Vagina

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Die Vagina (von lateinisch vāgīna „Scheide des Schwertes“ und übertragen „Ährenhülse“)[1] ist im Bereich Zoologie ein primäres, weibliches Geschlechtsorgan. Die Vagina oder deutsch „Scheide“ ist die caudale Verbindung zwischen der Außenwelt und den im Körper liegenden Gonaden, in denen bei den Weibchen die Eizellen beziehungsweise Eier gebildet werden.[2] Sie ist der schlauchförmige Gang, über den bei innerer Befruchtung die Spermien zu den Eizellen vordringen. Zudem werden über die Vagina die Eier oder bei lebendgebärenden Lebewesen die Jungen nach außen geleitet.[3]

Begriff

Vogelvagina im weiblichen Urogenitalsystem

Der Begriff Vagina entspricht exakt dem deutschen Begriff Scheide. Er wird nicht nur beim Menschen und bei Säugetieren verwendet, sondern auch bei der Beschreibung der Geschlechts- beziehungsweise Fortpflanzungsorgane anderer Tiergruppen.

Vorkommen

Eine zum Menschen homologe Vagina haben nicht nur alle Säugetiere (Mammalia), sondern in der Verwandtschaft der Wirbeltiere (Vertebrata) auch die systematischen Klassen Kriechtiere (Reptilia) und Vögel (Aves). Außerhalb der Wirbeltiere findet sich der Begriff in analoger Verwendung für dieses weibliche Geschlechtsorgan auch bei den Plathelminthes (Plattwürmern) und Gliederfüßern (Arthropoda), zum Beispiel bei Schmetterlingen, Eintagsfliegen und anderen Insektenarten.[4][5]

Funktion

Die Vagina nimmt die Spermien (Spermatozoen) des Männchens auf. Sie ist in der Regel mit Sekret bildenden Drüsen ausgestattet beziehungsweise von ihnen umgeben. Bei vielen Tierarten bestehen Ausbuchtungen wie das Receptaculum seminis der Insekten, in dem Spermien für die Befruchtung der Eizellen vorübergehend gespeichert werden. Schließlich bildet die Vagina den Geburtskanal für die Nachkommen beziehungsweise für die Eier bei eierlegenden Wirbeltieren und Insekten.

Die Vagina schützt die tiefer im Körper liegenden inneren weiblichen Geschlechtsorgane, indem sie den Abstand zwischen diesen und der Außenwelt, also der Körpergrenze, vergrößert. Bei der Begattung (Kopulation) wird der Penis in die Vagina – oder noch weiter in Richtung Gebärmutter (Uterus) – geschoben. Dabei nimmt die Vagina das ausgestoßene Sperma mit den enthaltenen Spermien auf.

Bei vielen Lebewesen werden im Bereich der Vagina und der Eileiter diverse Sekrete gebildet, die die Befruchtung der Eizellen sichern beziehungsweise Schutzhüllen bis hin zu stabilen Kalkschalen formen. Bei Säugetieren gelangen die Spermien von der Vagina aus eigenständig durch den Gebärmutterhals in die Gebärmutter und weiter hinein in die Eileiter. So ist das bei Primaten, Wiederkäuern, Kaninchen und mehreren Nagetieren. Hingegen kann der Penis beispielsweise bei Pferden, Hunden und Schweinen bis hinter den Gebärmuttermund (Zervixbereich) vordringen. Die Samenflüssigkeit wird so direkt in die Gebärmutter (Uterus) ejakuliert.[6]

Vergleichende Anatomie

Wirbellose

Vagina und andere weibliche Geschlechtsorgane bei Insekten

Bei Insekten, beispielsweise in der Gruppe der Heuschrecken und Hautflügler wie etwa Bienen, verbindet eine schlauchförmige Struktur im Hinterleib den Bereich der Eierstöcke mit der Außenwelt. Diese Insektenvagina ist mit Chitin ausgekleidet, hat als Anhängsel sekretbildende Drüsen und eine Samentasche (Receptaculum seminis). Bei der Begattung nimmt sie den Aedeagus (das Analogon zum Penis männlicher Säugetiere) auf. Die befruchteten Eier werden via Vagina in die Außenwelt abgegeben.

