Jörg Tremmel

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Jörg Tremmel (* 1970 in Frankfurt am Main) ist ein deutscher Politikwissenschaftler und Philosoph.

Leben

Tremmel studierte Betriebswirtschaftslehre an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Oestrich-Winkel und der FernUniversität in Hagen und schloss 1997 als Diplom-Betriebswirt bzw. 1998 als Diplom-Kaufmann ab. Außerdem studierte er Politikwissenschaft an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main und schloss 2003 ebenfalls mit dem Diplom ab. Er promovierte 2005 zum Dr. rer. pol. an der Universität Stuttgart mit der DissertationBevölkerungspolitik im Kontext ökologischer Generationengerechtigkeit“ und 2008 zum Dr. phil. an der Universität Düsseldorf mit dem Thema A Theory of Intergenerational Justice. Er war von 2009 bis 2010 Fellow an der London School of Economics and Political Science in England. Von April 2010 bis April 2016 war er Juniorprofessor für Generationengerechte Politik am Institut für Politikwissenschaft der Eberhard Karls Universität Tübingen. Jörg Tremmel hat sich im Februar 2016 an der Universität Tübingen habilitiert. Das Vortragsthema des Kolloquiums lautete: Max Webers Werturteilsfreiheitspostulat revisited – Was hat die normative Politische Theorie heute dazu zu sagen. Im Juni 2019 wurde ihm nach einem externen Begutachtungsverfahren der Titel „außerplanmäßiger Professor“ verliehen.[1]

Tremmel hat zahlreiche Bücher und Aufsätze über Generationengerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Politische Theorie, Demografie, Verfassungstheorie und verschiedene ethische Einzelfragen publiziert, u. a. bei Cambridge University Press und Routledge. In der Politikwissenschaft hat er das „Vier-Gewalten-Modell“ bekannt gemacht.[2] Es besagt, dass die bisherige politische Gewaltenteilung in Legislative, Exekutive und Judikative im Anthropozän nicht mehr ausreicht. Da der Demos des 21. Jahrhunderts die Lebensbedingungen aller künftigen Menschen viel stärker beeinflusst als in früheren Zeiten sollte eine „Zukunftsinstanz“ („future branch“) als vierte Dimension der Staatsgewalt hinzukommen. In der Philosophie hat Tremmel in seiner Habilitationsschrift die Verfahrensethik weiterentwickelt und aufgezeigt, mit welchen Verfahren wir entscheiden können, ob bestimmte Handlungen richtig oder falsch sind. Auch zur Didaktik hat Tremmel Beiträge geleistet, indem er das Konzept des Walkshops (als zusammengesetztes Wort aus „Walk“ und „Workshop“) entwickelte. Diese Bildungsprojekte finden während Wanderungen statt und bestehen aus drei Modulen: dem Curriculum aus auditiven Lernmaterialien, die während des Gehens angehört werden; dem Besuch von Lernorten, die auf der Route liegen, sowie abendlichen Diskussionsveranstaltungen.[3]

Bücher (Auswahl)

  • Normative Politische Theorie: Wissenschaftstheoretische Grundlagen und Anwendungen am Beispiel des politischen Mordverbots. Springer VS, Wiesbaden 2020, 345 Seiten, ISBN 978-3-658-02729-2 (überarbeite Habilitationsschrift).
  • Eine Theorie der Generationengerechtigkeit. mentis, Münster 2012, 341 Seiten, ISBN 978-3-89785-706-3 (aktualisierte und erweiterte Fassung von „A Theory of Intergenerational Justice“ 2009).
  • A Young Generation Under Pressure? Financial situation and ‘rush hour of life’ of the cohorts 1970-1985 in a generational comparison. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2010, ISBN 978-3-642-03482-4).
  • mit Katherine Robinson: Climate Ethics: The Climate Change Conundrum. London 2014: Palgrave Macmillan I.B. Tauris (241 Seiten; ISBN 9781780763637).
  • A Theory of Intergenerational Justice. Earthscan (Routledge), London 2009, 263 Seiten, ISBN 978-1-84407-826-4. (überarbeitete Dissertation)
  • Demographic change and intergenerational justice: the implementation of long-term thinking in the political decision making process. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2008, ISBN 978-3-540-77083-1.
  • Handbook of Intergenerational Justice. Cheltenham, Edward Elgar Publishing 2006, ISBN 1-84542-900-1.
  • Bevölkerungspolitik im Kontext ökologischer Generationengerechtigkeit. Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden 2005, ISBN 3-8350-6017-1. (Dissertation)
  • Unternehmensleitbild Generationengerechtigkeit: Theorie und Praxis. IKO-Verl. für Interkulturelle Kommunikation, Frankfurt am Main/London 2005.
  • Nachhaltigkeit als politische und analytische Kategorie: der deutsche Diskurs um nachhaltige Entwicklung im Spiegel der Interessen der Akteure. Ökom-Verlag, München 2003, ISBN 3-936581-14-2. (überarbeitete Diplomarbeit)

Aufsätze in begutachteten Zeitschriften und Sammelbänden (Auswahl)

