Institut für Geschichte der Medizin der Medizinischen Universität Wien

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Seit 1888 war Theodor Puschmann Ordinarius für Medizingeschichte in Wien ohne eigenes Institut. Zu den wenigen Hörern in Puschmanns Vorlesungen gehörten neben Arturo Castiglioni, Isidor Fischer und Max Neuburger, der später Inhaber des Wiener Lehrstuhls wurde.[1]

Max Neuburger 1868-1955
Josephinum

Max Neuburger regte 1914 die Schaffung des Instituts für Geschichte der Medizin an. Im Sommer 1920 konnte er dieses (nach verschiedenen provisorischen Unterbringungen im Medizindekanat und der I. Medizinischen Klinik) mit Unterstützung von Klinikdirektor Karel Frederik Wenckebach im Gebäude des Josephinums[2] eröffnen.[3] Er leitete das Institut bis zu seiner Entlassung aus rassistischen Gründen am 22. April 1938. Bereits seit 1906 hatte Neuburger medizinische Gegenstände, Bücher und Bilder gesammelt. Bis 1920 waren die Sammlungsgegenstände hinter dem Hörsaal der I. Medizinischen Klinik verstaut, dann konnte das Josephinum in der Währinger Straße 25 damit bezogen werden, wo sie bis heute untergebracht sind.

Nach dem ersten Internationalen Kongress für Medizingeschichte in Antwerpen wurde 1921 die «Société Internationale d‘Histoire de Médecine» gegründet.[4][5] Starke Kräfte in dieser Gesellschaft erwirkten einen Boykott gegen Deutschland und gegen die mit Deutschland im Krieg alliierten Nationen. Betroffen von diesem Boykott waren vor allem Karl Sudhoff in Leipzig und Max Neuburger in Wien. Daraufhin boykottierte Henry E. Sigerist zusammen mit den angelsächsischen Medizinhistorikern Fielding Hudson Garrison, Arnold C. Klebs, Victor Robinson und Charles Singer den 1925 in Genf stattfindenden Kongress. Der teilnehmenden amerikanischen Restgruppe gelang es, eine Resolution zu verabschieden, die bestimmte, dass alle Nationen in Zukunft Mitglieder der Internationalen Gesellschaft sein konnten. Am 22. April 1938 wurde Neuburger mit rassistischer Begründung entlassen. Zum 11. Internationalen Kongress für Geschichte der Medizin im Herbst 1938 in Jugoslawien erhielt er wie sein italienischer Kollege Arturo Castiglioni keine Ausreisegenehmigung.

Nach Neuburger leitete Fritz Lejeune bis 1945 das Institut. Leopold Schönbauer (Vorstand der ersten Chirurgischen Universitätsklinik im Allgemeinen Krankenhaus) wurde ab 1945 provisorischer Vorstand, bis Erna Lesky 1960 eine Professur für das Fach und die Sorgepflicht für das Haus bekam. In den folgenden Jahren gelang die Generalsanierung des schwer beschädigten Gebäudes. Leskys wissenschaftliche Arbeit verschaffte dem Institut neuerliche Weltgeltung.[6]

Literatur

  • Erwin H. Ackerknecht: Zum 100. Geburtstag von Max Neuburger. In: Gesnerus, Band 25 (1968) Heft 3–4, S. 221–222 (Digitalisat)
  • Michael Hubenstorf. Eine „Wiener Schule“ der Medizingeschichte? – Max Neuburger und die vergessene deutschsprachige Medizingeschichte. In: Medizingeschichte und Gesellschaftskritik. Festschrift für Gerhard Baader. Matthiesen, Husum 1997, S. 246–289
  • Erna Lesky: Das Wiener Institut für Geschichte der Medizin am Josephinum. ¹1969 ²1979
  • Max Neuburger: Das Institut für Geschichte der Medizin an der Universität Wien. In: Wiener medizinische Wochenschrift. Wien: Springer 71 (1921), S. 70 f.
  • Helmut Wyklicky: Das Josephinum. Biographie eines Hauses. 1985

Einzelnachweise

  1. Michael Hubenstorf. Eine „Wiener Schule“ der Medizingeschichte? – Max Neuburger und die vergessene deutschsprachige Medizingeschichte. In: Medizingeschichte und Gesellschaftskritik. Festschrift für Gerhard Baader. Matthiesen, Husum 1997, S. 246–289, hier: S. 286–287
  2. Karl Holubar: Karel Frederik Wenckebach (1864–1940) und die Domizilisierung des Institutes für Geschichte der Medizin im historischen Gebäude der Josephs-Akademie in Wien: 1990 als doppeltes Gedenkjahr. In: Wiener klinische Wochenschrift. Band 102, 1990, S. 333–337.
  3. Karl Holubar: Neuburger, Max. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, S. 1031
  4. Internationale Kongresse für Medizingeschichte 1920-1938: Antwerpen 1920, Paris 1921, London 1922, Brüssel 1923 (als Teil des Internationalen Historikerkongress), Genf 1925, Leiden-Amsterdam 1927, Oslo 1928 (als Teil des Internationalen Historikerkongress), Rom 1930, Bukarest 1932, Madrid 1935, Jugoslawien 1938
  5. Statuten der «International Society of the History of Medicine». In: Annals of Medical History. B. Hoeber, New York, Band 4, 1922, S. 388–389 (Textarchiv – Internet Archive).
  6. Huldrych M. Koelbing. Zur Erinnerung an Erna Lesky. In: Gesnerus 44 (1987), S. 3–5

Weblinks