Johann Gustav Stockenberg

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Johan(n) Gustav Stockenberg (* vor 1660 in Schweden; † um 1710 in Reval) war ein schwedischstämmiger Bildhauer, Bildschnitzer und Steinmetz des Hochbarock, der in Schweden, Russland und vor allem in Reval (heute Tallinn, Estland) in Schwedisch-Estland arbeitete.[1]

Leben und Werk

Innenraum der Domlirche in Tallinn

Stockenberg (erste Erwähnung 1676)[1] stammte aus Schweden (wahrscheinlich aus Stockholm),[2] zog 1681 mit seinem Schwager nach Kopenhagen,[3] wo er unter anderem dekorative Hirschköpfe(a) schnitzte,[4] und kam um 1683 nach Reval, wo er auf dem Antonius-Berg lebte.[5] Unter Leitung des Bau- und Schreinermeisters Daniel Bickel[6] nahm Stockenberg neben Christian Ackermann am Wiederaufbau des Tallinner Doms teil, nachdem dieser 1684 beim Brand auf dem Domberg schwer beschädigt worden war.[7][8]

Burg Tallinn

Ebenso war Stockenberg an allen Umbauten und Ausbesserungen (späterstens ab 1687) an der Burg Tallinn beteiligt, darunter Arbeiten an der Treppe des Reichssaals sowie in den Repräsentations- und Wohnräumen der Residenz des schwedischen General-Gouverneurs.[8][9]

Im Jahr 1688 geriet er mit der Zunft der Revaler Maurer, Bild- und Steinhauer in Konflikt, da er als freischaffender Steinmetz den Zunftzwang ignoriert hatte und den Bau der Fenster, Türen und Treppen für das Gutshaus Maart (estn. Maardu, Kirchspiel Jegelecht) durchgeführt hatte.[5]

Gutshaus Maart

Stockenberg starb in Reval um die Zeit der Belagerung von Reval.

Bekannte Arbeiten

Stockenberg lieferte Arbeiten in verschiedene Städte in Schwedisch-Estland, so auch eines der Kapitelle für den Eingang des Poortenschen Hauses in Narva.[10]

Seine bekanntesten Werke sind mehrere Steinsarkophage prominenter Personen, die in Tallinns Domkirche begraben wurden,[11] namentlich die Grabmonumente für Otto Reinhold von Taube,[12] sowie des schwedischen Feldmarschalls Fabian von Fersen,[13] als auch wahrscheinlich der Sarkophag des schwedischen Feldmarschalls Otto Wilhelm von Fersen.[14]

Familie und Nachfahren

Stockenbergs Ehefrau war die in Hamburg[3] geborene Magdalena Lamoureux, eine Schwester des aus Frankreich stammenden Bildhauers Abraham César Lamoureux[2] und Stieftochter des Bildhauers Jean Baptista Dieussart.[2] Seine Söhne und Enkel waren Postkommissare(b) in Livland.[15][16] Seine Urenkelin Charlotte Amalie (ca. 1754–1802)[16] heiratete 1878 den Dorpater Ratssyndikus[17] Gottlob Siegmund Brasch (1752–1803) und wurde durch dessen Nobilitierung die Stammmutter des deutschbaltischen Adelsgeschlechts Brasch. Ihre Schwester Louise Dorothea (1755–1803) war mit dem Dorpater Ratsherrn Carl Ulrich Ehlertz (1739–1790) verheiratet,[17] und ihr jüngerer Bruder Gustav Emmanuel (1771–1845) war Pastor der Gemeinde Kamby (Kambja)[18] im Kreis Dorpat. Urenkel von Gustav Emmanuel Stockenberg waren die Wissenschaftler Wilhelm (1880–1940), Walter (1885–1962) und Oskar Anderson (1887–1960).


(a) Für zwei Hirschköpfe erhielt er 24 dänische Rigsdaler aus der Königlichen Kammer.[19]
(b) In Liv- und Estland im 18. und 19. Jahrhundert war ein Postkommissar ein von der Ritterschaft angestellte Leiter oder Pachtbesitzer einer Pferdepoststation.[20]

Literatur

  • Sten Karling: Holzschnitzerei und Tischlerkunst der Renaissance und des Barocks in Estland (= Verhandlungen der gelehrten Estnischen Gesellschaft zu Dorpat. Band 34). Gelehrte Estnische Gesellschaft, Tartu 1943 (Digitalisat der Universität Tartu).
  • Antikvariska studier. 3 (= Kungl. Vitterhets-, historie- och antikvitetsakademiens handlingar. Band 65). Wahlström & Widstrand, Stockholm 1948 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Sulev Mäeväli: Tallinn Cathedral Burials and Tomb Monuments. Morgan Studio, Tallinn 2004, ISBN 9949-10-761-X.