  • The Four-Branches Model of Government: Representing Future Generations. In: Cordonier Segger, Marie-Claire / Szabó, Marcel / Harrington, Alexandra R. (Hg.): Intergenerational Justice in Sustainable Development Treaty Implementation. Advancing Future Generations Rights through National Institutions (2021). Cambridge: Cambridge University Press. S. 754–780.
  • Intergenerationelle Gerechtigkeit und Armut. In: Schweiger, Gottfried / Sedmak, Clemens (Hg.): Handbuch Philosophie und Armut. Stuttgart 2021: Metzler Verlag. S. 312–319 (italienische Übersetzung erschienen in der italienischen Zeitschrift Lessico di Etica Pubblica 2/2019).
  • Gerechtigkeit zwischen den Generationen. In: Schweiger, Gottfried / Drerup, Johannes (Hg.): Handbuch Philosophie der Kindheit. Stuttgart 2019: Metzler Verlag. S. 371–379.
  • Whose constitution? Constitutional self-determination and generational change. In: Ratio Juris. Nr. 1/2019. (32. Jg.). S. 49–75.
  • mit Pieter Vanhuysse: Measuring intergenerational justice for public policy. In: Poama, Andrei / Lever, Annabelle (Hg.) (2018): Routledge Handbook of Ethics and Public Policy. London: Routledge. S. 472–486.
  • Zukunftsräte zur Vertretung der Interessen kommender Generationen. Ein praxisorientierter Vorschlag für Deutschland. In: Mannewitz, Tom (Hg.) (2018): Die Demokratie und ihre Defekte. Heidelberg: Springer VS. S. 107–142.
  • Climate Change and Political Philosophy: Who Owes What to Whom? In: Environmental Values. Nr. 6/2013 (22. Jg.). S. 725–749. doi:10.3197/096327113X13781997646539.
  • The Anthropocene concept as a wake-up call for reforming democracy. In: Hickmann, Thomas / Partzsch, Lena / Pattberg, Philipp / Weiland, Sabine (Hg.) (2018): The Anthropocene Debate and Political Science. Routledge Environmental Research Series. London: Routledge. S. 219–237.
  • Thomas Morus: Der Philosoph als Fürstendiener oder Staatsmann? In: Höffe, Otfried (Hg.) (2016): Politische Utopien der Neuzeit: Thomas Morus, Tommaso Campanella, Francis Bacon (Klassiker Auslegen, Band 61). Berlin: Akademie Verlag. S. 43–56.
  • Nachhaltigkeit. In: Sturma, Dieter / Heinrichs, Bert (Hg.) (2015): Handbuch Bioethik. Stuttgart: Metzler Verlag. S. 109–114.
  • Parliaments and future generations – the Four-Powers-Model. In: Birnbacher, Dieter / Thorseth, May (Hg.) (2015): The Politics of Sustainability. Philosophical Perspectives. London: Routledge/Earthscan. S. 212–233. (wiederabgedruckt in: Ciaramelli, Fabio / Menga, Ferdinando (Eds.): Responsabilità verso le future generazioni future. Editoriale Scientifica, Neapel 2017).
  • mit James Wilhelm: Democracy or Epistocracy? Age as a Criterion of Voter Eligibility. In: Tremmel, Jörg / Mason, Antony / Dimitrijoski, Igor / Godli, Petter (Hg.) (2015): Youth Quotas in Ageing Societies. Dordrecht, NL: Springer. S. 125–147 (auf deutsch 2015 veröffentlicht: Demokratie, Epistokratie und der Ausschluss Minderjähriger vom Wahlrecht. Der Vorschlag eines Wahlregisters für Jugendliche und ältere Kinder. In: Tremmel, Jörg / Rutsche, Markus (Hg.): Politische Beteiligung junger Menschen. Grundlagen – Perspektiven – Fallstudien. Wiesbaden: Springer VS. S. 107–144).
  • The Convention of Representatives of all Generations under the ‘Veil of Ignorance’. In: Constellations. An International Journal of Critical and Democratic Theory (Wiley-Blackwell). Nr. 3/2013 (20. Jg.). S. 483–502.
  • Von der ‚Sozialen Gerechtigkeit‘ zur ‚Generationengerechtigkeit?‘ Eine Analyse der Bundestagsdebatten 2005 und 2009. In: Zeitschrift für Parlamentsfragen. 4/2011 (42. Jg.). S. 691–707.
  • Welche Gerechtigkeitsprinzipien würden Vertreter aller Generationen unter dem Rawls´schen Schleier der Unwissenheit festlegen? In: Zeitschrift für philosophische Forschung. Nr. 2/2009 (63. Jg.). S. 201–234.
  • „Nachhaltigkeit“ – definiert nach einem kriteriengebundenen Verfahren In: GAIA 1/2004 (13. Jg.). S. 26–34.
  • Die Verankerung von Generationengerechtigkeit im Grundgesetz – Vorschlag für einen erneuerten Art. 20a GG In: Zeitschrift für Rechtspolitik, Heft 10/1999, (32. Jg.). S. 432–438 (mit Laukemann, Marc/Lux, Christina)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Außerplanmäßiger Professor Dr. Dr. Tremmel uni-tuebingen.de
  2. The Four-Branches Model of Government: Representing Future Generations. In: Cordonier Segger, Marie-Claire / Szabó, Marcel / Harrington, Alexandra R. (Hg.): Intergenerational Justice in Sustainable Development Treaty Implementation. Advancing Future Generations Rights through National Institutions (2021). Cambridge: Cambridge University Press. S. 754–780. https://www.researchgate.net/publication/355254295_The_Four-Branches_Model_of_Government_Representing_Future_Generations
  3. Walkshops