Josef Deifl

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Josef Deifl (* 14. November 1790 in Essing; † 29. April 1864 in Landshut) war ein Soldat der bayerischen Armee zur Zeit der napoleonischen Kriege. Er schilderte seine Kriegserlebnisse in einem Tagebuch, das einen ungewöhnlich detaillierten Einblick in die Lebenswelt der bayerischen Soldaten der Zeit ermöglicht.

Familie und Herkunft

Gedenktafel am Wohnhaus von Josef Deifl in Essing.

Deifl wurde als Sohn eines „Eisenzrinners“, das heißt eines Eisenschmelzers, geboren. Er hatte fünf Geschwister, von denen jedoch nur zwei das Kindheits- und Jugendalter überlebten, und lebte mit seiner Familie in ärmlichen Verhältnissen. Bedingt durch seine Lebensumstände konnte er nur selten – meist im Winter – die Schule besuchen. In den arbeitsreicheren Sommermonaten musste er die Familie im elterlichen Haushalt unterstützen.

Das Leben als Soldat

Der Infanterist kämpfte 1809 bis 1815 für das bayerische Heer im 5. Infanterie-Regiment. In seinem Tagebuch sind zunächst seine Erfahrungen bei der Niederschlagung des von Andreas Hofer angeführten Tiroler Volksaufstandes nachzulesen. Mit Schrecken berichtete er von einer Beobachtung, die er im Zuge dessen gemacht hatte. Er musste mitansehen, wie neun Tiroler auf wahrscheinlich französischen Befehl hin gehängt wurden, da sie jedwede Kooperation verweigerten: „Sodann werden sie aufgehängt in denen dort stehenden Erlenbäumen. Ein K.B. Kanonier erfüllt die Exekution auf Befehl.“ Besonders blieb dem katholischen Deifl die Tatsache in Erinnerung, dass unter den Gehängten auch ein Mesner war.

1812 marschierte Deifl als Teil eines Ersatzkontingents für Napoleons Grande Armée, die Ende Juni die russische Grenze überschritt, von Nürnberg über Sachsen und Schlesien nach Polen. Er gelangte bis Wilna. Auf dem Rückzug geriet Deifl 1813 in Schlesien in russische Gefangenschaft und wurde, von Kosaken bewacht, bis Minsk gebracht. Er verweigerte einen Seitenwechsel und gelangte 1814 nach Essing zurück. Ein letztes Mal wurde Deifl 1815 gegen Frankreich in den Krieg geschickt. Nach der Niederlage Napoleons bei Waterloo wurde seine Einheit allerdings, ohne an Kampfhandlungen beteiligt gewesen zu sein, wieder zurück in die Heimat beordert.

Deifl schildert in seinem Tagebuch die Zustände, welchen die Soldaten ausgesetzt waren. So berichtet er von zahlreichen toten Pferden, die den Weg nach Hause säumen. Hunger, Not und Kälte sollen die Heimkehrenden soweit gebracht haben, dass sie in ihrer Verzweiflung nicht davor zurückschraken, diese toten Tiere zu essen. „…tote Pferdeluder waren so viele, daß jeder glaubte, sie seien seit zehn Jahren hierher gebracht worden […] Doch wird aus Mangel an Proviant noch Fleisch davon genommen und gar oft solches roh gegessen.“ Die Aufzeichnungen Deifls ermöglichen einen ungewöhnlich tiefen Einblick in die Erfahrungswelt der einfachen Soldaten der Zeit. Er stellt „die Ereignisse unsentimental dar, wobei er seine Schilderungen mit leichter Ironie würzt. Er schrieb, wie er redete und dachte, sein Stil ist lebendig und scharfsinnig. Die Strapazen, das Elend und die Gräuel des Krieges erfassen den Leser unmittelbar.“[1] Darin liegt die Besonderheit seines Tagebuches, das erstmals 1939 von Eugen von Frauenholz in Auszügen ediert und herausgegeben wurde.[2]

Das Leben nach der Kriegszeit

Über das Leben Josef Deifls nach dem Ende Napoleons ist heute wenig bekannt. Er kehrte zunächst nach Essing zurück und ging dort wieder seinem erlernten Handwerk als Eisenschmelzer nach. 1825 hat er geheiratet. Er verzog noch zweimal, zuletzt nach Landshut (1838), wo er auch verstarb.