Wirbeltiere

Lurche (Amphibien) besitzen eine Kloake wie auch die Vögel. Von einer Vagina wird jedoch nicht gesprochen, was durch die meist äußere Befruchtung der Eier, das heißt ohne Kopulation, zu erklären ist.[7] Bei manchen Vogelarten findet eine innere Befruchtung statt. Entenvögel und Strauße zählen dazu. Bei den Sauropsida, also Reptilien und Vögeln, ist der schlauchförmige Eileiter in verschiedene Abschnitte strukturiert. Der hintere, direkt in die Kloake mündende Abschnitt des Eileiters (Ovidukt, Oviductus) wird als Vagina bezeichnet.[8]

Während der Evolution der Wirbeltiere entwickelte sich die Vagina im engeren Sinne erst bei den Theria. Das ist die systematische Gruppe, die als Metatheria die Beuteltiere (= Beutelsäuger), also etwa Koalas, einschließt und die als Eutheria alle höheren Säugetiere umfasst. Die ursprünglichen Säuger, die sogenannten Protheria, haben zwei Gebärmütter (Uteri) und zwei Vaginae oder Vaginas – die Biologie spricht hier von paarigen Anlagen. Sie münden in einen gemeinsamen Sinus urogenitalis, der sich in eine Kloake öffnet.[9][10]

Zu den Protheria zählen eierlegende Kloakentiere wie das australische Schnabeltier.

Säugetiere

Geschlechtswege bei verschiedenen Säugetieren

Bei den Beuteltieren oder Beutelsäugern (Metatheria, Marsupialia) sind Uterus und Vagina noch doppelt angelegt, also paarig (Vagina duplex). Der Endabschnitt des paarigen Müller-Gangs (Müllerscher Gang), aus dem beim Embryo die Vagina entsteht, verschmilzt bei ihnen im Verlauf der Embryonalentwicklung nicht. Beide Äste des Gangs enden jedoch in einen gemeinsamen Sinus urogenitalis, das heißt sie verschmelzen dort.[11][5]

Für alle höheren Säugetieren (Eutheria, Placentalia) ist eine „unpaare“ Vagina typisch – auch ungeteilt genannt. Jedoch ist bei vielen Säugetierarten die Gebärmutter doppelt vorhanden und also „paarig“ ausgebildet – auch zweiteilig genannt. Die Gebärmutter kann, wie etwa beim Erdferkel und bei vielen Nagetieren, vollständig gedoppelt sein oder aber nur teilweise. Wenn die Gebärmutter über zwei weitgehend separate Mündungen in die Vagina übergeht, wird sie aufgrund ihrer Form als zweihörnig (Uterus bicornis) bezeichnet. Halbaffen und Wale besitzen einen solche Gebärmutter.

Das Hymen begrenzt die Vagina nach außen und schützt mit seiner Einengung des Scheideneingangs die inneren Geschlechtsorgane. Bei den meisten säugtieren, die nicht zu den Primaten zählen, ist es nur als angedeutete Ringfalte ausgebildet.

Die Lage der Vaginalöffnung im hinteren Körperbereich ist bei Säugern von Art zu Art unterschiedlich und vermutlich von verschiedenen Faktoren abhängig. Bei Elefanten liegt die Vaginalöffnung noch vor den Hinterbeinen und wird zur Kopulation weiter nach hinten gezogen.[12] Bei Walen öffnet sich die Vagina in einer langgestreckten Falte.[13]

Entwicklung der Vagina bei Wirbeltieren

Bei Vertebraten, also Wirbeltieren, besteht eine enge Verbindung von Ausscheidungs- und Geschlechtsorganen. Zusammenfassend spricht man vom Urogenitalsystem. Die Organe und Gänge beider Systeme sind ursprünglich, das heißt zu Beginn der Embryonalentwicklung, doppelt (paarig) vorhanden. Die Vagina entwickelt sich gemeinsam mit der Gebärmutter und den Eileitern aus dem links- und rechtsseitig angelegten Müller-Gang oder Müllerschen Gang (Ductus paramesonephricus). Der Müller-Gang liegt neben dem ebenfalls paarigen Wolff-Gang oder Wolffschen Gang (= Urnierengang, Ductus mesonephricus) in der Urogenitalleiste des Embryo. Aus dem Wolff-Gang entwickeln sich die ableitenden Harnwege, die die Produkte der Exkretionsorgane (Nieren) aus dem Körper befördern.

Rolle des Anti-Müller-Hormons

Bei männlichen Embryonen wird die weitere Differenzierung der paarigen Müller-Gänge durch das Anti-Müller-Hormon (AMH) aus den fetalen Hoden unterdrückt, so dass sie sich zurückbilden. Bei weiblichen Embryonen entwickeln sich ohne diese hormonelle Unterdrückung die zentralen weiblichen Fortpflanzungsorgane. Die ursprünglich paarigen, schlauchartigen Müller-Gänge verschmelzen während der Ontogenese bei höheren Säugern wie Fledermaus, Affe und auch beim Menschen zu einem einzigen Gang, der sich unter dem Einfluss der Östrogene ausdifferenziert.

