Industrie- und Handelskammer der DDR
Die Industrie- und Handelskammer der DDR war ab 1953 eine Organisation in der DDR, die für die noch nicht verstaatlichten Unternehmen Teilaufgaben der Industrie- und Handelskammer (IHK) wahrnahm. Im Gegensatz zu den freien IHK handelte es sich nicht um eine Organisation der Selbstverwaltung der Unternehmen, sondern war Teil der staatlichen Lenkung der Wirtschaft. Die Industrie- und Handelskammer der DDR hatte ihren Sitz im Gebäude der Industrie- und Handelskammer der DDR in Ost-Berlin.
Geschichte
Die IHK waren in der Zeit des Nationalsozialismus gleichgeschaltet und ab 1942 aufgelöst und gemeinsam mit den Handwerkskammern in Gauwirtschaftskammern überführt worden. In der Sowjetischen Besatzungszone wurde mit dem Gesetz über den Neuaufbau der Organisation der gewerblichen Wirtschaft 1946 jeweils eine zentrale IHK je Land geschaffen. An den traditionellen Standorten der früheren IHKs hatten sich vielfach in Eigeninitiative der lokalen Unternehmer 1945 eigenständige IHKs gebildet. Diese wurden dann ab 1946 als Außenstellen der jeweiligen Landes-IHK geführt. Teilweise gelang es ihnen (z. B. in Dessau und Magdeburg) eine relativ große Eigenständigkeit zu bewahren. Die Landes-IHK verloren 1949 die Zuständigkeit für Genossenschaften und VEB'en und wurden zum 31. März 1953 durch den Beschluss über die Einstellung der Tätigkeit der Industrie- und Handelskammern vom 5. März 1953 aufgelöst.
In der Folge des niedergeschlagenen Volksaufstandes von 17. Juni 1953 wurde als Zugeständnis an die verbliebenen Unternehmer in der DDR mit der Verordnung über die Einrichtung der Industrie- und Handelskammer der DDR vom 6. August 1953 die Industrie- und Handelskammer der DDR geschaffen.[1] Die IHK der DDR bestand aus einer Direktion in Berlin und nachgelagert jeweils einer Bezirksdirektion je Bezirk (die auf Kreisebene Kreisgeschäftsstellen errichten konnten). Die IHK unterstand der staatlichen Plankommission und war damit in den Herrschaftsapparat der SED eingebunden.
Mit der Verordnung über die Industrie- und Handelskammern der Bezirke wurde 1958 das Präsidium der IHK in Berlin aufgelöst. Die Bezirksdirektionen wurden den auch 1958 gebildeten Wirtschaftsräten bei den Räten der Bezirke angegliedert. Mit der Verstaatlichungswelle von 1972 wurde die Zahl der Mitgliedsunternehmen weiter verringert.
Mit Beschluss des Ministerrates der DDR zur Umwandlung der Industrie- und Handelskammern in Handels- und Gewerbekammern (private Industrie gab es nach der Verstaatlichungswelle von 1972 nicht mehr) büßten die Kammern 1983 ihren traditionellen Namen ein.[2]
Nach der Wende erfolgte die Neugründung freier Industrie- und Handelskammern auf dem Gebiet der DDR. Am 12. März 1990 wurde dies durch einen Erlass des Ministerrates legalisiert. Die bestehenden Kammern wurden aufgelöst und für die Neugründungen ein Rechtsrahmen geschaffen, der sich an dem IHK-Recht der Bundesrepublik orientierte. Zentrale Neuerung war die Wiedereinführung der Selbstverwaltung und die freie Wahl aller Gremien der neuen Kammern durch die Mitglieder.
Vorstand
Der Vorstand der Industrie- und Handelskammer der DDR bestand aus 45 Personen. Je ein Drittel hiervon wurden von den Unternehmen selbst, dem Staat und den Belegschaften (davon fünf direkt durch den Vorstand des FDGB) bestimmt. Das Präsidium bestand aus dem Vorsitzenden und vier Stellvertretern. Es wurde durch den Vorstand bestimmt und musste vom Ministerpräsidenten genehmigt werden.
Aufgaben
Während die Aufgaben der IHK der DDR sich anfangs noch an denen der freien IHK als berufsständischer Körperschaft orientierten, waren den IHK ab 1958 diese Aufgaben wie beispielsweise die Mitwirkung an der Berufsausbildung weitgehend entzogen. Wichtigste Aufgabe war nun, die Unternehmer für den Aufbau des Sozialismus zu gewinnen. Aufgrund der Abschaffung der Koalitionsfreiheit in der DDR hatten die IHK die Aufgabe, für den Bereich der privaten Unternehmen Tarifverträge abzuschließen. Diesbezüglich hatten sie formal die Funktion eines Arbeitgeberverbandes (materiell konnte diese Aufgabe nicht wahrgenommen werden, da die Unternehmer in den Gremien nur Minderheiten darstellten).
Industrie- und Handelskammer Groß-Berlin
Der Viermächte-Status von Berlin verhinderte die Arbeit der IHK der DDR in Ost-Berlin (genauso wie das bundesdeutsche IHK-Gesetz zunächst nicht in Westberlin Anwendung finden konnte). Daher wurde mit der Verordnung einer Industrie- und Handelskammer Groß-Berlin vom 8. Januar 1954[3] eine eigenständige IHK für Ost-Berlin geschaffen, die völlig analog arbeitete.
Präsidenten
- Magnus Dedek (1955)
Quellen
- Martin Will: Selbstverwaltung der Wirtschaft. Recht und Geschichte der Selbstverwaltung in den Industrie- und Handelskammern, Handwerksinnungen, Kreishandwerkerschaften, Handwerkskammern und Landwirtschaftskammern (Jus publicum; 199). Mohr Siebeck, Tübingen 2011, ISBN 978-3-16-150705-2, Seite 364 ff. und 384 ff., (zugl. Habilitationsschrift, Universität Marburg 2007) Online
- Jann Müller: Die Wiederbegründung der Industrie- und Handelskammern in Ostdeutschland im Prozess der Wiedervereinigung, 2017, ISBN 978-3-515-11565-0.