Ein Jahr vor seinem Tode wurde er zu der Eröffnungsfeier der Befreiungshalle in Kelheim eingeladen. Bei der Einweihung am 13. Oktober 1863, dem 50. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig, soll Deifl auf Ludwig I. getroffen sein, der sich länger mit dem Russlandveteranen unterhielt. Im Folgejahr 1864 verstarb Josef Deifl an einem Schlaganfall.

Nachleben

Denkmal für Josef Deifl an der Essinger Holzbrücke

Die Veranstaltungen, die 2009 an die Napoleonschlachten in Bayern und den Tiroler Volksaufstand gegen die französische Besatzung vor 200 Jahren erinnerten[3], lenkten in Zeitungsartikeln, szenischen Lesungen und Vorträgen die Aufmerksamkeit auch auf den Infanteristen Deifl. Eine Tiroler Würdigung seiner autobiografischen Erinnerungen und Reflexionen zählt sie zu den „originellsten Quellen“ über die Ereignisse in Tirol im Jahr 1809. Bemerkenswert seien seine Schilderungen nicht nur, weil aus Tiroler Sicht ein Vertreter der „Gegenseite“ zu Wort komme, sondern auch, weil in dieser Quelle „eine absolut unpathetische und unsentimentale Darstellung aus der Sicht und im Geist des ‚kleinen Mannes‘“ gegeben werde, und das „mit ironischen, mitunter subversiven Zügen“.[4]

Die Festschrift zum zweihundertjährigen Bestehen des Verlags C. H. Beck wertet die Veröffentlichung des Tagebuchs durch Eugen von Frauenholz im Jahre 1939 als „eine ungehörte Warnung“ und nennt den schlichten bayerischen Soldaten einen „neuen Simplizius Simplizissimus[5]. Der Vergleich mit der Figur des Einfältigen wird wiederholt aufgegriffen[6].

An der alten Holzbrücke in Essing erinnert ein Bronzedenkmal an den Infanteristen. Der Bildhauer Joseph Michael Neustifter schuf eine Skulptur, die der Formensprache von Soldatenfiguren Carl Spitzwegs nachempfunden ist. Als provisorisches Schreibpult dient der Schaft seines Gewehrs, dessen Lauf in der Erde steckt. So gestützt, schreibt Deifl mit großer Feder die Eindrücke in sein Notizbuch. Neustifter hat mit der Figur bewusst ein „verhaltenes Antikriegszeichen“ geschaffen. Diese „zeittypische Instrumentalisierung“ wird dem Betrachter auch durch die Denkmalsinschrift vermittelt:„JOSEF DEIFEL/1790–1864/EISEN-ZRINNER/Soldat in den Feldzügen Napoleons/Er schrieb ein gerühmtes Tagebuch/gegen den Krieg in Essinger Deutsch“[7]. Eine weitere Gedenktafel ist am Geburtshaus Deifls, Essing, Unterer Markt 3, angebracht.

