Jakob Reimer (SS-Mitglied)
Jakob Reimer, auch Jack[1] Reimer (* 6. November 1918 in Friedensdorf; † 3. August 2005 in Fort Lee, New Jersey) war während des Zweiten Weltkrieges ein Soldat der Roten Armee und diente nach seiner Gefangennahme durch die deutsche Wehrmacht im Jahr 1942 als Hilfswilliger und gehörte zu den Hilfstruppen der SS. Nach dem Krieg emigrierte er in die USA und arbeitete dort als Verkäufer und Restaurantmanager.
Leben
Er wurde als Sohn von Mennoniten geboren.[2] Reimer studierte Bibliothekswissenschaft, bevor er 1940 in die sowjetische Armee einberufen wurde. Als Deutschland 1941 in die Sowjetunion einmarschierte, wurde Reimer von deutschen Truppen am 6. Juli 1941 gefangen genommen. Zwei Monate später wurde er als Volksdeutscher in das Zwangsarbeitslager Trawniki verbracht, wo er zur SS-Hilfskraft ausgebildet wurde. Sein Personalbogen führte ihn dort mit der Nummer 865.[3] Reimer wurde im Dienst der SS vier Mal befördert.[4]
Für Reimers Zeit als Hilfswilliger in Trawniki erhoben amerikanische Behörden gegen ihn die Anklage in mehreren Punkten: Er habe im Winter 1941/42 an einer Massenermordung einer Gruppe jüdischer Gefangener in Wäldern in der Nähe des Lagers in Trawniki teilgenommen, er sei zudem 1942 an der Deportation von Juden des Ghettos in Częstochowa und des Ghettos in Lublin, im Jahre 1943 an der Räumung des Warschauer Ghettos beteiligt gewesen.[2] Reimer behauptete, die angeordnete Erschießung bei Trawniki verschlafen zu haben und deswegen dort zu spät eingetroffen zu sein. Er räumte ein, einen Mann nach dessen Bitte um einen Gnadenschuss erschossen zu haben, was später ausschlaggebend für seine Ausbürgerung war.[5]
Am 19. Februar 1944 wurde Reimer nach eigenen Angaben unfreiwillig nach Deutschland eingebürgert, auf dem Rückzug vor der Roten Armee wurde seine Einheit nach Dresden verlegt. Der Kommandant des SS-Ausbildungslagers Trawniki Karl Streibel beförderte Reimer am 17. April 1945 zum SS-Oberzugwachmann, nachdem er ihn am 26. September 1944 für die Verleihung des Deutschen Kreuzes vorgeschlagen hatte.[5] 1952 suchte er um ein Visum für die USA an und wurde am 28. April 1959 US-Staatsbürger. Während seiner Zeit in den USA arbeitete Reimer als Verkäufer und Restaurantmanager. Er lebte in Brooklyn. Nach seiner Pensionierung zog er nach Carmel und lebte bis zu seinem Tod in Fort Lee, New Jersey.
1980 wurde das erste Mal gegen Reimer im Zusammenhang mit dem Fall John Demjanjuk ermittelt. Im Zuge dieser Ermittlung wurden aber keine Fortschritte gemacht. Erst als 1992 die Sowjetunion zerfiel, machten Ermittler bedeutende Fortschritte. In diesem Jahr wurde vom Office of Special Investigations Anklage zur Ausbürgerung gegen Reimer erhoben. 1998 wurde diese vor einem Gericht verhandelt. Reimer wurde am 5. September 2002 aus den USA ausgebürgert. Er legte Berufung gegen seine Ausbürgerung ein. Am 27. Januar 2004 wurde das Urteil von einem Berufungsgericht (United States Court of Appeals) bestätigt.[4] 2005 sollte Reimer abgeschoben werden. Mit seiner Abschiebung nach Deutschland war er einverstanden, verstarb aber vor dem Vollzug.
Literatur
- Eric C. Steinhart: The Chameleon of Trawniki. Jack Reimer, Soviet Volksdeutsche, and the Holocaust. In: Holocaust and Genocide Studies, Bd. 23 H. 2 (2009), S. 239–262, doi:10.1093/hgs/dcp032
Weblinks
- „Liste von in den USA gefassten Nazis“
- Colin Miner: Onetime Nazi Guard Who Settled In Brooklyn Misses Court Date. In: New York Sun (2002–2008), 14. Juni 2005.
- Rede von Eli Rosenbaum vor dem U.S. Holocaust Memorial Museum zum Gedenktag am 11. April 2013
Einzelnachweise
- ↑ The Chameleon of Trawniki: Jack Reimer, Soviet Volksdeutsche, and the Holocaust, Buchvorschau auf Project Muse, abgerufen am 16. Februar 2019
- ↑ a b Mennonites and the Holocaust: From collaboration to perpetuation, Mennonite Historical Society, 2010
- ↑ New York Magazine. von New York Media, LLCNew York magazine was born in 1968 after a run as an insert of the New York Herald Tribune and quickly made a place for itself as the trusted resource for readers across the country. With award-winning writing and photography covering everything from politics and food to theater and fashion, the magazine's consistent mission has been to reflect back to its audience the energy and excitement of the city itself, while celebrating New York as both a place and an idea. , S. 34 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ a b Gerichtsakte zum Fall 356 F.3d 456 - UNITED STATES of America, Plaintiff-Appellee, v. Jack REIMER, a/k/a Jakob Reimer, Defendant-Appellant. Docket No. 02-6286. United States Court of Appeals, Second Circuit., abgerufen am 16. Februar 2019.
- ↑ a b Dan Barry: About New York; A Face Seen And Unseen On the Subway. In: The New York Times. 17. September 2005, abgerufen am 17. Februar 2019.
Personendaten | |
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NAME | Reimer, Jakob |
ALTERNATIVNAMEN | Reimer, Jack |
KURZBESCHREIBUNG | sowjetisch-amerikanischer KZ-Wächter im Zwangsarbeitslager Trawniki |
GEBURTSDATUM | 6. November 1918 |
GEBURTSORT | Friedensdorf |
STERBEDATUM | 3. August 2005 |
STERBEORT | Fort Lee, New Jersey |