Während der obere, craniale Anteil des Müller-Gangs zusammen mit dem mittleren Teil den Eileiter bildet, entwickeln sich aus dem unteren, kaudalen Bereich des Gangs sowohl Gebärmutter als auch Vagina. Den Abschluss des Kanals bildet der Sinovaginalhöcker. Er endet an der Hinterwand des Sinus urogenitalis, wo durch Zellvermehrung die sogenannte Vaginalplatte entsteht. Sie stülpt sich aus und bildet zum Ende der Embryonalentwicklung den Vaginalausgang im Bereich der Vulva.[14]

Rolle der Hox-Gene

An Tiermodellen konnte gezeigt werden, dass Hox-Gene (Steuergene) bei der Entwicklung des Urogenitalsystems bedeutsam sind.[15] HOX-A10 ist für die Entwicklung des Uterus, HOX-A11 für den kaudalen Uterusanteil, HOX-A13 für den kranialen Anteil der Vagina und HOX-A9 für die Eileiterentwicklung wichtig.[16][17]

Weblinks

Commons: Vaginas – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Vagina – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Friedrich Kluge, Elmar Sebold: Vagina. In: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache/Kluge. de Gruyter, abgerufen am 10. Mai 2021.
  2. Vagina. In: Kompaktlexikon der Biologie. Spektrum Akademischer Verlag, abgerufen am 14. Februar 2021.
  3. Gerhard Dietrich, Friedrich W. Stöcker (Hrsg.): Brockhaus ABC Biologie. Brockhaus, Leipzig 1967, ISBN 3-87144-001-9, S. 851.
  4. Thomas Bauer u. a.: Lehrbuch der Entomologie. Hrsg.: Konrad Dettner, Werner Peters. 2. Auflage. 1 und 2. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-8274-2617-8.
  5. a b Rüdiger Wehner, Walter Gehring: Allgemeine Zoologie. 24. Auflage. Thieme, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-13-367425-6.
  6. Tim Birkhead: Promiscuity. An Evolutionary History of Sperm Competition and Sexual conflict. Faber & Faber, London 2000, ISBN 0-571-19360-9, S. 143.
  7. Vinzenz Ziswiler: Spezielle Zoologie - Wirbeltiere. Band 1. Thieme, Stuttgart 1976, ISBN 3-13-528701-7, S. 259 ff.
  8. Franz-Viktor Salomon (Hrsg.): Lehrbuch der Geflügelanatomie. Fischer, Jena/ Stuttgart 1993, ISBN 3-334-60403-9.
  9. Nadja Møbjerg: Organe der Osmoregulation und Exkretion. In: W. Westheide, R. Rieger: Spezielle Zoologie. Teil 2. Wirbel- oder Schädeltiere. Spektrum Akademischer Verlag, München 2004, ISBN 3-8274-0307-3, S. 151.
  10. Martin S. Fischer: Tubulidentata, Erdferkel. In: W. Westheide, R. Rieger: Spezielle Zoologie. Teil 2. Wirbel- oder Schädeltiere. Spektrum Akademischer Verlag, München 2004, ISBN 3-8274-0307-3, S. 646.
  11. Ernst Hadorn, Rüdiger Wehner: Allgemeine Zoologie. 19. Auflage. Thieme, Stuttgart 1974, ISBN 3-13-367419-6.
  12. Martin S. Fischer: Proboscidea, Elefanten. In: W. Westheide, R. Rieger: Spezielle Zoologie. Teil 2. Wirbel- oder Schädeltiere. Spektrum Akademischer Verlag, München 2004, ISBN 3-8274-0307-3, S. 665.
  13. Milan Klima: Cetacea, Wale. In: W. Westheide, R. Rieger: Spezielle Zoologie. Teil 2. Wirbel- oder Schädeltiere. Spektrum Akademischer Verlag, München 2004, ISBN 3-8274-0307-3, S. 638.
  14. Weibliches Geschlecht: Differenzierung des Gangsystems der Genitalorgane. Online-Embryologiekurs für Studierende der Medizin, entwickelt von den Universitäten Freiburg, Lausanne und Bern mit Unterstützung des Swiss Virtual Campus, Modul 21.4. Abgerufen am 26. April 2011.
  15. Agnès Burel, Thomas Mouchel, Sylvie Odent u. a.: Role of HOXA7 to HOXA13 and PBX1 genes in various forms of MRKH syndrome (congenital absence of uterus and vagina). In: Journal of Negative Results in Biomedicine. Band 5, Nr. 4, doi:10.1186/1477-5751-5-4, Volltext (PDF)
  16. Vincent J. Lynch, Jutta J. Roth, Kazuhiko Takahashi u. a.: Adaptive evolution of HoxA-11 and HoxA-13 at the origin of the uterus in mammals. In: The Royal Society Publishing Proceedings B. 7. November 2004, Band 271, Nr. 1554, S. 2201–2207, doi:10.1098/rspb.2004.2848, Volltext (PDF)
  17. Günter P. Wagner, Vincent J. Lynch: Molecular evolution of evolutionary novelties: the vagina and uterus of therian mammals. In: Journal of Experimental Zoology Part B Molecular and Developmental Evolution. November 2005, Band 304, Nr. 6, S. 580–592, doi:10.1002/jez.B.21074.