Johannes Lange (Mediziner)

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Johannes Lange (* 25. Mai 1891 in Wismar; † 11. August 1938 in Breslau) war ein deutscher Psychiater, Neurologe, Hochschullehrer und Forscher im Bereich Kriminalbiologie.[1]

Leben

Johannes Lange promovierte nach einem Medizinstudium an den Universitäten Leipzig, Kiel, Straßburg und München 1917 zum Dr. med. bei Emil Kraepelin in München, dessen Assistent er wurde. Im Jahr 1921 folgte die Habilitation für Psychiatrie und Neurologie bei Kraepelin in München mit einer Arbeit über die katatonen Erscheinungen im Rahmen manischer Erkrankungen. Ab 1922 war er leitender Arzt der Psychiatrie am Städtischen Krankenhaus München-Schwabing und wurde 1926 zum außerordentlichen Professor ernannt. Unter Kraepelins Nachfolger Walther Spielmeyer arbeitete Lange ab 1927 als Oberarzt am Städtischen Krankenhaus München-Schwabing und wurde Leiter der klinischen Abteilung der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie (DFA) in München. Von 1930 bis zu seinem Tod 1938 war Lange als Nachfolger Robert Wollenbergs ordentlicher Professor und Direktor der Universitätsnervenklinik Breslau. Er war zudem Richter am Erbgesundheitsgericht. Von 1928 bis 1931 war er Wissenschaftliches Mitglied und von 1931 bis zu seinem Tod 1938 Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied der DFA und damit der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft.

1936 wurde er in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina gewählt (Sektion Psychiatrie, Med. Psychologie und Neurologie).[2]

Wirken

Mit Theodor Viernstein unternahm Lange kriminalbiologische Forschungen mit dem Ziel des wissenschaftlichen Nachweises, dass Kriminalität und selbst Wohnsitzlosigkeit genetisch bedingt sei. Er arbeitete zudem zu den NS-Sterilisationsgesetzen, was ihm später Kritik einbrachte.

August Bostroem und Lange begründeten 1929 die Fortschritte der Neurologie, Psychiatrie und ihrer Grenzgebiete.

Lange war Mitherausgeber der 9. Auflage des Lehrbuchs der Psychiatrie von Kraepelin, das er nach dessen Tod allein bearbeitete. Nach seinem Tod wurde er zudem als Mitherausgeber der 5. Auflage des NS-Standardwerks Grundriß der menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene von Baur-Fischer-Lenz geführt. Er war Gründer und Mitherausgeber der Zeitschrift Fortschritte der Neurologie und Psychiatrie sowie 1936 und 1937 der Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform (1937 Monatsschrift für Kriminalbiologie und Strafrechtsreform).

Privates

Grab von Johannes Lange auf dem Inneren Neustädter Friedhof in Dresden

Lange war in erster Ehe mit der Pasinger Ärztin Katharina (Käthe) Silbersohn (1891–1937) verheiratet. Sie stammte aus einer ostpreußischen jüdischen Kaufmannsfamilie und studierte Medizin in Heidelberg, Berlin, Königsberg, Kiel und München. Nach ihrer Approbation 1915 praktizierte sie in Kriegsvertretung auf dem Lande, promovierte 1917 und eröffnete noch während des Krieges im Januar 1918 eine eigene Arztpraxis in Pasing. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. In Pasing wurde die Tochter Ursula (U. Merck 1922–2003) geboren. Nach Kraepelins Tod im Oktober 1926 zog Lange 1927 in Kraepelins ehemalige Wohnung[3], Bavariaring 46, das heutige Maria-Theresia-Krankenhaus.[4] Dieses Gebäude hatte James Loeb der DFA unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Hier wurde im gleichen Jahr das zweite Kind Ernst Lange (1927–1974), später Professor für Praktische Theologie, Oberkirchenrat und Kirchenreformer, geboren, der 1974 Selbstmord beging. Katharina Lange reichte 1934 die Scheidung ein.[5] 1937 beging sie Suizid.

Im Jahr 1936 heiratete Lange in zweiter Ehe Herta Lange-Cosack (1907–2005).[6] Langes Grab und das seiner zweiten Ehefrau befindet sich auf dem Inneren Neustädter Friedhof in Dresden.

Zu Langes Freundeskreis gehörte der Zoologe und Genetiker Günther Just.[7]

Werke

  • Verbrechen als Schicksal. Studien an kriminellen Zwillingen. Leipzig 1929
  • Die Folgen der Entmannung Erwachsener. An der Hand von Kriegserfahrungen dargestellt. 1934

Literatur

  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer, Frankfurt am Main 2005, S. 356.
  • Uwe Henrik Peters: Lexikon Psychiatrie, Psychotherapie, Medizinische Psychologie. Mit einem englisch-deutschen Wörterbuch im Anhang. 6., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Urban & Fischer, Elsevier 2007, ISBN 3-437-15061-8, S. 316 (Scan bei GoogleBooks).
  • Ulrike Steiner: Bayerischer Landesverband für Wanderdienst. In: Ort und Erinnerung – Nationalsozialismus in München. Salzburg-München, S. 2206, 85.
  • Ilse Macek: Ernst Rüdin und die Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie (Kaiser-Wilhelm-Institut) in der Kraepelinstraße. In: ausgegrenzt-entrechtet-deportiert, Schwabing und Schwabinger Schicksale 1933–1945. München 2008, S. 440, Fußnote 8.
  • Benedikt Weyerer: Der Mäzen James Loeb. In: ausgegrenzt-entrechtet-deportiert, Schwabing und Schwabinger Schicksale 1933–1945. München 2008, S. 457.
  • Gudrun Azar: Die erste Ärztin in Pasing Dr. med. Käthe Silbersohn. In: Ins Licht gerückt. Jüdische Lebenswege im Münchner Westen. München 2008, S. 121–122.
  • Alma Kreuter: Deutschsprachige Neurologen und Psychiater: Ein biographisch-bibliographisches Lexikon von den Vorläufern bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. 3 Bände. K. G. Saur, München 1996, ISBN 3-598-11196-7, Bd. 1, S. 820.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. 2., aktualisierte Auflage. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 356.
  2. Mitgliedseintrag von Johannes Lange bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 5. April 2015.
  3. Melderegister, Stadtarchiv München
  4. Festschrift 75-Jahr-Feier Maria-Theresia-Klinik, Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul, München 2005, S. 5.
  5. Gudrun Azar: Die erste Ärztin in Pasing Dr. med. Käthe Silbersohn, S. 122 s. u.
  6. Vgl. Zum Tode von Herta Lange-Cosack auf berliner aerzte.de (PDF; 167 kB)
  7. Ute Felbor: Rassenbiologie und Vererbungswissenschaft in der Medizinischen Fakultät der Universität Würzburg 1937–1945 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Beiheft 3). Königshausen & Neumann, Würzburg 1995, ISBN 3-88479-932-0 (Zugleich: Dissertation Würzburg 1995), S. 155.