Einzelnachweise

  1. a b Grabmal. Hersteller: Johan Gustav Stockenberg. In: Bildindex der Kunst und Architektur. Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte - Bildarchiv Foto Marburg, abgerufen am 11. März 2018.
  2. a b c Bertil Waldén: Nicolaes Millich och hans krets: studier i den karolinska barockens bildhuggarkonst. Saxon & Lindströms förlag, Stockholm 1942 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. a b Emil Marquard: Fra arkiv og museum (= Østifternes historisk-topografiske selskab [Hrsg.]: Serie 2). Arnold Busck, Kopenhagen 1925, Abraham Cæsar Lamoureux, S. 245–247 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. Frederik Julius Meier: l’Amoureux Abraham César. In: Carl Frederik Bricka (Hrsg.): Dansk biografisk Lexikon. Tillige omfattende Norge for Tidsrummet 1537–1814. 1. Auflage. Band 1: Aaberg–Beaumelle. Gyldendalske Boghandels Forlag, Kopenhagen 1887, S. 196 (dänisch, runeberg.org).
  5. a b EAA.1.2.483. Eingelaufene Schreiben in Verwaltungs- und Gerichtsangelegenheiten. In: Arhiivi infosüsteem (AIS). Rahvusarhiiv, the National Archives of Estonia, abgerufen am 19. März 2019 (estnisch).
  6. Sten Karling: Zur Baugeschichte der Domkirche zu Tallinn (= Verhandlungen der Gelehrten Estnischen Gesellschaft. Band 30). Gelehrte Estnische Gesellschaft, Tartu 1938, S. 237–248 (Digitalisat der Universität Tartu).
  7. Sulev Mäeväli: Tallinner historische Bauten und Kunstwerke. Perioodika, Tallinn 1993, ISBN 5-7979-0471-3, S. 18 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  8. a b Armin Tuulse: Zur Baugeschichte der Tallinner Burg (= Sitzungsberichte der gelehrten estnischen Gesellschaft zu Dorpat. Band 1935). Gelehrte Estnische Gesellschaft, Tartu 1937, S. 41–96 (Digitalisat der Universität Tartu).
  9. Notizen und Nachrichten (= Zeitschrift für Kunstgeschichte. Band 7, Nr. 4). Deutscher Kunstverlag, München 1938, S. 360, JSTOR:1480964.
  10. Sten Ingvar Karling: Narva: Eine Baugeschichtliche Untersuchung (= Kungl. Vitterhets- historie- och antikvitets akademien. Archäologische Monographien. Band 25). Wahlström & Widstrand, Stockholm 1936 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  11. Sulev Mäeväli: Geschichts- und Architektur-Denkmäler in Tallinn. Perioodika, Tallinn 1981.
  12. a b 1343 O. R. Taube hauamonument-sarkofaag. In: Nationales Register der Kulturdenkmäler (Estland). 20. Juni 1995, abgerufen am 11. März 2018 (estnisch).
  13. a b 1344 F. v. Ferseni hauamonument-sarkofaag. In: Nationales Register der Kulturdenkmäler (Estland). 20. Juni 1995, abgerufen am 11. März 2018 (estnisch).
  14. a b c d 1367 O. W. v. Ferseni hauamonument. In: Nationales Register der Kulturdenkmäler (Estland). 20. Juni 1995, abgerufen am 11. März 2018 (estnisch).
  15. Georg von Rauch: Das Deutschtum eines livländischen Kirchspiels im 18. Jahrh. (= Baltische Monatshefte. Jahrgang 1932). Verlag Ernst Plates, Riga 1932, S. 93 (Digitalisat der Universität Tartu).
  16. a b Nikolai von Essen: Stammtafeln – Ahnentafeln – Portraits (= Nachrichten über das Geschlecht Ungern-Sternberg. Nachtrag III). Verlag von Professor Rolf Freiherr v. Ungern-Sternberg, Tartu 1936, S. 206–208 (Digitalisat der Universität Tartu).
  17. a b Robert Arthur von Lemm: Dorpater Ratslinie 1319-1889 und das Dorpater Stadtamt 1878-1918. Herder-Institut, Marburg/Lahn 1960, S. 47, 59 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek).
  18. Karl Eduard Napiersky: Lebensnachrichten von den livländischen Predigern, mit litterärischen Nachweisen. Dritter Theil. Q-Z. Nebst Berichtigungen und Nachträgen (= Beiträge zur Geschichte der Kirchen und Prediger in Livland. Viertes Heft). Verlag J. F. Steffenhagen und Sohn, Mitau 1852, S. 59–60 (Digitalisat der Universität Tartu).
  19. Emil Marquard: Kongelige kammerregnskaber fra Frederik III.s og Christian IV.s tid (= Selskabet for udgivelse af kilder til dansk historie). I kommission hos G.E.C. Gad, Kopenhagen 1918 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  20. Postkommissar. In: Baltisches Rechtswörterbuch. Baltische Historische Kommission, abgerufen am 19. September 2022.