57 (1920), 145-176, S. 172
  6. vgl. Sophus Bugge, Helge-Digtene i Den Ældre Edda : deres Hjem og Forbindelser. 1896. Kopenhagen in der englischen Übersetzung: The Home of the Eddic Poems, 1899, S. 157 f
  7. Rudolf Much: Balder, in: ZfdA 61 (1924) 93-126, S. 108 f (mediaevum.de / Gallica)
  8. Rudolf Much, "Der Germanische Osten in der Heldensage." Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur, 57 (1920), 145-176, S. 175
  9. zitiert nach Otto Abel (Übers.), Alexander Heine (Hrsg.) in: Geschichte der Langobarden – Paulus Diakonus und die Geschichtschreiber der Langobarden, Erstausgabe Berlin 1849, S. 17 (Digitalisat bei Google Books)
  10. Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 11, In: Ludwig Bethmann, Georg Waitz (Hrsg.): Scriptores rerum Langobardicarum et Italicarum saec. VI–IX. Hannover 1878, S. 53 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat).
  11. Rudolf Much: Balder, in: ZfdA 61 (1924) 93-126, S. 110 (mediaevum.de / Gallica)
  12. R. Nedoma, Hund und Hundegräber – b. Namenskundliches, 214 -215 in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Band 15, Walter de Gruyter 2000, S. 215 (eingeschränkte Vorschau auf Google Books)
  13. Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 15, in: Ludwig Bethmann, Georg Waitz (Hrsg.): Scriptores rerum Langobardicarum et Italicarum saec. VI–IX. Hannover 1878, S. 54 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat).
  14. Otto Abel (Übers.), Alexander Heine (Hrsg.) in: Geschichte der Langobarden – Paulus Diakonus und die Geschichtschreiber der Langobarden, Erstausgabe Berlin 1849, S. 19 (Digitalisat bei Google Books)
  15. Rudolf Much in Widsith. Beiträge zu einem Commentar in: ZfdA 62 (1925) 113-150, S. 121 (Digitalisat bei Archive.org)
  16. Jacob Grimm in: Geschichte der deutschen Sprache. Weidmann’sche Buchhandlung, Leipzig, 4. Auflage, 1880, S. 394, Rz. 568
  17. Otto Abel fügt in Klammern „Lehm, Schlamm“ hinzu
  18. hinsichtlich dieser Angabe zweifelnd, bereits Jacob Grimm: Geschichte der deutschen Sprache. Weidmann’sche Buchhandlung, Leipzig, 4. Auflage, 1880, S. 482, Rz. 694
  19. Joseph Harris, Myth and Literary History: Two Germanic Examples, Oral Tradition 19.1 (2004) 3-19.