Literatur

Textausgaben
  • Jörg Nowy (Hrsg.): Infanterist Deifl. Ein Tagebuch aus napoleonischer Zeit. Abensberg 2000.
  • Mit Napoleon nach Russland. Tagebuch des Infanteristen Joseph Deifel. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2012, ISBN 978-3-7917-2409-6.
Kommentare und Darstellungen
  • Stefan Dietrich: Die Erinnerungen des bayerischen Infanteristen Josef Deifl an 1809. In: Tiroler Chronist 2008/4, S. 38–41.
  • Eberhard Dünninger und Verena Verheyden: Krieg und Frieden im Leben des Josef Deifl: ein bayerisches Soldatenschicksal im Zeitalter Napoleons. Bayerischer Rundfunk, 1983.
  • Heinrich Egner: Infanterist Deifls Lebensabend in Hagrain. Bernlochners Doppelhaus für Joseph Deifl von 1854 hat sich bis heute fast unverändert erhalten. In: Landshuter Zeitung vom 17. November 2012, S. 44. (Ergebnisse von Studien im Stadtarchiv Landshut)
  • Konrad Maria Färber: Wie Joseph Deifel den Russland-Krieg überlebte. In: Mittelbayerische Zeitung vom 24. April 2012, S. 46.
  • Egon Johannes Greipl: Deroy und Deifl. Zwei Bayern in Russland. In: aviso. Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst in Bayern. Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, München 2012, Heft 4, ISSN 1432-6299, S. 10–17.[1] (PDF; 12,2 MB)
  • Hanns Haller: Der Infanterist Deifel aus Essing. Über ein Kriegstagebuch aus napoleonischer Zeit. In: Beiträge zur Heimatkunde von Niederbayern, Band III. Bearbeitet von Hans Bleibrunner. Landshut 1976, S. 381–396.
  • Ders.: Josef Deifel, der Infanterist. In: Hanns Haller: Zwischen Fels und Fluss. Essing im Altmühltal. Essing 1976, S. 138–145.
  • Hans Holzhaider: In den Fängen Bonapartes. In: Süddeutsche Zeitung vom 15. November 2016, S. 50 (Bayernteil).
  • Rudolf Koller: Infanterist Deifel. Kriegserinnerungen eines Neuessinger Bürgers aus napoleonischer Zeit. In: Der Sonntag, Wochenendbeilage des Donaukurier vom 12. und 13. August 2000.
  • Hans Kramer: Die Erinnerungen eines bayerischen Infanteristen über den Feldzug 1809. In: Tiroler Heimatblätter, 34. Jahrgang, Heft 4/6, 1959, S. 65–70.
  • Hans Kratzer: Erschossen auf des Vaters Acker. Wieder aktuell: das Tagebuch des Napoleon-Soldaten Deifl. In: Süddeutsche Zeitung vom 1. Juli 2009, S. 36.
  • Paul Ernst Rattelmüller: Die Erlebnisse der Frau von Paur und des Infanteristen Deifl. In: Klio, Gesellschaft der Freunde und Sammler Kulturhistorischer Zinnfiguren, Landesgruppe Südbayern (Hrsg.): Jahresbericht 2004, S. 26–43.
  • Evelyn Scherfenberg: Im Todespfuhl. Wie der Infanterist Joseph Deifel den Russlandfeldzug Napoleons überlebte. In: Nürnberger Nachrichten vom 11. Juni 2012.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Kratzer, Hans: Erschossen auf des Vaters Acker. Wieder aktuell: das Tagebuch des Napoleon-Soldaten Deifl. In: Süddeutsche Zeitung vom 1. Juli 2009, S. 36.
  2. Infanterist Deifl: Ein Tagebuch aus napoleonischer Zeit. Herausgegeben von Eugen von Frauenholz, C.H. Beck´sche Verlagsbuchhandlung, München 1939. Es handelt sich um einen Auszug aus der Handschrift im Heeresarchiv München mit der Nummer HS 649.
  3. Napoleon in Bayern (Memento vom 1. Juni 2009 im Internet Archive).
  4. Dietrich, Stefan: Die Erinnerungen des bayerischen Infanteristen Josef Deifl an 1809.@1@2Vorlage:Toter Link/content.tibs.at (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: Tiroler Chronist 2008/4, S. 38–41, dort S. 38.
  5. Festschrift zum zweihundertjährigen Bestehen des Verlages C.H. Beck 1763–1963, Verlag C.H.Beck, München 1963, S. 159.
  6. zum Beispiel: Rupert Fischer: Infanterist Deifel von Neuessing: der Simplizissimus des Napoleonkriegs: aus einem Tagebuch vom russischen Feldzug 1813/14, Schulamt Kelheim 1959.
  7. Schmidt, Wolfgang: „Das Elend, worin sich unsere gute Armee befindet, kann blatterdings nicht beschrieben werden“. Leiden und Instrumentalisierung der im Rußlandfeldzug von 1812 umgekommenen Bayern. In: Bayern und Osteuropa. Aus der Geschichte der Beziehungen Bayerns, Frankens und Schwabens mit Rußland, der Ukraine und Weißrußland. Herausgegeben von Hermann Beyer-Thoma. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2000. ISBN 3-447-04254-0, S. 221–264, dort S. 253.