Ingwer Paulsen

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Ingwer Paulsen (* 3. April 1883 in Ellerbek bei Kiel; † 25. November 1943 in Halebüll bei Husum) war ein deutscher Grafiker und Maler.

Leben

Ingwer Paulsen wurde als dritter von vier Söhnen des Arztes Ingwer Paulsen sen. geboren. Die Familie stammte väterlicher- wie mütterlicherseits aus Nordfriesland. Sein Großvater mütterlicherseits war Pastor in Hattstedt. Paulsen besuchte die Kieler Gelehrtenschule und das Flensburger Realgymnasium. In der Absicht, wie sein älterer Bruder Friedrich Architektur zu studieren, zog er nach dem Schulabschluss nach München, wo er jedoch die Malerei für sich entdeckte.

Grab von Ingwer Paulsen in Hattstedt

Von 1904 an studierte er als Schüler bei Hermann Groeber, Peter Halm und Hugo von Habermann. Im Jahr 1907 trat er in die Münchner Akademie ein.[1] In den Jahren 1908 und 1909 studierte er zudem beim schleswig-holsteinischen Maler Hans Olde an der Weimarer Kunstschule. 1909 heiratete er in Eupen (Belgien) Else Kranz und wurde 1911 mit ihr in Weimar ansässig. Bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges unternahm er mehrere Reisen (Paris 1909), Niederlande (1911/12), Belgien (1913/14) und Italien. Während des Ersten Weltkrieges wurde er als Ballonbeobachter in Frankreich, Russland und Italien eingesetzt.

Zu Beginn der zwanziger Jahre musste er aus wirtschaftlichen Gründen kurze Zeit die gewerbliche Kunst aufgeben und bewirtschaftete einen eigenen Bauernhof. Ab 1923 wohnte er mit seiner zweiten Frau Elfriede von Rohden dauerhaft in dem bereits zehn Jahre zuvor von dem Architekten Ernst Prinz nach eigenen Vorstellungen errichteten Wohn- und Atelierhaus in Halebüll.[2] Studienreisen führten ihn nach Mecklenburg (1922) und Mainfranken (1923). Mit dem Soziologen Ferdinand Tönnies reiste er in die Provence (1927). 1928/29 reiste er nach Griechenland und Albanien (1928/29), wo er den Archäologen Wilhelm Dörpfeld besuchte.

Ingwer Paulsen war Mitglied im Deutschen Künstlerbund.[3] Seit Mitte der 20er Jahre war er im völkischen Sinne kulturpolitisch aktiv und setzte sich zunächst für Belange der schleswig-holsteinischen Künstler ein. Am 1. Februar 1930 trat Paulsen in die NSDAP ein. Für 1934 sind seine Tätigkeiten als Zellenwart und Kreiskulturwart (des Kreises Husum) dokumentiert. Außerdem leitete Paulsen den völkisch und antisemitisch ausgerichteten Kampfbund für Deutsche Kultur, Ortsgruppe Husum. Im März gründete er nach dem Vorbild der Frauenbildungsstätte „Loheland“ in Halbüll eine „Nordsee-Schule“.[4] Als Vorstandsmitglied der „Schleswig-Holsteinischen Kunstgenossenschaft“ und nationalsozialistischer Kulturfunktionär suchte er den Schulterschluss mit den Initiatoren der „Aktion Entartete Kunst“ Wolfgang Willrich und Walter Hansen.[5] Trotz seines unermüdlichen Einsatzes für die Ziele des Nationalsozialismus machte Ingwer Paulsen im Dritten Reich weder als Künstler noch als Kulturfunktionär Karriere, diesbezügliche Klagen wurden von Joseph Goebbels zurückgewiesen.[6]

Im Zweiten Weltkrieg ging Paulsen 1940 zunächst zur Luftwaffe nach Schleswig. Später war er u. a. im niederländischen Gorinchem als Stadtkommandant stationiert. 1943 entließ ihn die Wehrmacht aus Altersgründen.

Wenige Monate später starb Ingwer Paulsen im November 1943 in seinem Haus in Halebüll. Er wurde auf dem Friedhof von Hattstedt beerdigt. Auf der Trauerfeier würdigten der Ortsgruppenleiter und der Kreisleiter der NSDAP, Johann Peperkorn, sein Leben.

In seinem letzten Wohnort Halebüll, einem Ortsteil von Husum, ist ein Weg nach dem Künstler benannt.

Werk

Ingwer Paulsen war in erster Linie Radierer. Seine Themen waren überwiegend Landschaften der schleswig-holsteinischen Westküste (Nordfriesland, Eiderstedt und Dithmarschen).[7] Nach Ende des Ersten Weltkrieges strebte er vorübergehend nach der Totalität aller Ausdrucksmittel, von Grafik, Malerei und Bildhauerei. Neben Skulpturen entstanden Entwürfe zu großen farbigen Wandbildern. Er illustrierte 1925 das Buch Einsame Ufer. Hallignovellen von Elfriede Rotermund. Ab Mitte der zwanziger Jahre widmete er sich zunehmend der Malerei und experimentierte mit impressionistischen und expressionistischen Stilen. Eine thematische Annäherung an die NS-Ideologie blieb ohne nennenswerte Resonanz.[8]

Literatur und Quellen

  • Ulrich Schulte-Wülwer: Ingwer Paulsen. In: Ders., Kieler Künstler Band 3: In der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus 1918–1945, Heide 2019, S. 266–284. ISBN 978-3-8042-1493-4.
  • Adolf Möller: Ingwer Paulsen. Der Radierer Nordfrieslands. Husum 1984, ISBN 3-88042-217-6.
  • Claudia Bertling Biaggini: Ingwer Paulsen in Italien. Skizzen und Radierungen zwischen 1906 und 1902 Husum 1997, ISBN 3-88042-838-7.
  • Claudia Bertling-Biaggini: Licht und Farben Griechenlands: Ingwer Paulsen auf Reisen mit dem Archäologen Wilhelm Dörpfeld 1928/29. Husum 2004, ISBN 3-89876-181-9.
  • Claudia Bertling-Biaggini: Ingwer Paulsen: Akt – Figur – Bewegung. Husum 2007, ISBN 3-89876-341-2.
  • Schobüll – eine Chronik in Berichten und Geschichten. Husum 2014.
  • Personalkarte des Reichsschulungsamtes der NSDAP und der DAF, BArch VB51/1090001211

Einzelnachweise

  1. Eintrag von Ingwer Paulsen, Matrikelbuch 1884–1920, 30. Oktober 1907.(Eintrag im Onlinearchiv der Akademie)
  2. Liste der Kulturdenkmale in Husum#Paulsen Atelierhaus
  3. kuenstlerbund.de: Ordentliche Mitglieder des Deutschen Künstlerbundes seit der Gründung 1903 / Paulsen, Ingwer (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) (abgerufen am 4. Dezember 2015)
  4. Kieler Zeitung 24. März 1930.
  5. Ingwer Paulsen an Kapellmeister Brandmauer, Hilversum 13. Oktober 1941. Nachlass Ingwer Paulsen, Halebüll.
  6. Schreiben von Paulsen an Goebbels, Halebüll, 4. August 1937 und die Antwort, Berlin 4. August 1937 im Nachlass Ingwer Paulsen, Halebüll.
  7. Hans W. Singer, Das graphische Werk des Maler-Radierers Ingwer Paulsen. Ein beschreibendes und chronologisch geordnetes Verzeichnis, Berlin 1922.
  8. Schulte-Wülwer, S. 276ff.

Weblinks

Commons: Ingwer Paulsen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien