Johannes Ullrich

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Johannes Ullrich (* 17. Februar 1902 in Marklissa, Provinz Schlesien; † 25. Dezember 1965 in Bonn) war ein deutscher Historiker, Archivar und Leiter des Politischen Archiv des Auswärtigen Amts (1938–1945,1956–1965).

Leben

Nach dem Besuch des Victoria-Gymnasiums in Potsdam studierte Johannes Ullrich an der Universität Berlin Geschichte und promovierte 1929 bei Friedrich Meinecke mit einer Arbeit über Heinrich Laube als politischen Charakter.

Von 1930 bis 1931 absolvierte er die preußische Archivarsausbildung am Institut für Archivwissenschaft in Berlin-Dahlem. Nach bestandenem Examen fand er eine Anstellung beim Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes (AA) in Berlin, wo er sich innerhalb weniger Jahre vom wissenschaftlichen Hilfsarbeiter (1933) zum Archivleiter (1938) hocharbeitete. Obwohl er sich weigerte, der NSDAP beizutreten, und auch anderweitig als kritischer Geist auffiel, wurde er 1939 zum Legationsrat ernannt und verbeamtet. Weitere turnusmäßige Beförderungen blieben jedoch aus.

Im August 1940 kündigte Ullrich im Auftrag des AA dem OKW die Entsendung einer Kommission an, die in Tours nachgewiesene Akten des französischen Außenministeriums (Quai d’Orsay) überprüfen sollte. Neben Kurt Jagow gehörten ihr Peter Klassen und Heinz Günther Sasse an. Nach einem Bericht Jagows wurde „vordringlich zur Bearbeitung geeignet erscheinendes Material“ nach Berlin überführt. Die Beschlagnahme der Akten erfolgte durch das „Sonderkommando Künsberg“.[1]

Auf Anordnung seiner Vorgesetzten lagerte Ullrich im Sommer 1943 wichtige Archivalien des Auswärtigen Amtes aus dem gefährdeten Berlin in den Harz aus. Entgegen einer Anweisung Anfang 1945, sich aus Gründen der persönlichen Sicherheit zu dem ausgelagerten Archivgut in den Harz zu begeben, blieb er aus Sorge um die in der Hauptstadt verbliebenen Archivbestände in Berlin.

Noch im April 1945 wurde er durch die sowjetische Besatzungsmacht festgenommen, mehrere Monate in Berlin inhaftiert und schließlich nach Moskau ausgeflogen. Es folgten eine dreijährige Haftzeit sowie die Verurteilung (1948) durch ein Militärgericht zu zehn Jahren Arbeitslager. Anfang 1955 wurde Ullrich entlassen und kam körperlich und seelisch schwer angeschlagen nach Berlin zurück. Nach mehreren Monaten der Rekonvaleszenz wurde er 1956 in seine alte Position als Leiter des Politischen Archivs wieder eingesetzt. Dort wirkte er bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1965.

Literatur

  • Astrid M. Eckert: Kampf um die Akten. Die Westalliierten und die Rückgabe von deutschem Archivgut nach dem Zweiten Weltkrieg. Reihe: Transatlantische Historische Studien, 20. Franz Steiner, Stuttgart 2004, ISBN 978-3-515-08554-0.
  • Eckart Conze, Norbert Frei u. a.: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik. Blessing, München 2010, S. 326–327.
  • Niels Hansen: Ein wahrer Held jener Zeit. Zum dreißigsten Todestag von Johannes Ullrich. In: Historische Mitteilungen 9 (1996), S. 95–109.
  • Wolfgang Leesch: Die deutschen Archivare 1500–1945. Band 2: Biographisches Lexikon. Saur, München u. a. 1992, ISBN 3-598-10605-X, S. 627–628.
  • Hans Philippi: Johannes Ulrich † . In: Der Archivar 20 (1967), Sp. 97–100.
  • Nachruf von Ernst Posner. In: The American Archivist, Jg. 29 (1966), S. 405–408.
  • Bernd Isphording, Gerhard Keiper, Martin Kröger (Red.): Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945. Bd. 5: T–Z, Nachträge. Herausgegeben vom Auswärtigen Amt, Historischer Dienst. Schöningh, Paderborn 2014, ISBN 978-3-506-71844-0, S. 90 f.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Martin Kröger und Roland Thimme: Das Politische Archiv des Auswärtigen Amts im Zweiten Weltkrieg. Sicherung, Flucht, Verlust, Rückführung, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 47 (1999), S. 243–264 (PDF)